9.41 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung.]
Vom Potsdamer Platz geträumt, wo ich gestern nachts unnötigerweise noch gewesen bin. Vielleicht aber eben n i c h t unnötigerweise, denn zwar war’s teuer, man ist ja Kavalier und trägt die Preisschilder seiner Jacketts nicht außen, aber ich hatte einen Traum: stellte in der riesigen Mall erschreckt fest, daß der gesamte Potsdamer Platz von einem Netz (!) mathematisch genauer, sehr kalter, sehr exakter weißer Gänge unterhöhlt ist. Ich rief das aus, niemand wollte mir glauben. Fast schon verzweifelt wandte ich mich an mich selbst, um m i c h wie einen Fremden von etwas zu überzeugen, das mir doch völlig klar war. Ich hab mich, glaub ich, sogar selbst angeschrien: aufgeregt, beteuernd, ja beschwörend. Wie ich darauf reagiert habe, weiß ich nicht mehr; wahrscheinlich bin ich von meinen ziemlich lauten Selbstüberzeugungsversuchen aufgewacht. Was mich jetzt so beruhigt… nein, gewiß macht, das ist die Rückkopplung meines Traumes an >>>> d a s hier.
Am Küchentisch vorm Laptop fiel mir ein herauskopierter Dialogteil mit LH ein, den ich zitierte und aus dem ich dann meine Schlüsse zog: >>>> DschungelNetzÄsthetik. Und wie ich so sann, kam ich auf den richtigen Begriff:C H O R I S C H E S T A G E B U C HDas ist das, was ich auch mit dem >>>> Pettersson-Requiem erreichen möchte: „chorisch“. S o soll es einmal klingen. Das wäre ganz sicher auch in s e i n e m Sinn. (Auf meine Bitte nach den >>>> Jahrbüchern erhalte ich weiterhin keine Antwort, als wollte man nicht, daß ich dieses Hörstück s c h r e i b e… daß i c h es schreibe. Möglicherweise.)
Jetzt noch etwas an der >>>> Dritten Elegie tun, dann hinüber in die Arbeitswohnung radeln, um weiter an der SteuererklärungsVorbereitung zu fronen. (Sie müssen sich das vorstellen, Leser, daß sich die Honorare der Rundfunkanstalten seit 1982 nicht geändert haben, sie sind nominell absolut gleich geblieben; einige Sparten haben sogar gekürzt. Weder die Inflationsrate insgesamt, noch die Halbierung der Kaufkraft durch die Währungsreform von DM zu EURO hat auf diese Honorare eingewirkt. So daß man – o h n e die Inflationsrate! – von einer Halbierung der Honorare sprechen muß, indes in nahezu jedem anderen Beruf jährliche Angleichungen stattgefunden haben – auch bei den Redakteuren der Rundfunkanstalten.)
Wegen des chorischen Tagebuches habe ich eben per Email befreundete Leser eingeladen. Mal sehen, wer’s wagt.
15.07 Uhr:
[Berlin Arbeitswohnung.]
Wunderschön zu den Quittungen (ich singe mit): [Korngold, Die Kathrin.]Immerhin e i n Vorteil dieser häßlichen Arbeit, lange nicht Gehörtes wiederzuhören, Begegnungen mit Freunden, die man vergaß. Ein bißchen kitschig zwar, aber sagen wir: rührend. Was angenehm ist nach der neuerlichen Pornoattacke, in die mich mein aus purer Abwehr gegen Buchhaltung hochschäumendes Testosteron vorhin hineinzog (es ist, als stemmte sich Leben-s e l b s t gegen die entknöchernde, entkalkende Tätigkeit und ruft den Sexualkrieger in einem auf). Der parasympathikotone Mittagsschlaf war dann sanftruhig tief. Ihn belohnte ein geradezu einverstandenes Erwachen, das mich auf Korngolds Schwingen bereitfand, sich wegdenkend zu e r g e b e n. Hören Sie nur diese Liebesmelodik! Völlig schwanzlos dabei, rein innig-elegisch. Man glaubt nicht, daß auch hier Sekrete wirkten, allerdings sublimierte, aus dem basalen Spiel der Geschlechter Kunst schöpfend.
19.47 Uhr:
[Korngold, Das Wunder der Heliane.]Fertig!