Grenzschließung. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 16. September 2015.


[Arbeitswohnung, 8.35 Uhr
John Cage, Streichquartett VII]



Seit sieben nach sechs auf, war | was zu gegenlektorieren
abgegeben und | >>>> das Video des 47. Tages ein-
zustel|len das ich | liebe
war | zu lesen was | >>>> lange Diskussion unter gestern heu-
te weiter Ironie | der RobertGernhardQuatsch
Verniedlichungen Deutsch|land macht die Gerenzen zu
Grenzkontrollen in Zügen von Öster|reich schlag ich vor
Grenzkontrollen zwischen Hessen und Thü-
ringen Ba|den Württemberg und Bayern die| Europäische Idee
zur Streusandbüchse neu gesunken
Globalisierung allein für den Markt
Bremens Stadtstaat baut sich seine Mauer selbst | Berlin
ein feste Burg ist unser Kanz|leramtens Aufsicht an
die sich die Bürgerhäuschen drücken | Es rollt der Feind
die Luft voll Heuschreckenwolken | So der Fliehende-an-sich
will uns die Felder kahl | der Pfeilschwarm hat die Sonne verdunkelt
wie Himmelswellen auf | der Erde um Wellen
(wie in Star Troupers die | Kakerlaken zertreten:
Die >>>> USA mögen keine Verlierer Eu|ropa hat vor ihnen | Panik
im Kanzleramt Grie|chenland steht für Kultur die
uneuropäisch | wenn man den Markt sieht | ist das ein
Unwert | nicht auf die Geldform zu bringen | entsich-
r’ ich meine Browning | nicht etwa | fiel‘s denn keinem auf?
die >>>> Luger | P08 oder >>>> Walther P38 – | nein, eine >>>> Browning aus Utah
Da ahnen wir n i c h t? ob|wohl‘s Bloch
doch schon sah: Hitler als irrationale Putz|frau des Welt|kapitalismus:
Millionen Schuster, Bäcker, Lehrer vergasen um | Rothschild zu treffen
und Brooklyn (Berlin-on-Hudson so | hieß ja mal New York) wäh-
rend DIE WELT den Antia|merikanism mit Simms >>>> für | antisemitisch erklärt
Zwillinge sei’n beides | gar so | entstehen Denk|verbote vom
falschen Begriff ganz abgesehen Wer | mag denn Canada nicht?

[Juliane Klein, vertikal für Streicher (2001)]



Gute Veranstaltung gestern mit >>>> Witzel. Heute wird bekannt werden, ob es sein Buch auf die Shortlist schafft; ihm und >>>>> Peltzer wünscht‘ ich es. Bei der Begrüßung hielt Ulrich Schreiber, der Festivalleiter, mein Traumschiff hoch ins Publikum, sprach auch kurz zu Der Dschungel. Ich meinerseits hatte die Legenda Aurea dabei und las sogar ein Stückchen draus, um die Verbindung zu >>>> Witzels großem Roman zu belegen. Hinterher dann, aber das war schmerzlich, saß Witzel draußen am Signiertisch neben dem Signiertisch einer japanischen Autorin, und bei ihr standen hundertfuffzich Leute in der Schlange, die vor Witzel zählten 1, plus einem seiner Freunde. Ich mochte mir das nicht weiter ansehen und ging frustriert Wein trinken.
Wir plauderten nachher noch etwas, trennten uns früh, ich mit dem Fahrrad die zehn Kilometer zurück.
Laufen nachher und an einem Lexikonauftrag arbeiten, den ich vorgestern bekam; er wird mir die nächste Miete sichern. Am 18. und 19. Stockhausens „Michaels Reise“, aus „Donnerstag aus Licht“, im Haus der Berliner Festspiele; ich hoffe, noch eine Pressekarte zu bekommen. Das Stück gehört zu meinen absoluten Lieblingswerken Stockhausens, so daß ich gerne über die Aufführung schriebe.

10.39 Uhr)
H a b sie bekommen. Eben erreicht’ mich die Mail.

12 thoughts on “Grenzschließung. Das Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 16. September 2015.

    1. als deutschpassiger biste doch geradezu destiniert, fremdländische hautfarbe zu schätzen, weg von dem einerlei deutschländischer hautfarbe, mal von augenform abgesehen.

      die deutsche sprache hat kaum was litanisiertes :

      teddy ( adorno ) : das fremdwort ist der jude (in) der deutschen spraak ( sprache )

      danke für stockhausen excerpt aer für mich ging / geht es um reinheit : reinheit fängt damit an, ein drumset begreifen zu können oder eine elektrogitarre, nicht nur tubular bells or so ore

      let use drug not makin abuse ore addicted

  1. Goldene Legende Ja, so war es, ich stehe zum Zeugnis bereit, war in eigener Person die gezählte “1”, in einsamster Position zwischen erwartungsvollem Autor und “einem seiner Freunde”, als kürzeste Schlange ever neben rekordlanger, überwiegend jugendlicher Schlange vor (hübscher) japanischer Autorin, was hat sie wohl verfasst, um solche Menge aufzureihen? Dafür jetzt immerhin: fröhlicher Eigner eines raren, am 15.09.15 signierten Exemplar des am 16.09.15 geshortlisten Meisterwerks.

    Aber noch kurz zur Legenda Aurea: Nachdem das komplette Publikum, befragt, ob es schon einmal von der Legenda Aurea gehört habe, mit peinlichstem Schweigen Ignoranz bekannt hatte, die noch um einiges schmerzhafter wurde, als moderatorlicherseits im Gewand arnoschmidt´schen Zitats ergänzt wurde, dass Zugang zu(r) Kulturgeschichte schlechthin ohne Kenntnis nämlicher Legenda wohl nicht denkbar sei, da hätte man sich dann doch ein kurzes erläuterndes und erlösendes Wort gewünscht, was es denn nun mit dem solcherart gepriesenen Werk auf sich hat. Das musste dann, Sekunden nach Lesungsende, von Tante Wiki kommen.

    Sei´s drum, die Veranstaltung war so gelungen, wie die verlesenen Passagen aufwühlend, bewegend, eindrucksvoll. Auch der sprachgewaltige Auszug aus der Legenda. Das Teil muss nun her, und nicht nur zum Aufschluss kulturgeschichtlicher Sphären, drum sei die Frage erlaubt, welcher Ausgabe das Zitat entstammte, welcher Übersetzer hier zu preisen ist.

    Und schließlich noch: lehrt die Erfahrung vieler Lesungen, dass die Signierschlange sehr davon profitiert, wenn die Signierwilligkeit des Autors und genauer Ort und Zeitpunkt ihrer Umsetzung vom Moderator vor/während/nach der Lesung dem Publikum lauthals kundgetan werden.

    Zum Schluss: Danke für den diesjährigen Höhepunkt des Festivals.

    Nach dem Schluss: Und der Peltzer auch!

    1. @KMR: Sie haben völlig recht damit: “wenn die Signierwilligkeit des Autors und genauer Ort und Zeitpunkt ihrer Umsetzung vom Moderator vor/während/nach der Lesung dem Publikum lauthals kundgetan werden. ” Hab ich verabsäumt, stimmt. Es mag daran liegen, daß ich die Rollen von Moderator und selbst-ein-Autor nicht immer auseinanderhalte, auch nicht auseinanderhalten mag. Und ich habe schlichtweg ans Signieren nicht gedacht; tu ich auch auf eigenen Lesungen selten, sondern verdrücke mich oft erst mal nach draußen. Dennoch, mein Versäumnis. (Zu meiner Entschuldigung allenfalls noch: Ich wußte vor der Veranstaltung überhaupt nichts von den Signiertischen, bin auch nicht drauf hingewiesen worden.)

      Man hätte noch länger über die Legenda aurea sprechen können. Stimmt. Aber dann wäre möglicherweise für viele Hörer:innen der Focus allzusehr auf die religiöse Grundlage verschoben worden. Es ist unterdessen eh schon gewagt, wenn man so etwas wie Bildung überhaupt anspricht; wird einem sehr oft als Überheblichkeit ausgelegt. Für mich selbst mag das angehen, aber ich hatte ja zu moderieren; da sollte niemand ausgeschlossen werden.

      Die Ausgabe:
      “Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine”
      Aus dem Lateinischen von Richard Benz
      Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1955, 11. Auflage 1993
      (Hier >>>> ein Direktlink)

    2. Goldene Legende Vielen Dank für die schnelle Information, ein günstiges Schicksal fügt es, dass gerade eben der Postbote das ziegelsteinartige Päckchen ablieferte, die Benz´sche Übersetzung, 1080 (ohne Namensverzeichnis) frakturbedruckte Seiten in einer Lizenzausgabe von Lambert Schneider, Heidelberg, erschienen 1963 im Union Verlag, “nur zum Vertrieb in der Deutschen Demokratischen Republik”. Lesefreude für die nächsten Wochen garantiert – als wär´s im Schatten der Stapel der ungelesenen Bücher nötig! – für den wertvollen Hinweis: nochmals besten Dank!

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