Gestern die Fruchtfliegensuppe eher zufällig entdeckt: eine faulende Kartoffel, die ihren Faulsaft in einen metallenen Präsentierteller ergossen hatte, völlig außerhalb jeder Sichtweite. Daher auch der Geruch in letzter Zeit, über den ich mich wunderte. Die meisten Kartoffeln konnte ich noch retten. Die Faulbrühe hatte etwas Ekelhaftes.
Währenddessen lief immer noch ein Update für Windows 10. “Ihre Version ist obsolet”, so die Verheißung. Nur klappte es nicht mit der endgültigen Installation nach dem Download, und alles An- und Ausschalten war vergebens. Desktop erscheint für eine Sekunde und dann Tschüß. Ausgerechnet der Arbeitscomputer. Ich ließ ihn bis in die Nacht hinein laufen, für mich selbst Einschlaftricks benutzend, die nichts fruchteten. Stundenweise ein Auf-die-Uhr-Schauen, ein Aufstehen, ein Gang zum PC, um dem Nichts beizuwohnen.
Ich schlief danach vielleicht drei Stunden. Hatte vor dem Nichts eine Ohnmacht, der nur insofern entgegenzuwirken war, als aufzustehen und das bereits auf dem Arbeitscomputer für heute Vorbereitete noch mal von vorn anzufangen auf dem Küchencomputer, der ächzend einen ziemlichen Lärm macht. Viel war’s nicht. Aber immerhin doppelte Arbeit.
Natürlich war der Computerladen heute morgen geschlossen die ganze Woche wegen Mariä Himmelfahrt bzw. Ferragosto. Eine Lösung ist also erst für Montag abzusehen. Ich selbst traue mich nicht, den Hinweisen im Netz zu folgen. Bis dahin die Hoffnung nähren, daß es klappt, am 7.9. in Wolfsburg zu sein (wegen der jetzt nicht zugänglichen dicken Arbeit). Die beiden anderen Sachen lassen sich auch hier in der Küche vorantreiben.
Und es ändert das alles nichts an dem Abend der “Notte bianca” vorgestern. Mit weißen Nächten wie bei Dostojewski in “Weiße Nächte” hat das natürlich nichts zu tun. Dennoch:
Meine Nächte endeten mit dem nächsten Morgen. Es war ein unfreundlicher Tag. Regen fiel und klopfte trostlos an die Scheiben; in meinem kleinen Zimmer war es dunkel, draußen trübe.
(Dt. von Georg Schwarz (sic!), Berlin und Weimar 1981)
Tatsächlich hat es um die Mittagszeit vor der “Notte bianca” zu herbsten begonnen, ein Temperaturrückgang um wohl zehn Grad, ein Gewitter, das zu einer Stromunterbrechung führte, ein Regen, der durch die Fensterritzen von Schlaf- und Arbeitszimmer drang. Alles schien fraglich für die “Notte bianca”.
Aber es beruhigte sich, und abermals hatten mich die Feierlichkeiten verschont. Nichts auf dem Platz unter den Fenstern, durch die noch am Mittag Wasser eingedrungen war. Nichts auf dem nächsten, auf dem übernächsten dahinter liegenden. Bloß so ein bißchen Couscous im Bioladen mit einem Waldenser-Pastor neben mir und gegenüber irgendwann die Märchenhexe Genji und noch andere. Zum Glück kein Wort über Brückenungeheuer und -heucheleien. Die Debatte seitdem heftig und nicht selten kurzsichtig, vor allem dort, wo gerade eine Regierung improvisiert, eine Regierung zu sein.
Als ich dann weiter nach unten kam, war’s sehr bevölkert. Da begann für mich so etwas wie ein Trip. Ein sehr freies Floaten, gelegentliches Andocken, ein Weiterfloaten, und immer so weiter in dieser ganzen Menge, jedes Andocken die Dauer, die es wollte. So frei und entspannt schon lange nicht mehr. Und alles sehr sehr langsam. Nach der Heimkehr unter einem leichten Regen dann nicht mal die Lust, den PC wieder anzuschalten. Seltenes Ding. Denn scheinbar: I had my ding! Es war nicht wie sonst noch etwas auszuhalten, sei’s Musi oder sonstwas.
Die Trommelei des “Palio” endete am Sonntag schon. Ein bißchen zockelte ich noch nach, begleitete l’ami belgique und seine Tochter, die das alles natürlich begeisterte. So verabschiedete ich mich von ihnen, den Trommlern und Fahenschwenkern und Palio-Patrioten:
Continuatio von heut’, dem 17.:
Das Bild auf dem Küchencomputer hochzuladen erwies sich gestern abend wegen dessen Obsoletheit als unmöglich. Und in der Zwischenzeit hatte mich Tullia zum Abendessen bestellt (bestellt): Gäste aus Mantua und Turin, denen ich auch während der “Notte bianca” begegnet war. Gnocchi, zubereitet von Antonio. Vor zwei Jahren die Rückreise mit ihm und Tullia vom Kaiserstuhl mitten in die Po-Ebene hinein. Zufällig über Mantua sprechend, fiel mir auch Ivano Ferrari wieder ein, dessen Schlachthof-Gedichte. Und, guarda caso, Antonio kennt diesen mittlerweile 70jährigen ehemaligen Schlachthofarbeiter aus Mantua. Ich bat ihn, ihm wärmste Grüße von mir zu bestellen. Mal sehen.
Die Nacht dann bescherte mir ein Gesicht, so recht in seiner Doppelbedeutung: deutlich wie nichts erschien für einen Moment die Holländerin M.L., die einst im Hof wohnte und schon lange nicht mehr hier war, mit ziemlich blondem Haar, auffällig gekleidet (wie?), und führte an der Leine einen bis an ihre Hüfte reichenden schwarz-weiß gefleckten Hund: Hunde in Halbtrauer. Das Bild war schnell wieder weg, hatte auch weiter keine Konsequenzen als das Gefühl einer angenehmen Überraschung. Und bleibt als Bild: anziché ‘dama con cagnolino’: ‘dama con cagnolone’.
Heute noch mal geblättert im Dostojewski-Band des noch DDR-Aufbauverlags mit der frühen Prosa, die “Weiße Nächte” enthält. Ich glaub’, der Ausschlaggeber war seinerzeit die Erzählung “Ein schwaches Herz” (Ü dito Georg Schwarz), denn ich hatte damals eine Herzneurose bzw. Herzmarotte bzw. eine herzliche Hypochondrie. Ein Zettel steckt noch darin mit zwei Zitaten:
während ich quer auf dem Bett liege und bar jeder Würde [las erst: Wünsche!] herumzapple…
Dost., Herz, 28
da war ich vor Seligkeit so weg, daß ich mit den Beinen strampelte und “Aaaaah” schrie, ohne die Glotzies aufzumachen.
Burg[ess]., Uhrw. Or., 38
Undsoweiter, undsofort.
Und ganz zufällig (“ganz zufällig” ist eher ein Ausdruck dafür, “daß ich es nicht mehr abwarten konnte”) fuhr ich heute nach Terni, um einen Ersatz für den ächzenden und tatsächlich ständig heiß laufenden Küchencomputer zu kaufen. Billigware, funktioniert, und ist tatsächlich ganz WEISS.
Ma c’è >>>> un’altra notte bianca, quella della saggezza e del sesso:
non so se era veramente diversa. e non so cosa intendi per “saggezza”. credo che non ce ne sia quando uno si butta tra la folla. io, francamente, stavo tantissimo a mio agio. forse intendi “consapevolezza”! sesso: ambiguo in italiano. una parola che si trova su tutti i moduli burocratici per poi fare la croce sulla “M” o sulla “F”. poi sta, ovviamente, per rapporto sessuale assieme al verbo “fare”. difficile per strada anche se esiste una canzone dei Beatles che parla proprio di questo. die geht so: “why don’t we do it in the road“, und forse sarebbe meglio parlare “del proprio sesso”, um eine Geschlechtseigenheit herzustellen, entspräche eher der Aussage. Überhaupt sehr ‘ambiguo’ die faulende Kartoffel zu Beginn, die jetzt unbewusst zur “patata” führt. Ok, gergo. Hinabgeführt auf den Blick der Pflastersteine. Sì, lo so, mi ricordo questo video. Ne parlavamo. Die gefilmten Orte waren dieses Jahr allerdings leer. Es ging erst weiter unten los.
@Bruno Lampe:
Na jaaaaa, es geht nicht darum, daß “es” in den Straßen stattfindet, aber sehr wohl daß “es” in den Straßen in den Köpfen stattfindet, selbst wenn es in den Köpfen nicht bewußt geschieht; deshalb ja “es”. Darin sehe… nein, besser spüre ich eine, vielleicht sogar die Weisheit. Die in den Pflastersteinen mitliegen mag; der Hinweg von der gefaulten Kartoffel lag mit allerdings fern. Vielmehr ist es der Begriff der “Bianca notte”, der unmittelbar in meine Assoziationen hineinstrahlt, nachdem er sie entfacht hat.
(“Es ging erst weiter unten los” ist in diesem Zusammenhang eine allerdings superbe Formulierung. Lacht.)