5.15 Uhr:
[Arbeitsjournal. Bach, Englische Suite Nr. 1.]
Gegen 0.15 Uhr ins Bett; die Zwillingsbabies waren ganz kommod heute, nur O. hatte ein wenig ihre Wälzerei, hingegen G. manchmal den Kopf hochnahm, kurz zu weinen anfing, aber es war sozusagen immer nur der Auftakt eines Weinens; das Köpfchen wurde, ging man nicht drauf ein, sofort wieder allzu schwer, und das Bürschelchen sackte in den Schlaf zurück. Manchmal darf man bei sowas nicht reagieren. Die Geliebte hingegen war im Bett unsres Achtjährigen eingeschlafen, als sie ihm gestern abend vorlas; so lag sie noch heute morgen, so weckte ich sie zur Wachablösung bei den Babies, packte dann mein Zeug zusammen; >>>> der Littell lag von gestern nacht noch aufgeschlagen auf dem Wohnzimmertisch; ich weiß nicht, ob ich schon je hier geschrieben habe, daß ich im Bett nicht lesen kann und auch nicht bequem auf einer Couch; jedenfalls kann ich es nie lange, sondern werde, sowie ich eine liegende Position einnehme, fast unvermittelt müde. Übrigens ist das auch beim Filmeschauen so; also ziehe ich sowohl fürs eine wie fürs andre Tische und Stuhl entschieden vor; am besten geht es eh am Schreibtisch. Allora, den Rucksack vor den Bauch, das Cello auf den Rücken, so dann zum Fahrrad hinunter und hierher durch den Morgen, der noch immer Nacht ist, obwohl der Frühlung morgen auch kalendarisch beginnt.
Gestern meldete sich eine literarische Freundin wieder, nach langer langer Zeit; sie veranstaltet Literarische Salons, die prominenten Zulauf haben; auch Freund Eisenhauer ist stets dabei, ich selber aber war seit, kann man sagen, Jahren dort „gesperrt“, was private Hintergründe hat, die mit ihr nur indirekt, mit ihrem Mann aber direkt zu haben. Nun hat man sich getrennt, und ich bin wieder zugelassen. Ich schlug ihr eine Diskussionsveranstaltung zu Littell vor, eine Tischrunde, die, wie sie zurückschrieb, Tilman Krause, Jean-Claude Crepy vom Institut français, >>>> Delf Schmidt, sowie ich selbst bestreiten könnten; ich schlug statt Krause >>>> Georg Dotzauer vor; sie konterte mit: „Sei doch nicht immer so kategorisch.“
Das >>>> Interview mit dem Spreeblick steht bereits im Netz; ich überflog es gestern nacht noch und fand einige grammatische und Rechtschreibfehler; offenbar hat Valin nicht korrekturgelesen. Soll ich ihm jetzt noch eine Nachricht drüber schreiben? Der Briefwechsel hat zu schön geendet:FV
Und bitte, fragen Sie mich nicht, warum das unter Pop steht. Literatur steht bei Spreeblick leider immer unter Pop. Das hab nicht ich verbrochen, deswegen schäme ich mich an dieser Stelle auch bloß fremd.
ANH
(…) ich find das mit dem Pop sogar einen ganz besonderen W i t z ! Prima is‘ das!
(Das ist auf der Cassette gleich nach dem Bach mitgeschnitten.]]
Jetzt werd ich erstmal meine >>>> DTs nachholen und dann die Texte für die >>>> ANNO-1900-Anthologie lesen, damit ich endlich meine Rahmenhandlung schreiben kann. (Die Geliebte: „Du hast gehofft, daß man dich entbindet, nicht wahr, als du nicht rechtzeitig fertig wurdest? Und jetzt haben sie verschoben.“ Ich: „Ja, das ist dumm gelaufen.“ Ich hab dazu in der Tat überhaupt keine Lust.) Um acht geht’s dann erstmal wieder ans Cello.
Latte macchiato und zum Lesen den ersten Cigarillo.
(Übrigens gab es auch Nachricht aus dem >>>> Konzerthaus Berlin. Ich werd mich nächste Woche mit dem Orchestermanager treffen, vielleicht auch mit Musikern der Orchestervorstandes. Bis dahin sollte ich mein Konzept verfaßt haben. Dann sieht man weiter. Vielleicht reise ich mit dem Profi zu >>>> Zagroseks Premiere des Prigioniero nach Paris; der Profi deutete an, er würde, sofern er Zeit hat, den Ausflug finanzieren. Das wäre nicht nur wegen meiner Liebe zu Dallapiccola fein, sondern auch taktisch nicht unklug.)
9.11 Uhr:
Eine Stunde lang Cello geübt (Suzukis Cello-Schule runtergeladen und Läufe geübt… na ja, Stotterläufe), krieg ich jetzt wieder ein Zeuch zu lesen… allein sprachlich furchtbar: „…er würde eher etwas von den Desserts abgeben als jenen Fisch mit dem speisemäßig aufgestylten Gemüse aus dem Erddunkel“ – ist denn niemand da, mich zu erlösen? Nur selten gibt’s auch mal eine n e t t e Wendung, zum Beispiel „das Tragische des Geschmacks“; derartigem kann man schon mal nachmeditieren. Aber dann wieder: „Die pressen platt sich in den Sand./Paff! Bis das Bürschchen abgerückt/Und bis ein Jäger es erblickt,/Ist allenfalls mein Teelicht ausgebrannt.“ Wirklich, Leute, was hab ich euch getan?
… – Nee, echt!: „in der nervösen Alltäglichkeit einer realistisch wagen Story“ – : eine w(!)age Story… das ist wohl wahr. Nächstes Ding: „Und hatte bald den Platz gequert…“
12.24 Uhr:
Ich wollte eigentlich ein Notat zur Folter schreiben, das mir bei der Littell-Lektüre einfiel und wegen meines Schlenkers nach >>>> Abu Ghuraib, in dessen Folge hierzulande ja allen Ernstes die Folter als ein erneuertes Medium (post)moderner Wahrheitsfindung durchdiskutiert wird… und nun find ich mich bereits vorher schon selbst auf einer Streckbank schlechter Texte wieder (es sind aber auch gute dazwischen, etwa der von Daniela Danz). Egal. Ich hau mich jetzt zum Mittagsschlaf nieder. (Außerdem ein Anruf vom Konzerthaus; der Intendant habe zu meinem Magezin-Text „Thema verfehlt“ gesagt und wolle Änderungen. Das „Thema verfehlt“ streich ich ihm später aufs Brot, das darf er dann gerne selber futtern.)
16.44 Uhr:
Das wiederum ist sehr schön: „ vermutlich war die Ironie seine Form der Konzentration“ (Daniela Danz).