Am Mittag ein Schlag in die Magengrube. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 14. August 2014.

9.50 Uhr:
[Arbeitswohnung. Garbarek/Johnsen: Aftenland (1980).]
Nachdem mich gestern der ECM-Jazz wiederfand, dem ich in den späten 70ern/frühen 80ern sehr angehangen habe, höre ich jetzt sämtliche Vinylplatten wieder durch, die ich von Jarrett und Garbarek besitze, das sind immerhin dreißig LPs. Damals war die Hoch/Zeit der sogenannten Weltmusik, bei der auch Gulda ordentlich mitmischte, und es ist fast natürlich, daß das auch auf den Jazz gewirkt hat. Mir kommen diese Musiken auf eine seltsame Weise zugleich sehr fern wie nahgeblieben vor. Sowohl Jarrett, der eigentlich aus dem Free Jazz kommt, als auch Garbarek hatten eine Neigung, zur und mit der Orgel zu experimentieren, und dann ist da noch einiges oft mit künstlichem Hall „aufesoterte“ Plingpling und Klackklack und FlötTrillerFlötFlöt, über das man heute vielleicht lächeln würde, das aber damals nicht wenige Leute ernstgenommen haben, so, wie heute ihre Nachfolgegenerationen das tumbe Herzbummbumm des Technos ernstnehmen.
Pünktlich um sechs stand ich im Schwimmbad und schwamm meine anderthalb Stunden stramm durch. Frühmorgens muß ich jetzt schon einen Pullover tragen, und geh ich raus, ist es richtig frisch; das war es noch, als ich um zehn vor acht das Schwimmbad wieder verließ. Immerhin schien – und scheint weiter – die Sonne. Erst, als ich wieder hierwar, den ersten Latte macchiato genommen; vor dem Schwimmen trinke ich stets nur einen öligsatten Espresso, der auch wirklich süß sein darf; der Körper scheint die Kohlenhydrate zu brauchen (und Früchte eß ich wie dumm!): Vorgestern wog ich zum ersten Mal unter 70 kg, gestern sogar nur 69, und obwohl ich nun anfallsweise zwei Abende hintereinander jeweils ein halbes Pappglas Zuckerrübensirup („Grafschafter Goldsaft“) ausgelöffelt habe, und das noch nach dem vergleichsweise schweren Köfte-Essen gestern, bleibt es bei unter 70.

Also das Neapelstück; ich schaffte es gestern nicht mehr, meine Striche und Änderungen ganz in die Zweite Fassung zu übertragen, werde jetzt gleich damit weitermachen. Nur war erst Geldkram zu erledigen. Es ist wieder mal etwas knapp; ich führe momentan über jede Ausgabe Buch und rechne jeden Tag meinen Tagessatz aus. Anders geht es derzeit nicht. Aber weshalb soll nicht mal wieder auf drei fette Jahre ein mageres folgen? Ich lebe ja dennoch gut, auch wenn ich dafür ziemlich trickse. Außerdem kann sich, sowie erst einmal >>>> Argo heraus ist, einiges drehen, und falls >>>> Mare jasagen sollte, sowieso. Also bin ich überhaupt nicht unruhig, kann nur grad keine finanziellen Sprünge machen. Weshalb sollte Mare auch nicht „ja“ sagen? Von allen übrigen Seiten, die das Exposé kennen, erreichen mich zustimmende, sogar begeisterte Reaktionen, so daß es imgrunde „nur“ darum geht, ob ich das mit der Kreuzfahrt noch hinbekomme. Was dagegen spricht, habe ich gestern >>>> dort angedeutet: Mit einem Dichter, der an Bord über den Tod an Bord schreibt, möchte man, denke ich mir, nicht arg so gern zur See fahren; als Werbung für einen Reiseveranstalter eignet sich sowas also nur schlecht. Gute Werber ziehen auch den Aberglauben mit in ihr Kalkül, von dem jeder von uns einiges in sich versteckt trägt; auch ich. Das Irrationale spielt eine große Rolle im Verkauf – eine größere als die Rationalität, vor allem dann, wenn man es aus dem Bewußtsein verdrängt.
Doch ich kann das Buch auch ohne eine zweite Kreuzfahrt schreiben; wahrscheinlich würde es dann sogar schneller fertig. Na gut, über Arbeitsdauern habe ich mich schon oft geirrt, etwa und besonders bei >>>> den Elegien, die doch nur Etüden sein sollten und dann über vier Jahre brauchten, bis ich die richtige Gestalt für sie hatte.

Vielleicht ein fünftes >>>> Mauergedicht? Vielleicht. Aber erst, wenn ich die Zweite Fassung des Neapelstücks fertighabe. Sonst verzettel ich mich.

Wie verschieden die Stimmen! Nachdem Ralf Schnell ziemlich abwertend über meinen Nibelungentext gemailt hatte, schrieb mir wiederum >>>> Schulze: „Toller Text!“ Ich mag nicht verhehlen, daß mir das Sicherheit gegeben hat, jedenfalls nicht völlig falsch zu liegen. Anselm Feuerbach: „Sind die Kritiker uneins, ist der Künstler einig mit sich selbst.“
Guten Morgen.

[Garbarek, Jarrett, Danielsson, Christensen: Belonging (1974).]
: 10.28 Uhr.
***

14.52:
>>>> Das da schrieb ich soeben an UF. Hab was zu verdauen, das mir viel schwerer im Magen liegt als ich dachte.

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