Man kann wohl annehmen, daß, wird ein besonders ausgeprägtes Schamgefühl übertreten, diese Übertretung eben nicht Pein, sondern eine um so größere Lust bereitet, als sie ‚verantwortungslos‘ geschehen kann. Nämlich überträgt der devote Mensch die physische Verfügungs- und Entscheidungsgewalt über sich willentlich vorübergehend – und in seltenen Fällen dauerhaft – auf den Dominanten und gibt damit unbewußt die moralische Verantwortung für eigenes (meist erotisches) Tun und Geschehenlassen ab. So nun können sexuelle, oft nah am Instinktrest wirkende Fantasien realisiert und das kann mit um so größerer Lust erlebt werden, je wütender sich im bewußten Zustand jede, aber auch jede Kralle des ÜberIchs dagegen stemmte. Insofern handeln also in BDSM-Settings, zumindest auf der devoten Seite, nicht moralisch verworfene, sondern ganz im Gegenteil von einem Übermaß moralischer Kräfte beherrschte Subjekte. Es sind gerade von Scham und den ihr ursächlichen Moralnormen a l l z u bestimmte Personen, die sich möglicherweise n u r vermittels der ‚perversen‘ Bewegung tatsächlich und zeitweise von diesem Über-Druck befreien können. (Auch das gilt – bzw. Analoges – für die Künste.)
Kunsttheorie.
Poetologie.]
[Hinzutritt, was U. sagt, eine Frau: „J e d e Frau trägt sexuell einen devoten Teil in sich.“ Was hier nun nicht gesellschaftliche Über-Ich-Gründe, sondern natürliche hat: Der Körper verlangt nach dem starken Gen; die Frau möchte nicht schwache Kinder empfangen. Das gilt – weil eine Instinktbewegung – auch dann, wenn die Frau verhütet oder sogar prinzipiell keine Kinder haben will (nicht haben zu wollen vorgibt).]
Daß die Übertretung einer Schamgrenze „.. eine um so größere Lust bereitet, als sie ‚verantwortungslos‘ geschehen kann“,
ist falsch. Letzteres ist (eine) Bedingung der Möglichkeit der Übertretung, hat aber nichts mit der „Größe“ der dabei empfundenen Lust zu tun.
Der Rest haut dann wieder sehr schön hin. Und braucht den fälschlich behaupteten Zusammenhang nicht einmal.
Dann leider im Nachsatz:
„Der Körper verlangt nach dem starken Gen; die Frau möchte nicht schwache Kinder empfangen.“ Was bitte ist ein starkes Gen? Woran erkenne ich es? Muskeln Waschbrettbauch lyrische Sprache Chaffeur? Oja, dieses bewußtlose Gegenübersetzen natürlich/gesellschaftlich (als wenn Menschen im Naturzustand nicht in Gesellschaft seien). Schade!
„Sie“ (also das Subjekt) erkennt nicht. Sondern Es. Hier wirken Instinkte – und sehr wahrscheinlich pheromonal. Ich bin überzeugt, daß Sie den Willensanteil des Menschen stark überschätzen. Er hat k e i n e, keinerl e i, Autonomie. (Aber daß er glaubt, sie zu haben, bestimmt Handlung, quasi w i e Instinkt. Nur ist, o b er das glaubt, wiederum von Faktoren abhängig, die ds determiniert haben. Auf diese Gedankenkette bin ich bereits mehrmals eingegangen.)
Ach ja, die Naturwissenschaften, sehr beeindruckend! Instinkte, Pheromone!
Nur mal ein paar via Netzsuche herausgegriffen:
Bei Mäusen.
Pheromonal communication in vertebrates,
Peter A. Brennan and Frank Zufall,
Nature 444, 308-315 (16 November 2006)
siehe http://www.nature.com/nature/journal/v444/n7117/abs/nature05404.html
Bei Motten:
Female pheromonal chorusing in an arctiid moth, Utetheisa ornatrix
Hangkyo Lima and Michael D. Greenfield
Oxford Journals/Life Sciences/Behavioral Ecology Volume 18, Number 1
siehe http://beheco.oxfordjournals.org/cgi/content/short/18/1/165?rss=1
Bei Molchen:
Endosulfan Exposure Disrupts Pheromonal Systems in the Red-Spotted Newt: A Mechanism for Subtle Effects of Environmental Chemicals
Daesik Park, Steven Hempleman, C., Catherine R. Propper
Environmental Health Perspectives, July, 2001
siehe: http://www.findarticles.com/p/articles/mi_m0CYP/is_7_109/ai_78963538
Bei Menschen?
Pheromonal Influences on Male Perception of Female Attractiveness
by Kristin Doepker and Shannon Zimmerman-Nguyen
University of Wisconsin-Oshkosh
Volume 9, Issue #4 2004
Psi Chi, The National Honor Society in Psychology
Siehe http://www.psichi.org/pubs/articles/article_470.asp
Abstract:
The validity of Athena Pheromone 10:13TM, a pheromone perfume additive advertised to increase the attractiveness of female wearers, was tested on 46 non-smoking males. Participants were randomly assigned to 1 of 3 conditions and exposed to pre-rated (attractive, average, and unattractive) female and animal photographs treated with pheromone-laced perfume, perfume, or no scent. Each participant was asked to rate the attractiveness, intelligence, and friendliness of each photograph. Ratings (Scent Condition x Animal vs. Female x Pre-rated Photograph) were analyzed with mixed factorial analysis of variance. Overall, both the perfume and pheromone-laced perfume significantly decreased the perceived attractiveness for both animal and female photographs, but had no effect on intelligence and friendliness ratings.
Kleiner Hinweis von mir: Mixed factorial analysis of variance, database 46 males, ratings by participants. Man(n) sollte vielleicht mal in einem Lehrbuch mit einem Titel wie „Basic Statistics“ oder so nachschlagen! Immer sehr, sehr empfehlenswert, wenn wir es mit Naturwissenschaftlern und der Präsentation ihrer Forschungen zu tun haben. Und natürlich auch genau hinschauen: Wo holen diese Leute sich ihre Kovarianzen her, wie messen sie das Variable, wie zählen sie aus oder bilden sie ab (das nennt sich Skalieren), und welche Verfahren mit welchen Voraussetzungen wenden sie dann an. Und sich nicht von Worten wie Signifikanz verwirren lassen, ist man(n) mit der Methodologie nicht so ganz vertraut. Das läßt sich alles nachlesen.
Kurz gefaßt: So sieht sie also aus, die (neue?) Basis des Unbezweifelbaren! Ein wenig jämmerlich, finde ich, oder? Jedenfalls in keiner Weise zwingend, nicht mal überzeugend. Aber natürlich kann man(n) daran glauben, wenn es denn gefällt! Ich persönlich glaube lieber etwas anderes. Und lasse es dann durchaus bezweifeln. Wenn es gefällt.
Ich sprach nicht von. Statistiken. Nur von der Sic hselbstüberhebung des „Geistes“. Und empfehle, Wolf Singer zu lesen.
Die Vostellung, das Gehirn, das ja a l l e unsere Wahrnehnungen und Meinungen, sowie unsere Urteil ausschließlich bestimmt (was sollte denn s o n s t bestimmen), sei anders als chemophysisch organisiert, scheint mir im übrigen zumindest signifikant weniger Wahrscheinlichkeit, geschweige Beweiskraft zu haben als sogar die wackeligste statistische Erhebung.
Da wird mir schlecht! Bei so einem Satz: (nicht haben zu wollen vorgibt)
1) Als ob noch niemand seine Meinung revidiert hätte
2) Ist es eine absolute Pauschalisierung
3) Woher wissen Sie dies so genau, dass es nur vorgegeben ist?
„nicht haben zu wollen vorgibt“. Das ist keine Pauschalisierung als normative Aussage, sondern eine psychologische Möglichkeit, die im übrigen meist gar nicht bewußt wäre. Bitte lesen Sie den Text auch genau. Im übrigen stört es mich nicht, wenn Ihnen schlecht wird, solange das Produkt dieser Übelkeit nicht in meiner unmittelbaren Umgebung landet.
Wenn jemand seine Meinung ändert, hat auch das G r ü n d e, ist also kein freier, sondern ein notwendig und hinreichend bestimmter Prozeß.
@ ANH: Auch wenn jemand seine Meinung nicht ändert, hat das Gründe. Gibt es nicht immer für alles einen Grund…?!
Nun denn, ich denke, als Mann hat man es ein klein wenig leichter, sich für oder gegen Kinder zu entscheiden (im Sinne des TickTack gesehn).
@Netzkritiker: Ob Herbst immer Recht haben MUSS, ist mir völlig egal. Ob jemand Recht hat oder nicht, ist mir schon wieder nicht egal. Dies ist mein persönlicher innerer Zwang der Gerechtigkeit. Und ich denke, man sollte keine Probleme damit haben, Meinungen (und auch Rechthabereien) Anderer einfach stehen lassen zu können.
In diesem Sinne lasse ich meine Meinung einfach stehen, damit es nicht zu weit vom Thema abschweift und wünsche einen schönen Abend.
@ netzkritiker. Mit Verlaub, das ist sozialer Quatsch. Und auf keinen Fall ein A r g u m e n t. Vielmehr verschieben Sie. Statt eines Sach-Argumentes führen Sie die vorgebliche soziale Inkompetenz eines Diskutierenden ins Feld, was für die Sache selbst eben kein Argument ist. Ihre Einlassung zeigt denkerische Schwäche. Wen wir hier (und anderwärts) disktuieren, dann geht es selbstverständlich um mögliches Rechthaben, aber nicht aus persönlichen (narzißtischen) Gründen, hoff ich jedenfalls, sondern weil man irgendwie an begründbare, also verstehbare Zusammenhänge glaubt. Ganz unabhägig von mir: Wenn jemand recht hat, hat er’s, auch wenn es anderen lieber wäre, er fügte sich in den sozialen Frieden und – löge.
@ Cilia Sommer. „Gibt es nicht immer für alles einen Grund?“ Ja eben. Das ist genau meine Position. Wobei ich von „notwendigen und hinreichenden Gründen“ schrieb, also sehr deutlich spezifiziert habe. Nun ist ein Grund ein Grund; führt etwas n i c h t zu einer Meinung oder ihrer Revision (und womöglich Handlung oder Nicht-Handlung), so ist es kein Grund. Mit Bloch gesprochen: Auf dem Grund s t e h t etwas.
Dies hier hätte ich gerne erklärt: „Nun denn, ich denke, als Mann hat man es ein klein wenig leichter, sich für oder gegen Kinder zu entscheiden (im Sinne des TickTack gesehn).“ Inwiefern hat ein Mann es da leichter? Verhütet nur er ( w e n n er – anders als ich, das „Risiko“ immer wissend, je tat – verhütet)? Und ich verstehe den „Sinn des TickTack“ nicht, also nicht, was mit TickTack gemeint ist. Ich schließe gern, und meine das völlig ernst, Wissenslücken.
TickTack Nun, ich nehme an, Frau Sommer meint die biologische Uhr. Die tickt allerdings durch die Errungenschaften der medizinischen Forschung nicht mehr ganz so laut. Auch wenn die Berichte über späte Mütter mich immer mehr an „künstliche“ Mütter erinnern.
In solchen Argumentationen (andere hätten es leichter) – auch wenn ich sie aus meinem eigenen Frausein heraus nachvollziehen kann – liegt für mich dennoch immer eine opferhafte Klage.
Dabei fällt mir eine Artikelüberschrift aus dem gestrigen Standard ein, die insgesamt zum Thema passt: „Erneuerung durch Unterwerfung“. Dies betraf zwar die Zusammenfassung der Aussagen von Isabelle Huppert über ihre Filmarbeit, lässt sich aber auf vieles umlegen. Durchaus auch auf Mutterschaft. Und dann werden mehr oder weniger bewusst getane Entscheidungsfindungen auch noch im Nachhinein l e i c h t.
Ein Mann hat es leichter, da für ihn die biologische Uhr vermehrungstechnisch nicht so schnell tickt. Ich denke, dass eine Frau mit z.B. 48 Jahren noch unbedingt ein Kind bekommen muss, da die gesundheitlichen Risiken für Mutter und Kind doch beachtlich größer sind als bei einer werdenden Mutter von 30 beispielsweise. Bei einem Mann ist es ziemlich wurscht, ob er mit 20 jahren oder mit 70 Jahren ein Kind zeugt. Im Letzteren nimmt wohl nur die Qualität der Spermien ab.
@ConAlma: „Künstliche“ Mütter ist ein recht treffender Begriff. Allerdings widerspreche ich in diesem Fall (!) der opferhaften Klage. Ich klage nicht, weder an noch allgemein, sondern stelle nur fest. Aber dies ist ja Ihre Meinung.
Mit Grüßen allerseits
C.Sommer
„Bei einem Mann ist es ziemlich wurscht…“ @Cilia Sommer. Das stimmt (erstaunlicherweise) nur in seltenen Fällen, da die meisten Männer dieses zugegebenermaßen natürliche Privileg aus vor allem sozialen Gründen, aus Betulichkeit, Bequemlichkeit, mißverstandenem Partiarchat und und und einfach verrotten lassen, indem sie ihren Körper verrotten lassen. Hier sorgen offenbar gesellschaftliche Determinanten ebenso für einen Ausgleich, wie es früher natürliche Risiken des Jagens, Kriegführens usw. getan haben. Dennoch stimmt Ihre Aussage der Potentialität nach völlig.
weil ihnen Sorge ums Nest eine letzte Ergebung versagt hat,
weil das sie zwingt, verhalten zu werden. Ach und verlangten
derart nach Einheit! Wollten sich hingeben ganz, doch zu früh von
Männern und ihren Kindern verlassen, entblühn sie früh schon,
früher als wir, zu frühe reifende Menschen ergreift sie
ihr Klimakterium und spricht ein Vorbei, wenn, mein Junge, Männer
immer noch reifen und zeugen können und nehmen sich jüngere
Frauen, die‘s auch schon, ganz wie die älteren, sehen. Ach, daß
wir sie achteten drum! Denn dennoch, s i e leben länger,
und sie pflegen uns noch, kaum daß ein Infarkt uns greis macht.
Hätten umgekehrt w i r eine Kraft, die derart gefaßt ist?
>>>> Erste Bamberger Elegie.<>
(Das ist jetzt nicht feinfühlig, verzeihen Sie, aber gerade in Ihrer Aussage herrscht doch ein unbedingter Glaube an die Naturwissenschaft v o r, die allein einen so etwas nämlich derart normativ feststellen läßt. Herrschte er n i c h t vor, könnten Sie doch mit ebensolchen logischen Gründen sagen: „Es gibt absolut keinen Grund, weswegen nicht sechzigjährige Frauen noch Kinder bekommen können.“)
Ein vielleicht nicht logischer Grund, dennoch ein (für mich und evtl. auch für das Kind) wichtiger, warum eine 60jährige Frau kein Kind mehr bekommen sollte:
Eine Klassenkameradin (damals in der 5. Klasse) wurde abgeholt. Von einem großen, hageren, weißhaarigen Mann, eindeutig älter. Auf Nachfragen sagte die Klassenkameradin, dass dies nicht der Opa sei, sondern der Papa. Da war er bereits 67, die Mutter 54 Jahre alt, der Bruder war 27 und die Schwester 31.
Nein, schön finde ich das weder für Kind noch für Eltern. Als ich 16-20 Jahre alt war, bin ich mit meiner Mutter noch ausgegangen, da uns „nur“ 22 Jahre trennen. Ich fand das schön.
Wenn ich mir nun überlege, dass ich vielleicht zu meiner Hochzeit meine Eltern im Rollstuhl in die Kirche fahren sollte, falls diese dann noch leben, je nachdem wann und ob ich heirate… Nunja.
Es liegt also nicht nur in der Naturwissenschaft, sondern auch im Menschlichen.
@Cilia Sommer. Ein etwas billiger Grund. Ich – selbst ein erheblich ‚älterer‘ Vater – erlebe 35jährige Väter mit Rückenschaden, die aus der Puste kämen, müßten sie nur zehnmal ein sechsstöckiges Treppenhaus auf und ab. Das ist alles ziemlich relativ. Vor allem das sog. Alter. Also „schön für das Kind“ finde ich Eltern, die d a sind und voll konzentriert und lebendig sind. Alles andere ist völlig wurscht und reine ’sozial-ästhetische‘ Übereinkuft.
Sie rudern vor, sie rudern zurück, sie rudern wieder vor.
Erst wird auf Naturwissenschaft („sehr wahrscheinlich pheromonal“) rekurriert, dann peinlich berührt („Statistiken“, igitt) darauf vezichtet, dann („signifikant weniger Wahrscheinlichkeit, geschweige Beweiskraft …als sogar die wackeligste statistische Erhebung“) erneut darauf zurück gegriffen.
Mein Urteil bleibt: eine etwas dürftige Basis für Ihre so anmaßend daher kommende Aussage.
Und: „was sollte denn s o n s t bestimmen“ ist doch wohl nicht ihr Ernst! Da ist „hat man so etwas je gehört“ ja noch ein besseres Argument.
Und auf Wahrscheinlichkeit beruht gerade jede saubere Statistik/Datenanalyse/Versuchauswertung, die in der Naturwissenschaften in der Regel gar nicht als so wacklig gesehen wird. Aber dort verstehen viele etwas von der Methodik und leihen sich nicht die Beweiskraft des Unbegriffenen.
@ sumuze. Ich rudere nicht zurück und vor, sondern betreibe etwas (oder versuche es), das Adorno „exakte Fantasie“ nannte – was ich hier unternehme, ist (gedankliche) Spekulation, zu der a u c h gehört, anhand einem selbst erst einmal evidenter Thesen in Verbindung mit anderen Disziplinen, deren eine ‚die‘ Naturwissenschaft ist, zu haltbaren Aussagen zu gelangen, die d a n n ein (theroetische) Axiome genannt werden können, so lange sie nicht widerlegt sind. Dies entspricht der abendländischen philosophischen Erkenntnisfindung (nicht der des Orients, geschweige Asiens allerdings, die nicht trennt; Anteile von deren – ich sag mal – Introjektion in Natur versuche ich übrigens auch mit einzubeziehen – das findet sich dann aber eher in der poetischen Arbeit, die ich wiederum als einen T e i l der philosophischen verstehe. Im übrigen formulieren Statistiken ja keine theoretischen, sondern eben praktische Axiome, wollen also gar nicht zur geisteswissenschaftlichen Erkenntnisfindung, sondern meinen eine empirisch gesicherte.
Das mir sehr bekannte und selbst problematische Verfahren der Naturwissenschaften, aus reinen Teilungs-, nämlich Subtraktionsprozesse zu normativen Aussagen zu gelangen (ihr Positivismus), hat aber zu in einer Weise praktikablen Ergebnissen geführt (von der Waschmaschine bis zur signifikanten Erhöhung der Lebenserwartung), daß ihm logisch, schon gar ausssagelogisch wenig entgegenzusetzen ist. Was ich nun versuche, ist, es in eine poetische Sicht zu integrieren – daher Ihr wohl nicht grundloser Eindruck eines Hin- und Herruderns. Das Problem besteht darin, daß, wenn man sich einmal auf eine bestimmte Axiomatik g a n z einläßt, man in ihr und ihren Gesetzen immer gleich gefangen ist. Deshalb glaube ich, daß es weiterführt, sie immer wieder und entschieden zu verletzen und von einer ganz anderen Seite her zu argumentieren. Dabei verletzt man das Kalkül des Logischen Schließens immer genau dann, wenn man argumentativ formuliert; argumentatives Formulieren ist ja gerade als ein ausschließendes definiert. Es ist ein S p i e l der Bricolage, kunstgeschichtlich: Collagen, was mich, einen entschiedenen Synkretisten, fasziniert und antreibt.
Im übrigen: Nicht wenige meiner Argumentationsketten w a r t e n nur darauf, daß sie mir jemand widerlegt. Es wäre manches Mal eine Erlösung. Nur tut’s halt selten jemand. In diesem Sinn ist vieles, was in Der Dschungel steht, Erprobung. Nur meine – oder irgend eines – Meinung zum besten zu geben, fänd ich müßig. Die Bricolage bestimmt die gesamte Dschungel; deshalb ist für >>>> das >>> so etwas wichtig.
Das, was Sie mit Adorno „exakte Fantasie“ nennen, würde ich (mit Millowitsch) „de Aal is nit zu fasse“ nennen. Aber es ist Ihr gutes Recht, sich Gestalt zu leihen, wo immer Sie wollen und wann immer Sie ihrer bedürfen.
Nun aber zu Ihrem Argument:
„Was ich nun versuche, ist, es (natur-wiss. Verfahrensweisen, von Ihnen als Positivsmus bezeichnet, d.Verf.) in eine poetische Sicht zu integrieren – daher Ihr wohl nicht grundloser Eindruck eines Hin- und Herruderns. Das Problem besteht darin, daß, wenn man sich einmal auf eine bestimmte Axiomatik g a n z einläßt, man in ihr und ihren Gesetzen immer gleich gefangen ist. Deshalb glaube ich, daß es weiterführt, sie immer wieder und entschieden zu verletzen und von einer ganz anderen Seite her zu argumentieren.“
Diese Absicht ehrt Sie und scheint mir sehr begrüßenswert.
Jedoch nehmen Sie mit dem Recht zum jederzeitigen Auszug aus den diversen Häusern diesen wiederum auch die Kraft der jederzeitigen Begründung – habe ich das Wohnzimmer gegen die Fernstraße vertauscht, wärmt mich sein Kaminfeuer nun einmal nicht mehr, spiele ich verschiedene Kartenspielen, kann ich nicht „Falsch bedient“ rufen, wenn Herz auf Kreuz fällt.
Dann müssten Sie schon Ihre (neuen?) Regeln explizieren. Das ist nicht bequem. Das ist vielleicht sogar mehr als einem Einzelnen möglich. Denn an den verlassenen Häusern bauten viele, die vielen Spiele sind langfristig erdacht und erprobt.
Mein Eindruck ist, daß Ihrerm Argumentieren leider eben genau das anhaftet, was sie Naturwissenschaft als „positivistisch“ anrechnen. Nur würde ich es anders umreißen und damit meinen den Versuch, ein jeweils (d.h. für das Argument, für den gerade in Frage stehenden Zusammenhang) nicht Hinterfragbares (die positive Basis) sich von irgendwo zu greifen, um seinem Argument Kraft und Begründung zu geben. Und im konkreten Fall war dieses nun einmal ihr ein wenig flatterhaftes Zurückgreifen auf Instinkte und Pheromone, das „irgendwo“ war damit Naturwissenschaft. Damit machen Sie sich aber genau an dieser Basis angreifbar – mit ihr steht und fällt Ihr Argument. Ich sehe nicht, daß Sie sich damit aus dem Kritik- und Begründungszusammenhang der Lehns-Argumente (hier: empirische Naturwissenschaften) erhoben hätten.
Und dann bei Kritik jeweils das Spielfeld umzuschubsen und nach neuen Karten zu rufen, ist kein Ausweg. Irgendwo müssen Sie aufs Spielfeld zurück, wenn Sie nicht nur Zuschauer sein wollen. [Ich denke, daher rührt wohl auch die Einlassung „netzkritikers“, wobei ich persönlich den Anspruch, Recht zu haben, für keinen Makel ansehe. Sich immer und überall Relativierenden und Zrücknehmenden mißtraue ich mehr als jenen, die sich pointiert aussetzen. Und sie sind so viel langweiliger!]
So gesehen halte ich dann wohl auch die Redeweise „Spiel/Spekulation“ doch nicht für solide, sondern für genuin heiratsschwindlerisch (und sie wird durch illustre Namen nicht solider). Obwohl sie mir gefällt. Hm.
@sumuze. Ich verstehe Ihre Argumentation gut. Tatsächlich hat das Unternehmen, das ich – poetologisch – sowohl in meinen Romanen als dann theoretisierend besonders in Der Dschungel vorantreibe, einiges von einem Münchhausen, der den eigenen Zopf nutzt, um aus dem Sumpf zu kommen – wobei mir ja nun sogar ein solcher Zopf entschieden fehlt. Was Sie dabei verkennen, ist das künstlerische Verfahren, das genau damit zu enormen künstlerischen Ergebissen gelangt – in diesem Sinn haben sich nicht wenige Künstler, interessanterweise auch in der Bildenden Kunst, auf Freud bezogen und schließlich aufgrund tatsächlich – im akdemischen Verstand – mangelhafter Kenntnis der jeweiligen Disziplin aus ihr Erkenntnisse geschlagen, die wiederum in diese Disziplinen erhellend eingegangen sind. Das meine ich – in Abwandlung des Levi-Strauss’schen Begriffs von bricolage, der möglicherweise dadurch fortgeführt wird – mit diesem „Spiel“. Daß das Verfahren – ich folge dabei mehr meinem Instinkt als definiertem Willen – aus Sicht k e i n e r der Diszplinen, auf die ich mich beziehe, haltbar oder auch nur konsistent ist, ist mir bewußt. Das soll es auch gar nicht sein. Vielmehr: gerade d a s übertritt Denkverbote, die den Diszipline jeweils immanent sind.
Ich schubse also das Spielfeld nicht um, sondern sage: Es ist potentiell unbegrenzt. Worauf ich dabei letztlich hinauswill, ist eine Konzeption von Flüssigkeit, die k e i n e Norm akzeptiert.
Nebenbei. Wenn tatsächlich jemand glaubt, daß es einen freien Wille gibt, so muß ihn, daß ich das n i c h t glaube, ja nicht stören. Niemand hindert jemanden, gar nicht erst hinzulesen. Die Kraft indes, mit der gerade in Der Dschungel oft emotional reagiert wird, zeigt nahezu immer, daß ich an Themen rühre, die hochvirulent sind, aber irgend etwas will nicht, daß man mit ihnen umgeht, sondern sie fallen unter Tabu. Nichts auch sagt, daß ich – oder irgend ein anderer Beiträger – in allem und/oder jeweils recht hätte. Das geht gar nicht, dazu sind etwa die >>>> Paralipomena, aber besonders auch die Überlegungen zum Geschlechterverhältnis oft als viel zu entschieden einander widersprechend formuliert. Letztlich geht es um eine Denkbewegung, die, weil Sprache als Aussage über etwas logisch struktuiert ist, sich ebenso dem Satz vom Ausgeschlossenen Dritten hingibt, wie ihm brüsk widersteht. Daß das logisch ein nicht haltbarer Widerspruch ist, weiß ich. Ihn ständig vor meinen Augen, bin ich, seit ich publiziere, angetreten. Es kommt ja nicht von ungefähr, daß ich eine Rubrik eröffnet habe, die >>>> LOYOLA heißt. Und es ist überhaupt nicht ausgemacht, ob diese sehr spezielle, stets vermischende Art Der Dschungel, öffentlich nachzudenken, nicht eben d o c h zu Erkentnissen führt, die anderwärts nicht zu bekommen sind. Glaubte ich daran nicht, ließe ich es bleiben.
Ich hätte das jetzt anders formuliert:
„Überträgt der devote Mensch die physische Verfügungs- und Entscheidungsgewalt über sich willentlich vorübergehend – und in seltenen Fällen dauerhaft – auf den Dominanten und gibt *bewußt* die moralische Verantwortung für eigenes (meist erotisches) Tun und Geschehenlassen ab, können so nun sexuelle, oft nah am Instinktrest wirkende Fantasien bewußt realisiert und mit um so größerer Lust erlebt werden, je wütender sich in gerade diesem bewußten Zustand jede, aber auch jede Kralle des ÜberIchs dagegen stemmt“.
Ich will doch bewußt die Verantwortung meines eigenen erotischen Tun’s durch- und auch erleben, auch und gerade dieses vorübergehenden Abgebens der Entscheidungs- und Verfügungsgewalt.
Die „Naturauslese“ (starke Gene) hat damit nichts zu tun.
… und, ich bin der Meinung, „unbewußt“ kann doch niemand die Verantwortung für sein moralisches Tun und Handeln abgeben… die Spur stimmt dann nicht mehr… zumindest im BDSM (hab‘ ich das jetzt richtig geschrieben?).
„…auch und gerade dieses vorübergehenden Abgebens der Entscheidungs- und Verfügungsgewalt.“ Mein Eindruck und meine Erfahrungen sagen, daß dies a u c h stimmt, aber meist erst als ein auslösender Reiz v o r h e r. In der Situation selbst schätzen es solche Frauen, wenn ihnen die Bewußtheit genommen wird. (Von devoten Männern weiß ich nicht viel, sie interessieren mich naturgemäß auch nicht, da ich sie nicht zu genießen weiß, sondern sie mir, im Gegenteil, immer einen leichten Ekel machen, der etwas Phylogenetisches hat.) In nicht wenigen Gesprächen (ich führe mit Frauen viele davon) wird immer wieder gesagt: „Ich möchte dieses und jenes tun, aber besser nichts davon wissen im Moment, da ich es tue.“
Daß man die Verfügungsgewalt abgibt, will also, ja, erlebt werden, aber nicht gewußt. Moralisch bedeutet das: man läßt das Über-Ich von jemandem anderen unterlaufen, der sozusagen den Schlüssel zu der Kammer bekommt, in die sich das Über-Ich vorübergehend einsperren läßt. Der Dominante sperrt ein, nicht die Devote selbst. Selbstverständlich ist genau das die „Spiel“vorgabe; da Spielen dieser Art aber ein starker Suchtcharacter eignet, b e g i b t man sich schließlich der Autonomie. Sämtliche 24/7- bzw. TPE (Total Power Exchange)-Szenarien sind dadurch fundiert. Man darf nämlich bei alledem nicht vergessen, was die „Perverse Spirale“ genannt wird und das, was eben noch (im sensuativen Sinn) sensationell war, zur kaum mehr erregenden Normalität macht. Aus diesem gleichen Grund übrigens – Fehlen von Fremdheit – erlahmt den meisten langjährigen Beziehungen die Erotik und ersetzt sich durch, sagen wir, Heimat.
Meine Bemerkung bzgl. des starken Gens spielt im D/s-Setting eine Rolle d a z u; wohl aber nicht eine tragende.
Ein Letztes zu Ihrer Replik: Nein, unbewußt kann keiner abgeben w o l l e n; ich sprach da von einer unbewußten Motivation und davon, daß es unbewußt geschieht. (Wenn der dominante Part das dem devoten expressis verbis so sagt, dann dreht er übrigens die Schraube erst recht an.)
Bei allem Respekt vor Versuchen, eine Begrenzung des Erkennens durch die aktuelle Schranken der Einzelwissenschaften über eine Perspektive außerhalb dieser Schranken zu überwinden, immunisieren solche Programmatiken doch nicht gegen Kritik an positiven Aussagen, die in ihnen erwachsen und wie Sie sie nun im Ausgangsartikel trafen. Hier müßten Sie schon substantiell argumentieren, statt sich hinter einer anonymen Gemeinschaft patentiert Diplom-Künstler oder via name-dropping hinter größeren Vätern zu verstecken. Und ich sehe kein einziges Argument in ihren Äusserungen.
Sie geben kurze Andeutungen, zu denen Sie nicht stehen, wenn diese ernst genommen werden, und landen endlich bei der sattsam bekannten Über-Schau und Über-Perspektive, dem Tausendfüßler ohne Beine, der keine Fußabdrücke hinterläßt, aber so enorm rasch laufen kann.
Nach wie vor sehe ich ihre Behauptung: „’J e d e Frau trägt sexuell einen devoten Teil in sich‘. Was hier nun nicht gesellschaftliche Über-Ich-Gründe, sondern natürliche hat: Der Körper verlangt nach dem starken Gen; die Frau möchte nicht schwache Kinder empfangen. Das gilt – weil eine Instinktbewegung – auch dann, wenn die Frau verhütet oder sogar prinzipiell keine Kinder haben will (nicht haben zu wollen vorgibt)“ als unbegründet und nicht mit einem einzigen Argument unterstützt an.
Ich persönlich halte diese Aussage nicht einmal für spannend oder fruchtbar, wenn zu ihrer diskursiven Begründung nichts weiter kommt als ein wenig halb verstandene Biochemie und ein Haufen Feuilleton. Denn dann polarisiert sie nur, ohne Diskussion (und die braucht Argumente, die aneinander haken können, nicht glatte Mäntelchen, die Schwäche schützen sollen) anzuregen und zu befördern, alles lange Gerede bleibt Selbstdarstellung und die Kombattanten hocken weiter entlang alter vorhandener Grenzen, die damit eben nicht angerührt oder verschoben werden.
Was doch eigentlich so gar nicht in Ihrem Sinne sein sollte. Schade.
Sie schreiben: „Und es ist überhaupt nicht ausgemacht, ob diese sehr spezielle, stets vermischende Art Der Dschungel, öffentlich nachzudenken, nicht eben d o c h zu Erkentnissen führt, die anderwärts nicht zu bekommen sind. Glaubte ich daran nicht, ließe ich es bleiben.“ Das gefällt mir. Aber warum entziehen sie sich dann der Diskussion ihrer Resultate? Ein weiterer Schamane wäre nicht das, was ich schätzte.
„J e d e Frau trägt sexuell einen devoten Teil in sich.“ @ sumuze. Das zitierte – und so habe ich es auch bezeichnet – die Aussage einer F r a u, aus der ich versuchte, einen thesenartigen Schluß zu ziehen, zumal ich ähnliche Aussagen mehrfach von Frauen gehört habe – n i c h t von Männern, die sich derartiges, vielleicht um gender-politisch korrekt zu bleiben, kaum von den Lippen gehen lassen, jedenfalls nicht mir gegenüber. Von Männern wäre mir eine solche Aussage auch uninteressant gewesen. Ohne die zwar relative „Beglaubigung“ durch Äußerungen von Frauen-selbst hätte ich sie in Die Dschungel auch niemals hineingestellt.
Ich entziehe mich nicht der Diskussion, diese vielfachen Kommentare und Entgegnungen zeigen deutlich das Gegenteil. Und: Es sind keine Resultate. Sondern Thesen. Die ich dann allerdings vertrete, wenn Erfahrungen sie fundieren.
Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Das Zitat lese ich zwar anders, aber Sie werden wissen, wie Sie ihre Aüßerung verstanden haben wollten. Wobei ich auch weiblichen Unsinn immer als Unsinn bezeichnen würde.
Und da sie Frauen so bereitwillig glauben, lassen Sie sich von mir belehren: Keine Frau trägt „von Natur aus“ überzufällig mehr devote Anteile in sich als ein Mann. Womit wir ihre Scharte nun glücklich wieder ausgewetzt hätten.
Ich danke Ihnen ganz unabhängig von Meinungsverschiedenheiten aber für Ihre Bereitschaft zum ausführlichen Äußern. Diese habe ich nicht anzweifeln wollen, ist sie doch die herausragende Eigenschaften dieses Blogs. Was ihn für mich trotz mancher inhaltlicher Vorbehalte sehr spannend erscheinen läßt.
@sumuze. Das habe ich g l e i c h gesagt, nämlich so geschrieben. Weshalb sollte man so etwas dann vorauseilend wiederholen?
Die von mir zitierte Aussage hörte ich sinngemäß allerdings von einigen Frauen, und zwar auch von solchen, die BDSM-Settings n i c h t zugeneigt sind und dieses Devote n i c h t darin inszenieren (dazu kommt sicher manches mehr; siehe die hiesigen Diskussionen über Mißbrauch). Mein Eindruck ist, daß in Spuren eben doch Dominnz gesucht wird; wohlgemerkt: sexuelle/erotische. Wie das eine mir sehr nahe Freundin ausgedrückt hat, die zur vorderen Linie ‚der‘ Frauenbewegung gehört: „Machtspiele gehören ins B e t t.“ Es geht also nicht um gesellschaftliche Unterdrückung eines Geschlechts, sondern um, meine ich, Zulassen instinktiven Willens. Alles andere, d a sind wir sicher einig, fällt ebenfalls unter Mißbrauch, nämlich einen patriarchalen.
@sumuze ANHs ursprüngliche Annahme „Jede Frau usw.“ bezeichnen Sie als „unbegründet und nicht mit einem einzigen Argument unterstützt“. Deswegen würde mich jetzt interessieren, wie Sie Ihrerseits Ihre Behauptung „Keine Frau trägt „von Natur aus“ überzufällig mehr devote Anteile in sich als ein Mann.“ begründen.
@a
Ja, da haben Sie mich allerdings genau bei dem erwischt, das mich ursprünglich an dem Artikel und den ersten Äußerungen dazu hier so geärgert hatte: eine Behauptung mal eben in den Raum zu stellen und dann stickum davon zu schleichen. Aber des Herrn Herbst Verstecken hinter Weiberröcken am Schluß hatte mich leider auch zu sehr dazu gereizt.
Ich muß also gestehen, daß ich für meine Behauptung ebenso wenige überzeugende Gründe anführen kann wie die Damen, denen hier das Ohr geliehen wird. (Wenn Sie allerdings bereit wären, mich großzügig mit Forschungsgeldern zu versorgen, hätte ich schon Ideen, wie an handfestere Argumente zu kommen wäre.)
Ich würde aus meinen persönlichen Erfahrungen, aus Gesprächen usw. zu diesem Thema schlichtweg eine annähernde Gleichverteilung über die Geschlechter hinweg für devote und dominante Züge behaupten (womit meine Datenbasis etwa der des Gros üblicher empirischer Untersuchungen gleich kommt, die selten mehr als ein paar dutzend Versuchspersonen oder Befragte umfassen und methodisch leider oft so dürftig vorgehen, daß ich meinem Gequassel durchaus das Label „teilnehmende Beobachtung“ anheften möchte, um auch mal in den Genuss des Glanzes dieser albernen Angeberei zu kommen). Das ist natürlich alles andere als begründend, zugegeben. Gefällt mir aber einfach gut, weil ich die individuelle Ausprägung dieser Präferenzen lieber als Resultat von Lernprozessen sehe denn als Reaktion auf pheromonale Stimuli. Mein Geschmack, eben.
Mein Punkt ist und war aber auch primär, daß für die anders lautende Behauptung ebenso(!) wenig Begründendes spricht, und daß das ach so beliebte Zurückgreifen auf irgendwelche Resultate anderer Wissenschaften (vorzugsweise gerade modischer und solcher, in denen die aktuellen Diskutanten nicht zu Hause sind) in der Regel keinerlei Substanz besitzt und sich in Rauch auflöst, wenn – nicht von faulem Zauber eingeschüchtert – einmal genauer nachgeschaut wird. Und das geht, es macht allerdings viel Mühe. Überfliegendes, leichthin kongeniales Argumentieren ist da irgendwie lockerer.
@albannikolaiherbst
Scusi, ich hatte ihr ursprüngliches Zitat dann wohl nicht korrekt verstanden, ich las es so, als würden sie dem wiederum von ihnen zitierten Satz der Frau U. argumentierend beispringen durch eben die Behauptungen, die meinen Unwillen erregten.
Mit dem was ihre „in vorderer Linie“ stehende Bekannte sagt („Machtspiele gehören ins Bett“), machen Sie jetzt aber ein ganz neues Fass auf, bei dem mir ein wenig schaudert. Aber da ich nur ein kleines Licht aus der Provinz bin, will ich das jetzt mal genug sein lassen und wieder an die Arbeit gehen. Vielleicht entflieht Ihnen einmal ein Beitrag, der sich auf diesen Satz bezieht, dann kann ich ja Laut geben und meckern.
Eine kleine Frage kann ich mir ja nun doch nicht verkneifen: was bedeuten Ihnen solche Zusätze wie „zur vorderen Linie ‚der‘ Frauenbewegung gehört“? Mich stört solches Labeling, reizt mich sogar – wie Sie sicher schon bemerkt haben. Eine Aussage wird doch nicht dadurch interessanter oder glaubwürdiger, daß mir die Orden auf der Brust der/des Aussagenden hergezeigt werden.
Herzlichen Dank hier aber einmal für die (hoffentlich für alle) anregende Diskussion!
Und noch die Bitte um Generalpardon für kleinere polemische Ausrutscher. Fatto.
@ sumuze. Keine Autonomie ist. … weil ich die individuelle Ausprägung dieser Präferenzen lieber als Resultat von Lernprozessen sehe denn als Reaktion auf pheromonale Stimuli.Sehen Sie, genau diesen Glauben teile ich nicht und h a l t e es eben für einen Glauben – es sei denn, Sie konzedierten, daß auch Lernprozesse physische, nämlich hirnphysiologische sind, die dann, wie andere Entscheidungen auch, Naturgesetzen unterliegen und demzufolge nicht frei sind. Dann wäre aber ein wertender Unterschied zu pheromonalen Stimuli nicht mehr recht begründbar, und Autonomie gäbe es hier wie dort nicht-
Ein einfaches logisches Gedankenspiel mag meinen Ansatz illustrieren:
A. Die naturwissenschftliche Haltung.
1) Wir entscheiden nach Gründen.
2) Um eine Entscheidung treffen zu können, muß ein Grund hinreichend und notwendig sein. Ansonsten hätten wir keine Möglichkeit, etwas zu entscheiden. Wir entscheiden also immer nach dem schwersten Grund. (Das muß kein „sachlicher“, kann auch ein rein emotionaler sein oder einer, der „glaubt“.)
3) Eine Entscheidung ist ein hirnphysiologischer Prozeß.
4) Hirnphysiologische Prozesse sind physische, unterliegen also den Naturgesetzen.
5) Entscheidungsprozesse sind physische Prozesse.
6) Keine Autonomie ist.
B. Die esoterische Haltung.
1) Wir entscheiden n i c h t nach Gründen.
2) Nicht gegründete Entscheidungsprozesse sind n i c h t physiologisch (physisch).
3) Entscheidungen unterliegen k e i n e n physischen Gründen, sondern entstehen aus einer „Instanz“, die weder mit dem Gehirn noch dem Körper zu tun hat.
4) Entscheidungen sind nicht-rational begründbar (also nicht physisch herleitbar), sondern objektiv-irrational („göttlich“).
5) Wenn Entscheidungen „göttlich“ sind (was ein anderes Wort wäre für „freien Willens“), dann werden sie von etwas getroffen, das sich unserem Zugriff entzieht.
6) Keine Autonomie ist.
Daß Entscheidungsprozesse physische bzw. hirnphysiologische Vorgänge, sind, bezweifele ich gar nicht, ebensowenig, daß sie irgendwelchen (Natur?)-Gesetzmäßigkeiten genügen. Aber müssen sie deswegen determiniert sein?
Wenn Sie einmal etwas differenziertere Entscheidungsmodelle betrachten, sehen Sie m.E. schnell, an wievielen Stellen eben keine Eindeutigkeit gegeben ist.
Wenn Sie Entscheidung als Selektion antizipierter Handlungsmöglichkeiten betrachten, konzidieren, daß de-selektierte Alternativen nicht eliminert, sondern nur deaktiviert werden und in der Selektion aufgehoben bleiben, wenn Sie dann weiter den Bereich der (pragmatischen, moralischen, ästhetischen) Evaluation von Handlungsalternativen und -möglichkeiten betrachten – dann sehe ich eine große Menge von Punkten, an denen weder kausale noch intentionale Eindeutigkeit besteht. Urteile aus vielen Bereichen fließen ein, viele Handlungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten sind involviert, Entscheidung unter Unsicherheit, unter unvollständiger Informationen usw. usf.
Oder schauen sie sich spieltheoretische Entscheidungsmodelle an und welche Last auf den Schultern von Konstruktionen wie der Auszahlungsfunktion liegt, wenn einmal etwas realistischere Situationen als das Zwei-Spieler-Null-Summen-Spiel in den Blickwinkel rücken. Stets schreitet zwar die Formalisierung munter voran, aber um den Preis einer gewaltigen Überfrachtung der Residuen.
Zufall wäre sicher ein Hilfskonstrukt, warum dann nicht auch: Freiheit?
Jedenfalls ist es noch ein höllisch weiter Weg bis zu ihrem netten „Keine Autonomie ist“.
Und Überlegungen wie die oben von Ihnen skizzierte würde ich ich nur sehr weit vorne diesem Weg anheften. Was vielleicht jetzt Ihnen gegenüber unfair ist, da jede Skizzierung notgedrungen stark vereinfacht. Ich hoffe und vermute, daß Sie bei Ihren Überlegungen das Niveau dieser Ihrer Skizze doch schon weit hinter sich gelassen haben. Dann wird es doch erst wirklich interessant.