Quasi fertig, doch vor der nächsten Arbeit schon: Yüe-Ling entgegen. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 2. Februar 2013. Fässer mit brisantem Inhalt.

6.45 Uhr:
[Arbeitswohnung. Pettersson, Erstes Streicherkonzert.]
Eigentlich bin ich >>>> gestern fertiggeworden; das „Eigentlich“ meint den Umstand, daß ein einziger Satz nachgesprochen werden sollte, von einer der Sprecherinnen; das wird in fünf Sekunden getan sein. Danach muß diese kurze Aufnahme noch in das Stück einmontiert werden, das ist alles. Zweimal habe ich gestern eine CD gebrannt und abgehört; beim ersten Mal fiel mir ein aber schnell zu korrigierender Fehler auf (ein nicht leitmotivisch verwendeter Clip war doppelt), sowie mußte eine Atmo ausgewechselt und die neue mit ein paar Zusatzgeräuschen angereichert werden; die zweite CD „stand“ dann schon, bis auf diesen einen Satz eben.
Imgrunde könnte ich heute abgeben, muß jetzt nur bis zum Abend warten, weil die Sprecherin dann sowieso hier in der Gegend ist und für die Aufnahme kurz reinschauen will. Da ihre Parts ohnedies nicht im Studio eingesprochen wurden, ist keinerlei Terminplanung nötig. Abends: Das Hörstück als mp3 formatieren und der Redakteurin in meine Dropbox legen, weil sie morgen hören möchte. Dann bekomme ich am Montag Bescheid; vielleicht, daß noch ein paar Nachbesserungen vorzunehmen sind, das wird alles sein. Da bin ich zuversichtlich und werde also am Mittwoch ruhigen Gemütes nach Neapel fliegen können.
Und: Nein, Musik darf nicht ins Stück.

Hab fürs >>>> Teatro di San Carlo geschaut. Leider gibt es keine Oper dort in der Zeit, immerhin aber einen Liederabend, direkt am 7. Mal schaun, ob ich Löwin und Freunde überreden kann, mit mir da hinzugehen; ich bin in dem Haus noch niemals gewesen; die Karten sind preiswerter als nur erschwinglich; insofern muß ich nicht versuchen, Pressekarten zu bekommen, und also auch nicht über den Abend dann schreiben. Obwohl ich das für eine Oper sehr gerne getan hätte, selbstverständlich. Wenn ich für das nächste Hörstück ein zweites Mal nach Neapel fliegen werde, im Mai oder Juni, will ich den Besuch nachholen
Das Wetter ist als gemischt vorausgesagt; bis Mittwoch kann sich freilich noch einiges ändern; auf jeden Fall werden wir auch Sonne haben – etwas, worauf es mir sehr ankommt: Bläue, des Meeres wie Himmels, und Licht. Hier lastet wieder Zement auf den Wolken, und sie weinen. Die klare, von mir durchaus geschätzte Kälte ist gemuddelten Temperaturen gewichen; sie sind in sie hineingekrochen, fies, wie in einen Stoff, der sich klamm durchnäßt.

Seit sechs Uhr auf; die kleine Depression, >>>> von der ich gestern schrieb, ist an meiner Arbeit zerfallen; diese löst die nächste nun ab: Ich will die kleine Erzählung für den >>>> Literaturquickie http://www.literatur-quickie.de beginnen, der sie beauftragt hat. Mal schaun, wie schnell ich hineinfinde; die Grundidee habe ich ja. Dazu auf >>>> Pettersson zurück, erst einmal, denn wegen der Schwüle, die ich im Kopf habe, sollte ich vielleicht besser zu Villa Lobos greifen; andererseits widerspricht er der „asiatischen“ Distanz, die zugleich eine Ruhe spielen wird. Ist, von „asiatisch“ zu schreiben, ebenfalls schon >>>> rassistisch? denn korrekt ist es ganz sicher nicht – bei einem Riesenkontinent mit ganz ebenfalls, wie Afrika, vielen verschiedenen Völkern und ihren Kulturen. Wir werden irgendwann g a r nichts mehr schreiben dürfen, auch dann nicht, wenn allen sofort klar ist, was gemeint ist. Wegen der Kinderbuch-Angelegenheit will ich einen Brief an den Deutschen PEN schreiben, antragsartig, er möge bitte Stellung beziehen. Je nachdem, wie diese ausfallen wird, werde ich entweder in dem Club verbleiben oder aus ihm austreten. Daß ich da noch drinbin, kann sowieso nur mit meiner Eitelkeit erklärt werden; bereits im Fall von >>>> Meere, hat mich die Ignoranz ziemlich getroffen. Wer weltweit für die Freiheit des Wortes einsteht, sollte zuerst einmal vor der eigenen Tür zu kehren lernen. Diese, die Freiheit, muß auch für den politischen oder, sagen wir, moralischen Gegner gelten; ansonsten ist sie billig. Voltaire: „Ich bin völlig anderer Meinung als Sie, aber werde dafür kämpfen, daß Sie die ihre aussprechen dürfen.“ Für Autoren ist dies, neben ihrem Leben, das wichtigste Gut, das sie haben. Wir haben‘s noch nicht lange.

Also an die >>>> Yüe-Ling-Erzählung. Ab mittags >>>> feiert mein Junge mit Freunden; anfangs kommen die Alten hinzu, dann wird sich das trennen. Toll, die Generationenfolge zu beobachten, den Weiterfluß, und selbst dabei der Mündung näher, in die man sich zerfließen wird: Man könnte den Tod als ein Delta betrachten; ich mußte bei „Delta“ eben ans Dreieck des weiblichen Geschlechtes denken, seltsam, diese abermalige, instinktiv in mir bebende Nähe von Geburt und Sterben.
Guten Morgen.

[Pettersson, Drittes Streicherkonzert. (Damit
habe ich das ganze Werk dieses Komponisten
wieder einmal ganz durchgehört.
Werk heißt immer: g a n z ein Leben).]

Ab übermorgen mittags wird die Löwin wieder einmal hier sein. Und ein Brief ist >>>> an die Staatsoper zu verfassen, weshalb ich über den >>>> Kaiser von Atlantis nicht schreiben möchte; ich will nach der Rassismusdebatte kein weiteres Faß aufmachen, dessen Inhalt politisch mißverständlich ist. Manchmal bin sogar ich ein bißchen müde.

15.50 Uhr:
[Villa Lobos, Bachianas Brasileiras Nr. 9.
G a n z andere >>>> Welt als Petterssons.]

Die Jugendlichen haben mich quasi weggeschickt; die Mutter hatte eh keine Lust und ging mit den Kleinen spazieren. Viele viele Kuchenstückchen gekauft und auf Tellern plaziert, sowie Geld dagelassen, weil die zwei jungen Frauen und zwei jungen Herren nachher Pizza essen gehen und sich dann einen Film ausleihen wollen, der an meines Sohnes neuem großen Bildschirm seines neuen Computers (3,4 GHz, darauf war es ihm angekommen) angeguckt werden wird; allerdings brauchen sie noch ein Kabel, um das Gerät mit der Stereoanlage zu verbinden. „Ruft mich ab, ich bring euch dann eins rüber. Ihr könnt es auch bei mir abholen.“ Schon gut, wenn man technisch ausgestattet ist.
Kurzes Hin und Her, welcher Horrorfilm „gut“ sei; da ich dem Genre als junger Mensch ebenfalls zugetan war, konnte ich sogar ein bißchen mitreden, bevor ich mich wieder zum Schreibtisch davonmachte und nun an meiner Erzählung weiterschreibe, die allerdings nur ein bißchen umständlich in Gang kommt. Man muß sich aber erstmal drauf einlassen, den Wegen einfach folgen durch die Dschungel; irgendwann verschlingen sich die Pfade dann wie die Planzen, und ein Organisches erhebt sich, das dann mit der ästhetischen Machete freizuhauen ist.

UF hat >>>> das Gerichtsvollzieher-Hörstück probegehört. „Perfekt so“, schreibt er mir gerade. Da bin ich also schon mal beruhigt. Es sei viel zu schnell zuende. Besser so, als wenn sich einem die 54 Minuten dehnen und dehnen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .