8.25 Uhr:
Arbeitswohnung. Englund, Cellokonzert.]
Es dreht sich alles neu um die quasi-Familie; es gab ein paar Katastrophen gestern, kleinerer Natur, aber für die Zwillingskindlein ungut. Außer einem, ist das allen Beteiligten, denke ich, jetzt scharf bewußt. Und es sieht so aus, als bekäme ich meine verlorenen Kinder wieder – oder wichtiger: sie ihren Papa zurück. Es muß einfach noch jemand da sein, der verläßlich ist. Ich habe die Kleinen mit auf die Welt bringen helfen, das läßt sich nicht abstoßen, selbst wenn man wollte, und ich will ja gar nicht.
Nachmittags schon fuhr ich für Dich herum, wir bereiteten das Abendfest vor, die Verabschiedungs-Feierstunde in der Grundschule, ich schrieb noch eine kleine Rede auf diese Klassenlehrerin, die mich nun seit zwei Jahren unentwegt beeindruckt hat. Du und ich, wie spielten unsere Cello-Duos, zwei Mädchen spielten je Geige (eines von beiden ist auf dem Bach-Gymnasium angenommen, das vor allem für den klassischen Musikernachwuchs sorgt, die alte Musiker-Elite-Kader der DDR), eines spielte Flöte, Gedichte wurden aufgesagt, Blumen und Geschenke übergeben, dann bekam jedes Kind sein Zeugnis, eigens wurden die kleinen Schüler aufgerufen, zu jedem Zeugnis gab es ein Wort. लक konnte, was sie traurig machte, nicht dabeisein, aber sie mußte zum ersten Elternabend für die neue Kita der Zwillingskindlein, Daniel Barenboims Musikkindergarten, was nun eben doch geklappt hat, nach dem Linda Reisch und ich das vor nunmehr fast drei Jahren auf der Frankfurter Buchmesse eingefädelt haben; der Faden ist jetzt also, trotz meiner Trennung, durch die Öse durch. लक kam dann nach der Feier nach, wir telefonierten zwischendurch, weil meine Anwesenheit in der Barenboim-Kita dann doch erforderlich ist, einfach, weil es z w e i Kinder sind und लक sich nicht mitten durchschneiden kann, wenn es darum geht, die Kleinen einzugewöhnen; vernünftigerweise sollen sie nicht in dieselbe Gruppe, sie backen ohnedies so aneinander.
Also dreht sich wieder das Leben, da der leibliche Vater ein Schlappschwanz ist und der neue Wunschvater, selbst wenn er wollte, nicht sein kann, was er wollte. Ich meinerseits kann nicht sagen: seht zu, wie ihr zurechtkommt, es hängt mein eigener leiblicher Sohn mit dran und dann, wie geschrieben: ich habe die Kleinen mir zur Welt bringen helfen, ich sah sie, wie Dich, eher als ihre Mutter. Das sind Lebensentscheidungen, die man trifft, man kann sie nicht verlassen und nicht einmal verlassen wollen.
So saßen wir dann alle noch bis fast Viertel nach 22 Uhr im Pratergarten und redeten endlich. Danach brachten Du und ich लक heim und fuhren dann hierher, wo Du auf Deinem Vulkanlager, >>>> das emotional sehr dumme Leute furchtbar zu nerven scheint, geradezu unmittelbar einschliefst. Ich las noch Faulkner, trank >>>> Cachaça und verschlief heute morgen… na ja, „verschlafen“ ist zu viel gesagt, ich schlief einfach zu lange, wachte aber früh genug auf, daß Du rechtzeitig loskamst: noch einmal Schule, aber nur gemeinsames Frühstück und dann die Vorstadtkrokodile im Kino.
10.48 Uhr:
… war ’ne Unterbrechung. 1) rief Αναδυομένη auf ein Viertelstündchen an; ich erzählte, wie das Leben sich abermals dreht, aber eigentlich dreht es sich um ein Zentrum, das ganz stabil bleibt, auch wenn es zwischendurch nach Erschütterungen aussieht und Rissen, es b l e i b t Zentrum, nur der modus vivendus ist neu zu bestimmen oder als der alte zu bestimmen oder als etwas dazwischen zu bestimmen, das zugleich darüber hinausgeht: man braucht viel Erfahrung, Kenntnis, Haltung, um damit adäquat umzugehen. 2) Radelte ich herum, um mir den brasilianischen Espresso mahlen zu lassen, zu Kaffeemehl, was ja wichtig ist, wenn man eine Geliebte hat, die Pavoni heißt. 3) Holte ich die gestern bestellten Arbeitsbücher ab, die Du und ich und vorher लक und Du für Deinen neuen Schulstart während der Ferien noch einmal durcharbeiten wollen. 4) Trieb’s mich auf die Toilette, was eigentlich heißt: an den Faulkner wieder. 5) Wusch ich ab. 6) Telefonierte ich vorher noch mit लक, weil wieder etwas anders wurde, als vorausgesehen war. 7) Sitz ich nun wieder, auf einen Cigarillo, am Laptop, beende den Morgeneintrag, den Sie hier lesen, und will dann ans Cello. Über mir wohnt ein Berufsmusiker, Cembalist, Kirchenmusiker, ganz jung, sportlich, klug, irre freundlich, er sprach mich gestern an: „Du machst enorme Fortschritte an dem Cello, will ich Dir sagen, ich kriege das täglich mit, wie du abzischst… aber: würde es Dir etwas ausmachen, beim Üben die Fenster zu schließen? Wenn ich Schüler habe, und dann geht das mit dem Cello los, dann ist das s c h o n schwierig. Bei uns am Konservatorium war das früher auch Regel: beim Üben die Fenster geschlossen zu halten. Bitte, nichts für ungut.“ „Aber selbstverständlich“, sagte ich und: „Verzeihung“ – hat mich stolz gemacht, dieses „wie du abzischst“ – hielt mich aber nicht davon ab, heute auf der Straße mit einem Fascho-Typen aneinanderzugeraten, so Marke Studienrat, kleiner Mann noch dazu, das wurde richtig laut auf der Straße; er drohte mir dann fast Prügel an, was mich Choleriker unmittelbar ruhig machte und grinsen ließ: „Au ja, schlagen Sie zu. Was meinen Sie, wie schnell Sie dann im Knast sind. Das wäre mir ein außerordentliches Vergnügen.“ Er begriff die Situation, wußte, daß ich nicht scheuen würde, ihn da reinzubringen, und zog ab. Αναδυομένη war Zeugin, allerdings ging sie lieber über die Straße weiter und beobachtete die Szene aus der Distanz, wiewohl sie meint, ich hätte nicht unrecht gehabt. Klar, wiederum, war mir so einer gerade recht gekommen, um meine sedierten Unruhen mal ein Ventil finden zu lassen. Es zischte gehörig. Jetzt, aus der zeitlichen Entfernung, finde ich den Auftritt, meinen völlig mit eingeschlossen, eher komisch, vor allem, wenn einem die untendrunter liegende Dynamik klarwird.
Guten Morgen, Leserschaft. Ein weiteres, neulich liegengebliebenes Gedicht fiel mir grad in die Augen: Wir haben zu töten verlernt heißt es und soll es weiterheißen.
15.38 Uhr:
War immer noch nicht am Cello. Dafür… g a n z toll: >>>> Trimethylamin.
17.12 Uhr:
Nun stehen die beiden Termine fürs >>>> Internationale Literaturfestival Berlin fest: Am Samstag, dem 12. 9., Lesung aus MEERE und von Gedichten, mit Moderation, Gespräch usw.; am 14. 9. moderiere ich dann selbst eine Veranstaltung zu Literarischen Weblogs. Dazu kam dann ein Engagement in Hannover zu dem >>>> horen-Band, Veranstaltung am 12. November, tags nach dem zweiten Heidelberger Real-Seminar: praktisch, weil direkt auf der Rückreise. Also es bewegt sich wieder was. Dafür war ich immer noch nicht am Cello, sondern habe begonnen, mit meinem Jungen Mathe und Deutsch auf- und nachzuarbeiten: eineinviertelStunden lang. Nu‘ futtert er ein Eis, dann noch einmal Cello, gemeinsam. Dann geht’s zu लक rüber. Und später am Abend treff ich den Profi >>>> in der Bar.
Ansonsten Post, Post und nochmal Post.
Ach so, „nebenbei“ hab ich noch >>>> daran gesessen. (Und wir schieben eben eine Partie Backgammon dazwischen.)
??? Wieso setzten Sie den Link auf mich? Habe ich da was nicht mitbekommen?
@read An. Ui, dann ist da ein falscher Link. Ich überprüf es. Ist ein Versehen.
@read An (2). Welchen Link meinen Sie? Es gibt nur zwei, und der eine geht aufs Konto >>>> des Lustgröhlers wegen seiner luschigen Probleme mit dem Nachtlager meines Jungen, der andere führt zu diadorims Geschenken. Einen weiteren finde ich nicht. Hm.
der zum Vulkanlager! Bei mir erscheint dann mein Eintrag von 20:45.
@read An (3). Bei mir nicht, sondern da steht dann oben gleich der Lustquatscher-Unfug. Hm.
jetzt muß ich grinsen, ein link, der das tut was er tun will. oben im text führt er einmal zum lustgröhler, beim zweiten mal vielleicht auch, beim dritten mal zu read an…. beim nächsten klick wieder zum lustgröhler….
hab’s eben nochmal probiert, es ist tatsächlich so… vielleicht liegt es am browser…
komisch, bei mir nicht, weiß auch nicht warum!
@cellini: wie das springt wirklich? Super!
@ANH „Wir haben zu töten verlernt…“
Kennen Sie die Novelle >>>>“Likse und Panulla“ von Max Dauthendey?
„Der Mensch muß töten können“, hatte die Malaiin belehrend behauptet. „Wer nicht töten kann, beleidigt den Tod, lebt nur halb.“
Siehst Du Likse, die eine Hälfte des Mondes ist einmal schwarz und jeden Monat einmal weiß. So muß der Mensch sein, Likse. So wie du auf einer Stange zwei Eimer auf den Schultern über die Straße trägst und sich die beiden Eimer an der Stange das Gleichgewicht halten müssen, so balancieren Leben und Tod an der Weltstange. Jeder Teil der Welt will seinen Teil von dir. Man muß leben können, man muß aber auch töten können. Leben und Töten wollen gelernt sein.
Max Dauthendey, „Der Garten ohne Jahreszeiten“, Langens Marktbücher, Band 2, 1914
wer’s nicht beizeiten und selbstauferlegt lernt,
der lernt es nie.
und wird auch nie erfahren,
was es bedeutet, töten gelernt zu haben.
Dauthendey hin oder her.
Ich kann keine große Charakterleistung darin finden, töten zu können. Ist mir doch dieses >>>>>Erlebnis, besser Trauma, noch immer gegenwärtig.
Sie haben völlig Recht –
das ist eine Dimension,
die ausnahmslos jede Theorie zum Thema
notwendigerweise wie Hohn erscheinen lässt.
Ein echtes und legitimes Totschlagargument.
Und doch sehe ich eine Parallele
zum von mir Gesagten.
Ich kann mir nicht vorstellen,
Töten um des Tötens willen zu lernen.
Aber ich weiß, dass die Erfahrung des Tötens –
und sei es das einer scheinbar
ganz unbedeutenden Existenz –
Sinn und Bewusstsein für Leben schärfen kann.
Nie möchte ich Tabubruch erleben müssen,
wie Sie ihn erlebten.
Und wünsche auch jedem Mitmenschen,
dergleichen nicht erleben zu müssen.
Ein Tabu ist ein Tabu.
Sie wollen das nicht erleben, wieso sollte das ein anderer, von was sprechen wir hier, Mensch tötet Mensch oder Mensch tötet Tier? Letzteres sicher nicht.
„Aber ich weiß, dass die Erfahrung des Tötens – und sei es das einer scheinbar ganz unbedeutenden Existenz – Sinn und Bewußtsein für Leben schärfen kann.“
Das kann nur jemand sagen der sogar noch weiter von der Vorstellung entfernt ist als er sich das denkt, kommen sie in die Situation, gelernt oder unfreiwillig dann will ich sehen was Ihnen dann zum Thema einfällt, da schärft sich ganz sicher was und das sind nicht Sie und ihr Leben, was für ein verquaster Scheiß, und Sie schrieben, ich weise darauf hin, „das Töten lernen“, also setze ich voraus wir sprechen nicht über etwaige Debatten zum Thema Willensfreiheit alla Minority Report. Kommen Sie mal in die Situation wenn es im Zweifelsfall nur noch heißt „Ich oder der Mensch gegenüber“, glauben Sie mir, die Lupe danach ist keine. Ganz unfreiwillig ungelernt!!!
„Wir haben zu töten verlernt“ Wieso? Weil Maschinen das übernehmen, zu einem großen Teil, es sei denn Sie Leben noch in einer Zeit in der das anders ist, lang lang her wäre das, dann wäre aber auch ihr Leben ein anderes, Sie wären jemand anderes, nebenbei Kunst interessierte Sie dann auch nicht sehr.
Was genau wollen Sie mir sagen?
Und warum meinen Sie,
es so aggressiv sagen zu müssen?