Arbeitsjournal. Mittwoch, der 16. Mai 2007.

5.19 Uhr:
Erst eine Viertelstunde später, als ich wollte, am Schreibtisch. Auch gestern abend lief nicht alles nach Vorhaben/Vorgehabthaben, zumal es tags aus Familiengründen mit dem Mittagsschlaf nicht geklappt hatte, der mir so notwendig ist. So sagte ich dem Profi ab, kam dann aber auch mit dem Gedicht nicht weiter, nicht mit dieser „islamischen Maria“, die mir tags noch eingefallen war. Daran schreib ich im Lauf der Tages weiter. „Neben“ Stromboli.
Mir fällt auf, daß die Balance Der Dschungel momentan bricht. Es fehlt Prosa, auch die Theorie kommt zu kurz. Neben mir liegt links ein Zettel, auf dem ich die beiden Zeilen notiert habe:
so hat Dich e i n e heilge Nacht
ums ganze Menschenglück gebracht.
Tatsächlich g i b t es eine islamische Maria, die, wie im christlichen Urtext Mariam, „Maryam“ genannt ist und der sogar eine eigene Sure gilt – die einzige Frau, der diese Ehre widerfährt. Allerdings b l e i b t sie Frau. Wenngleich, als, sagt der Koran, der „heilige Geist“ – es ist wohl Gabriel (جبريل Jibrīl) – ihr die Empfängnis ankündigt :>>>>“Wie soll mir ein Sohn werden, wo mich kein Mann berührt hat und ich auch nicht unkeusch gewesen bin?“<<<<Wikipedia >>>> trägt hier dem Umstand kaum Rechnung, daß sowohl das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis sehr jung ist (1854), als auch, daß Mariae Aufnahme in den Himmel sich erst 1950 (!!!) vollzog und der Ausdruck eines Volkswillens ist, durchaus nicht ist es der der Vertreter Gottes auf Erden gewesen. >>>> Bei Tintoretto läßt sich gut erkennen, welche K r a f t dieser Volkswille g e g e n die Kirche hatte. Die Marienverehrung zitiert etwas sehr Altes, zitiert die Mütter des „Heiden“tums und hält sie am Leben. Mütter sind wie nichts sonst organisch; dieses Organischsein nimmt ihnen die Unbefleckte Empfängnis w e g. In Maria werden die Mütter vom patriarchalen Geist domestiziert, sie werden gewissermaßen niedervergewaltigt. So bleibt ihr denn, als ihr der Sohn auch noch genommen wird, g a r nichts mehr. D a s ist der Ausdruck von Leid, den jede Pietà h a t. Und den wir empfinden. Es ist ein Unrecht, das M a r i a geschah. Das möchte ich in dem kleinen Gedicht gerne erfassen.
Vorher aber wieder die Stromboli-Dichtung. Und der heutige Newsletter ist zu schreiben.

7.47 Uhr:
Eigentlich bezeichnend, >>>> wie fliegend die Leute Unrecht verteidigen, als wären sie völlig einverstanden, damit bloß der gute Ton gewahrt bleibt oder die gesellschaftliche Usance. Und wie manche im gleichen Atemzug mit dem, was ihnen nicht schmeckt, auch gleich alles andere reduzieren – damit bloß nichts daran sein könnte. So tief sitzt das Bürgertum in ihnen drin.

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