7.51 Uhr:
Seit sechs Uhr an der Montage. Ich bin jetzt punktgenau bei 52 Minuten 36 Sekunden angekommen (52’40” sollen es sein, mit der An- und Absage 54’40”), und zwar allein dadurch, daß ich aus dem Gespräch Sekunde für Sekunde retardierende Pausen herausgenommen habe, Schritte, Nebengeräusche usw. Das nimmt zwar Filips etwas seinen fast immer lange überlegenden Sprachduktus, dieses Tasten und Suchen nach dem richtigen Wort, Namen, Begriff, aber dadurch, daß der Duktus in der Gedichtrezitation erhalten bleibt und auch in den kleinen Auszügen aus unserem Cafégespräch, wird er zugleich gewahrt. An zweidrei Stellen kürzte ich die Musiken etwas, es gibt jetzt keine „Inseln“, sondern das Stück treibt sehr voran, und man hört des Einzelnen sensible Überlegung und poetische Empfindung in einem brachialen Meer des Verkehrslärms treiben. Als uns Vostell 1976 auf sein letztes Happening, oder doch eines seiner letzten Happenings, auf einen Acker von Worpswede mitnahm, damit wir wieder den Wind zu hören lernten, war das genau die entgegengesetzte Erfahrung zu diesem Hörstück jetzt: während ich die Bänder abhörte, bekam ich überhaupt erst mit, w e l c h ein Lärmen permanent um uns herum ist – und das, obwohl Filips und ich den größten Teil unseres langen Gespräches im Tiergarten aufnahmen, nicht etwa entlang einer Hauptverkehrsader; danach aber hört es sich nun an. Und dort, wo momenthafte Ruhe ist, knallen aber auch sofort Motosägen und das – beim Abhören des Bandes – nahezu unglaublich laute Klacken und Knallen der Verschlußklappen elektrischer Wassersprüher. Daß Filips als eine Erfahrung seiner Jugend (in den Neunzigern!) das Erleben ausgerechnet so kleiner Städte wie Worms als zerstörter bezeichnet, findet im Hörstück über die radikale Dokumentation des Lärms eine ziemlich genaue Entsprechung. Interessant ist dabei zudem, daß Pasolinis, der nun wahrlich nicht von George herkommt, die dörfliche Welt seiner Kindheit im Friaul zurücksuchenden Gedichte im Vergleich zu Filips’ Texten fast ein wenig melancholisch-verklärend wirken; ausgerechnet Filips’ Gedichte, der immer wieder vom prophetischen Gestus spricht (zugleich aber vom Zweifel an ihm), wirken bisweilen enorm schroffer, manchmal nüchtern dagegen, ein andermal von distanziertester Abstraktion. Wie Gebet aber, tatsächlich, Mendelssohns „O Haupt voll Blut und Wunden“, und passend (dagegen gesetzt: Mantler/Bruce, vermittelnd wiederum Mantlers Ungaretti-Vertonungen, und an einer – nur kurzen – Stelle konnte ich es nicht lassen, >>>> Tschemberdjis Vertonung meines Kindergebets für K. zu zitieren, und zwar das Verloren).
11.16 Uhr:
Erste Abmischung gefahren, und soeben brennt die Probe-CD. Ich will das Stück gleich, wenn Prunier hergekommen sein wird, über den CD-Spieler anhören; erfahrungsgemäß ergibt das n o c h mal einen anderen Eindruck. Danach geht es dann wieder von vorne mit der Feinarbeit weiter; die endültige CD – auf den mir zugeschickten Datenträgern des WDRs – brenne ich sicher nicht vor Montag mittag. Gern hörte ich mir davor noch einmal alles in Filips’ Gegenwart an; noch sind ja Einwände möglich, also sie zu berücksichtigen.
Jetzt wird erstmal mit meinem Jungen gefrühstückt; ans Cello gehen wir zwei dann sowas um sechs Uhr, wenn er drauße herumgetollt ist und etwas hatte von dem wirklich herrlichen Wetter.
13.43 Uhr:
So, einmal mit Prunier die gebrannte CD durchgehört; es gibt noch ein paar kleine Dynamik-Schwächen, die auszugleichen sind, dreiviermal ist Filips’ Stimme einen Tuck zu leise, und zu Anfang hat die CD zwei Fehler, Aussetzer, gehabt, punktartig – ansonsten steht das Stück tatsächlich. Das bedeutet: einen weiteren Durchgang jetzt, um die Problemchen zu beheben, die ich eben gehört habe, dann einen Durchgang mit der zweiten Probe-CD, danach die Rohlinge des WDRs brennen und den Master-Rohling abhören. Ah ja, und auf den hergesandten Stick speichere ich dann zusätzlich. Danach kann alles auf die Post. Insgesamt wird es Montag mittag werden, schätze ich.
>>>> Siebter und achter Produktionstag (Filips 8).
Fünfter Poduktionstag (Filips 6) <<<<