III, 172 – Hapax du soir

Zeit, sich wärmer anzuziehen zu dieser Abendstunde: Ich nieste grad’ so vor mich hin. Auch wenn es tagsüber draußen in der Sonne, wie Ninno mit seiner Damigiana in der Hand in der offenen Tür trompetete, “Primavera” sei. Endlich auch der Anruf beim Holzlieferanten, so daß dann wohl Ende der Woche oder Anfang der nächsten Woche zwanzig Doppelzentner Eichenholz den Hofeingang versperren werden. Wie im letzten Jahr werde ich mir den Berg hochtragen lassen und dafür bezahlen. Sonst ließ ich ihn im Abstand einer Woche zweimal mit jeweils der Hälfte bringen und hatte dann zwei-drei Stunden zu tun, das Holz in den Hof zu hinaufzutragen. Hätte ich nichts zu tun, wäre es vielleicht in Ordnung.
Die Geräusche draußen fangen an sich zu verändern. Sind nurmehr isolierte, flüchtige Fremde in der Gasse am Frühabend. Eine Art Trommeln bei der Rückkehr vom Tabaccaio. Sah eine lange Bambusstange, die ein aus dem Fenster gehaltener Arm oben gegen die Hauswand schlug. Tauben vertreiben wohl. Davor im Dämmer eine Stimme, die entweder etwas heftig verscheuchen oder herbeirufen wollte. Beim Umdrehen der Rücken eines Mannes, an dessen Armen Plastikbeutel hingen. Das gespenstische Röcheln am Nachmittag: die nun in Jupp umgetaufte Siope, die bzw. der an irgendetwas würgte. Wir schauten einander mit großen Augen an. Aber dann war’s vorbei. Und er sprang auf den Brunnen hinauf.
Am Nachmittag nochmal telefonische Danksagungen von der römischen Freundin. Sie werde um den 20. wieder auftauchen, sich hier noch mehr umzuschauen. Amelia schindet Eindruck, oder wie ich ihr sagte: Amelia ammalia (verhexen, bezaubern, verführen). So jedenfalls sagte ich es mir selbst am Anfang meiner Zeit hier.
Fast schon Glücksgefühle indes gestern abend noch, als ich im Egger weiterlesen wollte. Aber ich schaffe nie mehr als drei-vier Seiten, weil ich es dann atemlos beiseite legen muß (im Grunde schon zu verstehen, daß der Text als lange Rede schwierig sein kann). Gestern war’s zwei Seiten nach diesem Satz: Oder es entsteht Nichts, das ist, und “ptyx”, der punktum beständige Geburtspunkt des poetischen Tuns, ist nicht weiter teilbar, aber von zwei Dauern: d.h. etwas fängt offenbar irgendwo an und hört erst irgendwann nicht auf. Hapax du soir statt Belle de jour. Mallarmé. Irgendwann gestern abend begann das Wort, nicht aufzuhören. Denn ptyx ist tatsächlich nix. Eine pterodaktyle Strix am Styx.
Zu früher Unzeit heut’ nach Träumen, in denen ich übersetzte (aber es handele sich doch im Grunde um eine Erzählung von Cees Nooteboom, sagt’ ich oder wer (hab’ ihn aber selbst nie gelesen)), um sechs aufgestanden und meine Gegenwehr gegen die gestrigen “Anfeindungen” (also “zahlreiche grammatische Fehler” (mußte dauernd an Nabokovs Schweizer Gouvernante in Sankt Petersburg denken, die kein Russisch konnte, außer der Vokabel “gdje?” – “wo?”, die sie dann immer hysterisch gebrauchte, wenn etwas nicht funktionierte, so idem ich) und “schwerwiegender unsachgemäßer Gebrauch der Terminologie” (also wenn man “Fahrrad” schreibt, wo “Auto” stehen müßte)) schriftlich aufgebaut.
Ich hätte nicht darüber schreiben sollen. Es bauscht sich wieder.
Dann doch lieber >>>> Speaking in Tongues

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