„Wir waren schändlich verdorben, nicht wahr?“ [die erwachsene Ada, ANH]
„Alle klugen Kinder sind verdorben.“ [der erwachsene Van, ANH]
Ada oder Das Verlangen, S. 142
(Dtsch v. Uwe Friesel und Marianne Therstappen)Sie betrachtete ihn. Ein feuriges Tröpfchen im Winkel ihres Mundes betrachtete ihn. Ein dreifarbiges, samtenes Veilchen, das sie am Abend aquarelliert hatte, betrachtete ihn aus einer kannelierten Kristallvase. Sie sagte nichts. Sie leckte an ihren gespreizten Fingern, noch immer ihn ansehend.
Van, da er keine Antwort erhielt, verließ den Balkon. Sanft zerbröckelte ihr Turm in der süßen, schweigenden Sonne.
Ada, 99
Was wir, geliebte Frau, zuerst verstehen sollten und es – sofern wir uns eingelassen haben – spätestens auf der Seite 77 verstehen auch werden, geht aus folgender, dort so kurzen Klammerbemerkung hervor, daß sie durchaus überlesen werden kann:
Mit zehn oder früher hatte das Kind – genau wie Van – Les Malheurs de Swann gelesen (…)
Ada, S. 99
Mit zehn, Proust! Und mehr noch: als kleine Russin auf Französisch … Sofort, wer sich da nicht wehrt, hat das Bild eines besonderen – begnadeten nämlich – Kindes vor Augen. Begnadet von Herkunft und Erziehung, was für Ivan Veen, Adas sofortig-innigstem Freund, ebenso gilt wie für beider (ich meine die Landschaft, die sie umgibt) märchenhaft heilem Daheim. Was alles Folgende, grad auch das Erotische, zutiefst bestimmt und glaubhaft macht.
Wir befinden uns jetzt auf einer Weideninsel mitten im ruhigsten Flußarm des blauen Lador, feuchte Felder auf der einen Seite und auf den anderen eine Ansicht von Bryants Château, fern und romantisch schwarz auf seinem Eichen-Hügel (…)
Ada, 260
So denn auch Ardis Hall selbst,
ein prächtiges Landhaus, drei Stockwerke hoch, gebaut aus fahlen Ziegeln und violetisch schimmernden Steinen, deren Farbschattierungen und Substanz sich bei bestimmten Beleuchtungen auszutauschen schienen. Der Vielzahl, Fülle und Lebhaftigkeit großer Bäume zum Trotz, die längst die zwei ausgerichteten Reihen stilisierter Schößlinge ersetzt hatten, (lag) das Herrenhaus (…) auf einer Erhebung (…)
Ada, 53
Wer Nabokovs bisherige Bücher kennt, die ich in dieser Reihe besprach, wird sofort spüren, was der Autor hier schildert, daß er seine eigene Kindheitslandschaft, die verlorne und lebenslang vermißte, schildert, doch sie uns nun zur Gegenwart macht: zu einer gewesenen Zukunft. Und wir begreifen unmittelbar, weshalb er dafür eine Gegenwelt schafft, bezeichnenderweise Anti-Terra genannt, worin zwar die Geographien mit unserem Heimatplaneten identisch sind, nicht aber ist es — um Zukunft zu sein, kann sie’s nicht sein — ihre politische Wirklichkeit (Nationalgrenzen verlaufen dort völlig anders, und die imperialen Gewalten liegen in anderen Händen). Ebenso die Technologien; auch sie stimmen nicht überein. Alleine dafür, dieses klarzumachen, dienen die ersten beiden Kapitel, die deshalb so komplex sind und für verwirrend gelten, weil es dem Dichter tief mißhagt, den Sachverhalt pur zu referieren, also die Gebote eleganten Erzählens zu mißachten. Weshalb er einsteigt, als wüßten wir alles bereits. Denn ihm – Ivan Veen, der als alter Mann seine Erinnerungen schreibt – ist seit Kindheit ja alles bekannt, und seiner ersten Leserin, der geliebte Ada, nicht anders. Da hilft uns der dem Buch vorangestellte Stammbaum erst einmal wenig:
Wir werden später dazu übergehen, ihn zu „dechiffrieren“; ein einundsiebziger Mann, der mit seiner fünfundzwanzigjährigen Frau zwei Kinder zeugt, die quasi Ahnen aller jetzt lebenden Hauptpersonen des Romans sind, ist auch als Fürst nicht common sense. Wichtig ist erst einmal nur zu verstehen, daß Ada und Van, die von mir in der Abbildung türkis markierten Helden der Geschichte, miteinander verwandt sind — dem Stammbaum nach Cousine und Cousin, nämlich die Kinder des Zwillingspärchens Aqua und Marina. Die Wahrheit allerdings finden diese Kinder selber heraus; sie wird ihr Leben ebenso überschatten, wie es ihre Leidenschaft bis zum Tod hell befeuert – keinem schnellen, einem späten. Van ist in den Neunzigern, als seine nur zwei Jahe jüngere Geliebte das Manuskript liest (und gelegentlich kommentiert), das unterdessen wir vor uns als Buch liegen haben.
Nein, wir müssen uns nicht kirremachen lassen. Sehen Sie es, Freundin so: Wenn wir zum ersten Mal ein fremdes Land betreten, ja noch über Monate, wofern wir so viel Zeit dort verbringen, kennen wir auch nicht den andren kulturellen Code. Sondern erfassen ihn allmählich. Nicht anders in diesem Buch. Indem wir indessen erlernen, statt schon immer gleich zu wissen, werden wir sehr reich. Um uns zumindest geographisch zurechtzufinden, genügt die folgende Karte vollauf:
(©: Dieter E. Zimmer)
Wir sind also, nach unsrer Welt, im westlichsten Kanada, oberhalb des Staates („unseres“) New York — ganz nahe nämlich dort, wo James Fenimore Coopers erste LEDERSTRUMPF-Erzählung spielt, eines andren großen Buches. Wäre das Land nicht derart kultiviert, wir spürten noch Nat Bumppos Atem — ja, selbst der See ist noch da, auf dem Tom Hutters, des Pelzjägers, und seiner beiden Töchter, Judiths und Hettys, Holzhütte schwamm. Das liegt allerdings an die einhundertfünfzig Jahre zurück.
Zeichnung: Zdnek Burian
Und wir sind nicht weit von Alaska entfernt, auf der anderen Seite nur, das von Rußland an die USA erst 1867 verkauft worden ist — ein für Nabokovs Konstruktion entscheidender Umstand: bloß siebzehn Jahre, bevor Van zum ersten Mal nach Ardis kommt. Seelisch ist Rußland also ganz nah, was es dem Dichter eben erlaubt, Ardis nahezu ganz mit der eigenen Kindheit zu füllen. Daß er das dortige Klima subtropisch sein läßt, geht poetisch mit dem Thema des Romans, der erotischen Liebe, zusammen, die immer geistig auch sein muß, sonst wär sie nicht erotisch, sondern nichts als grob sexuell. Außerdem liegt Ardis ein bißchen nördlich Bostons auf dem, was wir schnell vergessen, Breitengrad von Rom. Schon verstehen wir Nabokovs geographische Wahl, zudem er selbst viele Jahre in ungefähr einer ähnlichen Gegend verbracht hat, etwa in Wellesley — sehr weit weg vom westlichen, bei Nabokov (russisch-)französischen Kanada nicht.
Doch muß uns selbst das noch nicht scheren. Es zeigt nur, wie komprimiert die vierundddreißig Seiten der ersten drei Kapitel sind, die wir Peter Urban zufolge → „besser auslassen“ sollen.
(Nur noch nebenbei bemerkt, war die französische Sprache im späten zaristischen Rußland ein Abgrenzungsmerkmal der Oberschicht. In Ada kann Nabokov sie und sein Russisch mit dem Englischen vereinen, in dem das Buch geschrieben ist — in Europa, übrigens, wieder, nämlich in Montreux und also der Französischen Schweiz.)
Ivan „Van“ Veen ist also vierzehn, als er in Ardis den Sommer verbringt und Ada, die vermeintliche Cousine, die zwölf ist, kennenlernt. Dabei ist es kein Zufall, daß er, nachdem er
mit seinen zwei Koffern (…) in den sonnigen Frieden des kleinen, ländlichen Bahnhofs
Ada, 53
ausgestiegen war,
von wo eine gewundene Straße hinauführte nach Ardis Hall,
Ada, 51,
die „zufällige Gelegenheit eines Transportmittels“ wählt, denn Automobile gibt‘ schon sehr wohl,
das ihm ein zufälliger Knick im Gewebe der Zeit zur Verfügung gestellt hatte,
Ada, 53,
nämlich eine Kalesche. Und nachdem er in ihr angekommen ist und erstmal, auf Vorschlag des Butlers, eine tour du jardin unternommen hat, auf der er irrtümlich die noch ganz kleine Cousine für die etwas ältere hält, fährt nahe der Terasse eine Viktoria vor:
Eine Dame, die Vans Mutter ähnelte, und ein dunkelhaariges Mädchen von elf oder zwölf, vorweg ein herabfließender Dackel, stiegen aus. Ada hielt einen unordentlichen Strauß wilder Blumen. Sie trug einen weißen Rock mit einer schwarzen Jacke, und in ihrem langen Haar war eine Schleife. Er sah diese Kleidung nie wieder an ihr, und wenn er sie bei rückblickender Betrachtung erwähnte, beharrte Ada darauf, daß er geträumt haben mußte, sie hatte nie so etwas besessen, konnte niemals an einem so heißen Tag einen dunklen Blazer getragen haben, aber er hielt an seinem allerersten Blick von ihr bis zum Schluß fest.
Ada, 55
Also bis er in den Neunzigern war, mithin um 1960, als Nabokov diesen Roman zu scheiben begann. Es ist dies eine wichtige Bestimmung. Und nur drei Seiten weiter fangen Schlüsselsätze an, die das gesamte Zentrum der Erzählung umspannen:
„Du kannst den ‚See‘ vom Bibliothekszimmer sehen,“ sagte Marina [Adas Mutter, ANH]. Ada wird dir jetzt alle Räume des Hauses zeigen. Ada?“ (Sie sprach es auf die russische Weise aus, so daß es fast wie „Ardor“ klang.
Ada, 57/58
„Ardor“ ist Englisch für „Glut“, „Leidenschaft“ (so daß ich am deutschen Mittitel DAS VERLANGEN durchaus bißchen Zweifel habe — ein D’Annunzios IL PIACERE nicht unähnliches, als Übersetzung, Benennungsproblem).
Ein wenig später wird das Motiv noch verstärkt, und zwar überaus typisch für die schwindelerregend gebildeten Dialoge der beiden Fastnoch- und doch Schonlangenichtmehr-Kinder:
„Unsere Leselisten stimmen nicht überein“, erwiderte Ada. „Jenes Palace in Wonderland gehörte für mich zu der Art Buch, von der jedermann so oft behauptete, ich würde [es] innig lieben, daß ich eine unüberwindbare Abneigung dagegen entwickelte. Hast du irgendeine von Mlle Larivières [ihrer Gouvernante, ANH] Erzählungen gelesen? Nun, du wirst es noch müssen. Sie glaubt, daß sie in irgendeinem früheren Hindu-Stadium ein ‚Boulevardier‘ in Paris war, und schreibt entsprechend. Wir können uns von hier aus durch einen Geheimgang in die Eingangshalle winden, aber ich glaube, wir sollten uns noch die grande chêne ansehen, die in Wahrheit eine Ulme ist.“ Mochte er Ulmen? Kannte er das Gedicht von Joyce über die beiden Wäscherinnen?
Ada, 74.
Die Zwölfjährige spricht hier von FINNEGAN’S WAKE!
Er kannte es tatsächlich. Mochte er es? Ja. In der Tat begann er arbors und ardors und Adas sehr gern zu mögen. Sie reimten sich. Sollte er’s erwähnen?
Ada, ebda.
„Arbors“ sind Lauben, aber auch Wellen. Doch zur vorigen Stelle nochmal zurück, die fast schon alles verrät — noch bevor es die „Kinder“ ganz selber entdecken:
„Warum müssen Treppenstufen nur so entsetzlich knarren, wenn zwei Kinder hinaufsteigen“, dachte sie [also Marina: Adas „High-Society“-Mutter, ANH], während sie zum Geländer emporblickte, auf dem sich zwei linke Hände mit verblüffend gleichen Griffen und Zügen fortbewegten, wie zwei Geschwister bei ihrer ersten Tanzstunde.
Ada, 58.
Wie sie wirklich mieinander verwandt sind, entdecken die zwei auf Ardis Hall’s Dachstuhl:
Der Boden. Dies ist der Boden. Willkommen auf dem Boden. Er beherbergte eine große Anzahl von Truhen und Kartons und zwei braune Couches, eine über der anderen wie kopulierende Käfer, und Mengen von Bildern, die mit den Gesichtern zur Wand in Ecken und auf Borten standen wie gedemütigte Kinder. (…) Dank einer Mischung sich überlappender Stile und Ziegel (…), als auch eines gewissermaßen zufälligen Kontinuums von Ausbesserungen, bot das Dach von Schloß Ardis ein unbescheibliches Gewirr von Winkeln und Flächen, von blech-grünen und blatt-grauen Oberflächen, von ausblickenden Firsten und windgeschüzten Ecken.
Ada, 64
Dort nun finden sie — übrigens gleich in Kapitel 1, das wir ja Kritikern zuliebe „auslassen“ müssen (sei milde mit ihnen, oh Göttin!) —
in einem anderen Karton in einer tieferen Schicht der Vergangenheit: ein kleines grünes Album mit säuberlich eingeklebten Blumen, die Marina [Adas Mutter, ANH] in Ex, einem Gebirgskurort (…), wo sie vor ihrer Ehe in einem gemieteten Chalet weilte, selber gepflückt oder sonstwie erworben hatte. (…) Diese einleitenden Seiten enthielten weder botanisch noch psychologisch Interessantes (…); aber der mittlere Teil (…) erwies sich als regelrechtes kleines Monodram,
Ada, 18
aus dem die beiden Kinder, längst schon, vorsichtig gesagt, „innig“ miteinander, treffend erschließen (und denken Sie jetzt wieder an den von Nabokov gern angespielten Sherlock Holmes):
„Ich deduziere,“ sagte der Knabe, „vor allem drei Tatsachen: daß die noch nicht verheiratete Marina und ihre verheiratete Schwester [nämlich seine, vorgebliche, Mutter, ANH] an meinem lieu de naissance überwinterten (…) und daß die Orchideen von Demon [seinem Vater, ANH] kamen, der es vorzog, an der See, seiner dunkelblauen Urgroßmutter zu bleiben.“
„Ich kann hinzufügen,“ sagte das Mädchen, „daß das Blütenblatt zu der gemeinen Schmetterlingsorchidee gehört; daß meine Mutter noch verrückter als ihre Schwester war; und daß die Papierblume, die so beiläufig bezeichnet worden war, eine durchaus erkennbare Nachahmung der Frühjahrs-Sanikel ist, die ich im verganenen Frühjahr an Kaliformiens Küsten sah. (…)„
(…)
„Gut gemacht, Pompeianella (die du aus den Bilderbüchern von Onkel Dan [Adas vermeintlichem Vater, ANH] kennst, wie sie ihre Blumen ausstreut, aber die ich im letzten Sommer in einem neapolitanischen Museum bewunderte). Nun sollten wir aber doch unsere Hemdchen und Höschen wieder anlegen und hinuntergehen und dieses Album sogleich vergraben oder verbrennen, Mädchen. Stimmt’s?“
Ada, 19/20
Zweierlei zeigt, wie raffiniert Nabokovs Konstruktion ist. Zum einen: Um diese zwei Stellen wiederzufinden, brauchte ich, obwohl ich sie angestrichen hatte, lange. Denn ich wähnte sie viel, viel weiter hinten. Sie hatten sich meinem Gedächtnis also chronologisch eingeschrieben, komplett anders, als sie im Buch stehn. Zum zweiten hat Nabokov schon hier den, so würden dumme Erwachsene sagen, „frühreifen“ Charakter seiner Liebeskinder vorgeführt, die auf den eigentlichen Skandal, der sie vielleicht erschüttern hätte müssen, komplett pragmatisch reagieren. Wir lieben uns und lassen es uns nicht zerstören, auch von keiner Moral. Besser deshalb, wir vernichten den Beweis — daß sie Geschwister sind.
Übrigens wird auch schon ganz zu Anfang erzählt, in höchster Dezenz nebenbei, wie und weshalb Marinas Erstgeborene der Zwillingsschwester Aqua (daß beide zusammen einen Aquamarin ergeben, ist eine poetenhimmlische Zutat) unterschoben wurde, die am selben Tage niederkam, doch mit einer Fehlgeburt. Was die psychisch da schon schwerkranke Frau nicht ertragen hätte. – Daß sie fortan immer mal wieder von Zweifeln geplagt wird, ob Van ihr Sohn tatsächlich sei, sei nur am Rand erzählt – ebenso, wie tief Nabokovs Erzählraffinesse im Erdreich der Geschichte wurzelt: „Pompeianella“ (weibliches Pompeji’chen) bezieht sich auf Pompejis Untergang 79 a.C. durch den Vesuvausbruch, der zur Zeit Kaiser Titus‘ stattfand, an den wiederum Shakespeares Titus Andronicus anklingt. Andrej aber lautet der Vorname desjenigen Mannes, der 1893 Ada heiraten wird — ein Glück, das ihr und Van versagt bleiben muß. (Alexey Sklyarenkos interpretierende Spekulation fand ich soeben → dort.)
Daß erotische Geschwisterliebe ein mythisches, geradezu Urthema ist (etwa Tethys/Okeanos, Theia/Hyperion, Rhea/Kronos; selbst der Stammvater Israels, Abraham, war mit Sarah, seiner Halbschwester, verheiratet) muß ich Ihnen, Freundin, nicht schreiben; wahrscheinlich auch nicht, wie weit das Motiv in unsere literarische Gegenwart reicht. Ich nenne nur Thomas Mann mit Der Erwählte und Robert Musil im Mann ohne Eigenschaften. Davon abgesehen waren solche Ehen in der feudalen Oberschicht aus Machtinteressen durchaus üblich; vergesse wir nicht, daß Nabokovs Roman in der Oberschicht von Estotiland spielt. Aber schon Kleopatra war die Gattin ihrer Brüder.
Doch geht es darum gar nicht so sehr. Nabokov erreicht mit seinem Setting etwas ganz anderes, Bedeutsames. Wir müssen uns nur vor Augen halten, daß Ada eine Nymphe ist; mehrfach wird sie „Nymphette“ genannt und so auch beschrieben,
(…) einem keuschen Kinde gegenüber (…), dessen Reiz zu unwiderstehlich war, um nicht insgeheim gekostet, und zu heilig, um offen verletzt zu werden (…).
Ada, 124
Nabokovs ureigenstes Motiv kehrt zurück; das des Inzensts, mit dem er Ada auch sprachspielen läßt, verschleiert dies nur – hier in einem Anagrammspiel (Nabokov liebte und nutzte Anagramme immer wieder und ausführlichst):
Auf dem Bauch liegend, die Wange in die Hand gestützt, betrachtete Van den geneigten Hals seiner Geliebten, während sie englische Anagramme mit Grace spielte, die voller Ungeduld insect vorgegeben hatte.
„Scient“, sagte Ada und schrieb es nieder.
„Oh, nein!“ protestierte Grace.
„Oh, ja! Ich bin sicher, das gibt es. Es ist ein großer ‚Sciet‘. Dr. Ensic was scient in insects.„
Grace dachte nach, wobei sie sich mit dem Radiergummi-Ende des Bleistifts an die gerunzelte Stirn klopfte, und brachte hervor:
„Nicest!“
„Incest“, sagte Ada sofort,
Ada, 110/111
Die Stelle ist entscheidend, insofern sich die erwachsene Ada – 212 Seiten später! (an so etwas erkennen wir wahre Romankunst)– an genau diese Szene erinnert:
„Als Heldin in einem alten Roman sprechend, scheint es mir so, so lange her zu sein, davnym davno, daß ich hier mit Grace und zwei anderen entzückenden Mädchen englische Wortspiele gespielt habe. Insect, incest, nicest.“
Ada, 323
Wobei durch die Vertauschung der Reihenfolge letztbeider Wörter der Inzest nun sogar zum nicest, dem Allerschönsten, wird, wenn auch ein bißchen ironisch. Bitte vergessen Sie nie, daß nichts bei Nabokov zufällig ist, sondern alles, alles ist Komposition.
Was also erreicht seine Nymphophilie durch die Geschwisterkonstruktion eigentlich?
Es ist sehr einfach. Er legitimiert sie, und zwar beides. Zum einen ist so jungen Menschen, die fast noch Kinder sind, ein Inzest kaum zu verübeln, zumal dann, wenn sie nach Wesen und Bildung einander so sehr ähneln, daß überhaupt kein anderer Mensch ähnlich vertraut infrage käme. Zum zweiten darf der vierzehnjährige Van das kaum jüngere Mädchen so wahrnehmen, wie es der viel ältere Nabokov oder irgendein anderer erwachsener Mann eben nicht dürfte, und darf auch ohne Rechtsfolgen mit ihr, ich sag’s mal ernüchternd, „verkehren“. Ja, mehr noch. Indem er dabei alle Emphase aufbringt, derer verliebte Jugendliche überhaupt fähig sind, kommen seine Beschreibungen und Schilderungen dem Wesen der Liebe auf manchmal vor Schönheit geradezu schmerzende Weise nahe. Genau deshalb → sprach der sogenannte Kritiker Gresser , und andre taten’s mit ihm, von Kitsch und führten ihn auf „Altmännergeilheit“ zurück. Indem Nabokov sich erlaubt, mit aller entzündeten Klarheit durch die Augen eines Jungen zu sehen, legt er bloß, was den meisten von uns verloren ist oder sogar: ihnen ganz entging. Die Gressers konnten nicht lieben, es blieb ihnen bitter versagt. Sie konnten und können so nicht einmal sehen:
Dieser russische Routine-Schmaus bestand im Ardis-Haushalt aus prostokascha ( (…) „Dickmilch“), deren düne, rahmglatte Oberschicht die kleine Miss Ada behutsam aber gierig (Ada, diese Adverbien kennzeichneten viele deiner Taten!) mit ihrem besondern ∀-Monogramm-Silberlöffel abschöpfte und aufschlecke, ehe sie die amorpheren Quark-Tiefen in Angriff nahm (66) — Ihr schwarzes Haar fiel in Kaskaden über ihr Schlüsselbein herab, und die Bewegung, mit der sie es nun zurückwarf, und das Grübchen auf ihrer blassen Wange waren Enthüllungen, die ein Element unittelbarer Kenntnis offenbarten (79/80) — Ihre Gesichtszüge wurden von der dicklichen Form ihrer trocknen Lippen vor elfenhafter Hübschheit bewahrt (80)—
Oder diese Beobachtung:
Am nächsten Morgen erspähte er Ada zufällig, als sie Gesicht und Arme über einem altmodischen Becken auf einem Rokoko-Ständer wusch, das Haar oben zusammengeknotet, ihr Nachthemd um die Hüfte geschlungen wie eine unordentliche Blumenkrone, aus der ihr schlanker Rücken emporwuchs, die nahe Seite rippenbeschattet. Eine fette Porzellanschlange ringelte sich um das Becken, und da beide, das Reptil und er, innehielten, um Eva und das weiche Schwappen ihrer Knospenbrüste im Profil zu beobachten, schlüpfte ein großes Stück maulbeerfarbener Seife aus ihrer Hand, und ihr schwarzbestrumpfter Fuß hakte die Tür zu mit einem Päng, das eher das Echo zum Aufprall der Seife auf dem Marmorbecken als ein Zeichen schamhaften Mißfallens zu sein schien. (82)
Und auch folgendes gehört zu dem, für was sich der profanen Welt Gressers so rächen (→ Richard Kämmerlings kluge Rezension nehme ich selbstverständlich davon aus):
Sehr sanft ließ er die trockenen Lippen über ihr warmes Haar und ihren heißen Nacken wandern. (…) Er hätte für immer auf dem kleinen Mittelknopf abgerundeter Wonne auf dem Rücken ihres Halses verweilt, wenn sie ihn für immer geneigt hätte – und wenn der unglückliche Knabe fähig gewesen wäre, den Rausch dieser Berührung unter seinem wachs-starren Mund sehr viel länger zu ertragen. (126)
Nabokovs ungemeines Kunststück – eines der Wunder dieses Buches – besteht darin, die Liebenden zwar sehr junge Menschen sein zu lassen, aber solche mit dem Geist und der Kenntnis höchst kultivierter, erwachsener Personen — ja sie sind denen über, durchschauen sie. Genau dafür, dieses glaubhaft zu machen, war die Erfindung Anti-Terras nötig, ADA OR ARDORs traumpoetische Gegenwelt, indessen deren Realität in der höchst konkreten Erinnerung an eine in jeder Hinsicht privilegierte Herkunft wurzelt.
Was auch Schattenseiten hat, deutliche, auf die ich im nächsten, ADA gewidmeten Beitrag zu sprechen kommen werde – auf beider, vor allem bei dem späten Van, der ja als Autor dieses Buches fungiert, mitunter schwer erträglichen Arroganz. Doch möchte ich darüber später erst sprechen, weil es uns hier den Blick verstellen würde, den auf die Utopie eines liebenden Zueinander- und genau deshalb, nicht aus vermeintlich pornographisch-„altersgeilen“ Gründen immer wieder explizit geschilderten, obsessiven Ineinandergehörens:
Endlos, beharrlich, zart fuhren Vans Lippen über ihren Mund und schürten dessen brennende Blume, vor und rück, recht, links, Leben, Nichts, schwebend in Spannung zwischen der luftigen Zärtlichkeit eines offenen Idylls und dem groben Blutandrang des verborgenen Fleisches.
Es kamen andere Küssse. „Ich möchte gern“, sagte er, „das Innere deines Mundes schmecken. Gott, wie gern wär ich ein koboldkleiner Gulliver und erforschte diese Höhle.“
„Ich kann die meine Zunge leihen“, sagte sie und tat’s.
Eine große, gekochte Erdbeere, noch sehr heiß. Er saugte ein, soweit er konnte. Er preßte sie an sich und leckte ihren Gaumen. Ihrer beider Kinn wurde völlig naß.
Ada, 129
Ist solches noch uns allen, hoffentlich, bekannt (wurden wir damit gesegnet), enfaltet sich die, wie ich es eben nannte, Utopie dieser Liebe in ihrer fast gänzlichen Unvoreingenommenheit gegenüber den Körpern und ihren Begehren. Es waltet bei beiden, wenn sie Leibliches anschauen, eine Art einfühlsamster Ästhetizismus, der – bei beiden, eben! – nicht das mindeste Verklemmtsein kennt. Sie bangen nicht, sie haben keine Scheu zu „versagen“, sind voller Grundvertrauen in ihre Lust. Vor allem an dem Mädchen fällt dies auf, indessen Van schon mit dreizehn seine ersten paar Abenteuer hinter sich hat – was spannenderweise bewirkt, daß er Ada gegenüber anfangs dann doch, in beider ersten Begegnungen, von einer gewissen Scheu ist:
War sie wirklich hübsch, mit zwölf? Begehrte er – würde er je begehren, sie zu liebkosen, richtig zu liebkosen? (79)— Und in der jähen Sonne wurde ihm klar, daß er, der kleine Van, bis dahin eine blinde Jungfrau gewesen war (82) – Ihren ersten offenen und ungestümen Liebkosungen war eine kurze Zeitspanne seltamer Täuschung, kriecherischer Heimlichkeit vorausgegangen. Der maskierte Angreifer war Van, der arme Junge, aber ihre passive Hinnahme seines Benehmens schien stillschweigend zu bestätigen, wie verrufen und geradezu ungeheuerlich es war. Ein paar Wochen später sollten beide diese Phase seiner Werbung mit amüsierter Herablassung betrachten; im Augenblick jedoch verwirrte die implizierte Feigheit sie und quälte ihn (122)
Dieses aber, in der Tat, währt kurz, allenfalls paar Tage, für die indes bezeichnend ist – als weiterer Lichtwurf in die Wesensfalten Adas –, daß Vans Feigheit das zwölfjährige Mädchen verwirrt: als wär ihr längst bewußt, was sie noch gar nicht kennen kann,
weil sie mit elf (…) sich immer noch recht unklar darüber war, wie Menschen sich paarten. Sie war natürlich sehr aufmerksam und hatte ganz aus der Nähe verschiedene Insekten [die sie in Terrariern aufzieht, ANH] in copula beobachtet, aber in dem besagten Zeitraum hatte sie klare Beispiele säugetierhafter Männlichkeit kaum zu Gesicht bekommen und war von jeglicher Vorstellung oder Möglichkeit sexueller Funktion unberührt geblieben (…).
Ada, 138
Dies ändert sich nun unmittelbar, und zwar in einer der ganz großen Szenen der ersten 250 Seiten. Es ist von erotisch bezwingender Innenlogik, daß ihr Rahmen der eines Brandes ist: Auf Ardis Hall hat die „herrschaftlich“ genannte Scheune Feuer gefangen, brennt schon, gewaltig lodernd, lichterloh, und alles, alles rennt aufgeregt hin.
Nur die beiden Kinder nicht.
Die Schotten-Toga um sich geschlungen [darunter ist er nackt, weil er so zu schlafen pflegt, ANH], begleitete Van seinen schwarzen Doppelgänger [also seinen Schatten, ANH] die Zusatz-Wendeltreppe hinab, die zur Bibliothek führte. Er stützte ein bloßes Knie auf den zottigen Divan unterhalb des Fensters und zog die schweren roten Vorhänge zurück.
Ada, 143
Als wenig später auch Ada dort erscheint,
in ihrem langen Nachthemd mit einer brennenden Kerze in einer Hand und einem Schuh in der anderen (…), als ob sie den verspäteten Ignicolisten [i.e. den Helfern und Gaffern, ANH] nachschlich. Doch es war nur ihre Spiegelung in der Scheibe. Sie ließ den aufgelesenen Schuh in den Papierkorb fallen und kniete sich neben Van auf den Divan.
„Kann man irgend etwas sehen, oh, kann man`s sehen?“ wiederholte das dunkelhaarige Kind dauernd, und hundert Scheunen loderten auf in ihren bernstein-schwarzen Augen (…).
Ada, 145
Irgendwann hat er eine Hand zwischen ihr Gesäß und ihre Fersen gschoben, auf denen sie sitzt, jedenfalls saß; jetzt nämlich tut sie’s zu Teilen auf ihr. Als sie — draußen der Brand scheint gelöscht zu sein, hat sich in diesen beiden Kindern versteckt — die Wölbung seiner Erregung bemerkt:
Oh, Van,
kommentiert sehr viel später die schon alte Frau ihres Geliebten Manuskript,
in jener Nach, in jenem Augenblick, da wir Seite an Seite im Kerzenlicht knieten wie Betende Kinder auf einem sehr üblen Bild,
typischer Nabokov: Er beschwört herauf, was er als Dichter als zu Banales vewirft
und zwei Paar weichfaltige, einstmals Baumtier-Sohlen zeigten (…), wollte ich dich (…) unbedingt um eine kleine, rein wissenschaftliche Auskunft bitten, weil mein heimlicher Blick —
Nicht jetzt, jetzt ist es kein schöner Anblick, und es wird gleich noch schlimmer werden (oder Worte in dieser Richtung).
Van konnte nicht entscheiden, ob sie wirklich äuerst unwissend und so rein war wie der – nun seiner Feuerfarbe beraubte – Nachthimmel, oder ob völlige Erfahrenheit ihr riet, sich ein kaltes Spiel zu erlauben (…).
Sie bestand darauf: möchtgernfragen, möchtgernwissen —
(…)
„Möchtgernwissen“, widerholte sie, als er gierig sein heißes, blasses Ziel erreicht.
„Ich möchte dich gern fragen“, sagte sie ganz deutlich, aber auch ganz außer sich, denn seine aufwärtswühlende Hand hatte sich unter der Achelhöhle hindurch einen Weg gebahnt, und sein Daumen auf einem Brustwärzchen ließ ihren Gaumen prickeln (…).
Ada, 147/148
So daß er sich ihr endlich öffnet, die Toga also öffnet.
„Ach je“, sagte sie wie ein Kind zum anderen. „Es ist ganz gehäutet und roh. Tut es weh? Tut es schrecklich weh?“
„Faß an, schnell“, flehte er.
„Van, armer Van“, sprach sie weiter mit jenem kleinen Stimmchen, mit dem das süße Mädchen zu Katzen, Raupen, sich verpuppenden Welpen sprach, „ja, ich bin sicher, daß es schmerzt, würde es helfen, wenn ich anfaßte, bist du sicher?
„Und ob!“ sagte Van. „On n’est pas bêtes à ce point.“
Ada, 149
Und nun wird es so schön, daß das Märchenhafte an allem zur pursten Konkretion wird, und achten Sie, Geliebte darauf, wie die gleich zu lesende ironische Benennung Adas die Intensität des Geschehens noch auflädt:
„Relief-Karte“, sagte die Primel-Pedantin, „die Flüsse Afrikas.“ Ihr Zeigerfinger folgte dem blauen Nil hinab in seinen Dschungel und wanderte wieder nach oben. „Und was ist das hier? Der Hut vom Roten Boletus ist nicht halb so samtig. Wirklich (regelrecht daherplappernd), ich fühle ich an die Geranien- oder eher an die Pelargonienknospe erinnert.“
„Gott, wer wohl nicht“, sagte Van.
„Oh, ich mag diese Textur, Van, ich mag sie! Ganz bestimmt!“
Ada, ebda.
Fortan kommen die zwei zueinander, wann immer es geht. Und obwohl, wie der alte Diener Boutteillan bemerkt, die Winde der Wildnis indiskret seien, gibt es nur eine einzige Person, die diese Liebe wirklich bemerkt, sie jedenfalls spürt: Lucette, Adas kleine Schwester. Doch dazu dann im nächsten Teil. Hier alleine noch — denn der Sommer auf Ardis geht nun zuende —, weil der Dialog erneut die Charaktere unseres Paares aus dem Rauch der, selbst wenn gebildet, allgemeinen (smalltalkenden, sich an glittrigen Oberflächen und Luxus delektierenden) Tumbheit aufflammen läßt … allein also noch, mit welchen Worten Ada ihren längst nicht mehr Knabengeliebten aus beider sinnlichem Bullerbü auf seine Frage hin entläßt, ob sie ihm auch treu bleiben werde:
„Ich weiß es nicht. Ich bete dich an. Ich werde nie im Leben wieder jemanden so lieben, wie ich dich anbete, niemals und nirgendwo, weder in Ewigkeit noch auf Erdigkeit, weder in Ladore noch auf Terra, wohin angeblich unsere Seelen wandern. Aber! Aber, mein Liebster, mein Van, ich bin körperlich, furchtbar körperlich, ich weiß nicht, ich bin offen, qu’y puis je? O Lieber, frag mich nicht, in einer Schule ist ein Mädchen, das in mich verliebt ist, ich weiß nicht, was ich rede —“
Ada, 196
Die Antwort darauf:
„Die Mädchen zählen nicht“, sagte Van, „die Knaben sind’s, die ich umbringe, falls sie in deine Nähe kommen. Gestern abend habe ich versucht, ein Gedicht für dich zu machen, aber ich kann keine Verse schreeiben; es fängt an, fängt nur an: Ada, our ardors and arbors — aber der Rest ist völliger Nebel, versuch, dir den Rest auszudenken.“
Ada, ebda.
Und ohne sich umzusehen, geht er fort — floh er, wie Nabokov schreibt.
Ihr ANH
P.S.: Er wird zurückkommen, ja. Das, Geliebte, verspreche ich Ihnen.
>>>> Nabokov lesen 40
Nabokov lesen 38 <<<<
Ada 0.3 <<<<
Lederstrumpf I
>>>> Lederstrumpf II
Wow – dauert etwas – dieses Hineinlesen – das Thema ist spannend, schon weil es mit dieser schämigen Verklemmtheit (der meisten Leser?) spielt – so zwischendurch wird dieser „Zauber“ in dieser „ersten“ Begegnung von unerfahrenen jungen Menschen, die sich ja gegenseitig beim „erotischen Erwachen“ , scheu aber dennoch konsequent begleiten, gestört durch eine – wie ich finde – nicht besonders farbige deutsche Übersetzung – vielleicht reagierten deshalb auch einige Kritiker so primitiv-banal – jetzt soll ich ein Beispiel bringen? – Moment – sagen wir mal so, in der o.a. Betrachtung werden mindestens 2 gegensätzliche „Schwingungen“ deutlich; lässt man sich auf die “ sinnlichere Schwingung “ ein, holt einen die Übersetzung komplett aus dem Zauber wieder raus – echt heftig – nur ein Beispiel: „Ich kann dir meine Zunge leihen“, sagte sie und tat’s.
——-„Eine große, gekochte Erdbeere, noch sehr heiß. Er saugte ein, soweit er konnte. Er preßte sie an sich und …….Ada, 129———-oh ne —–seit wann kocht man Erdbeeren? – Und vor allen Dingen wie sehn die dann aus, eklig, matschig…auch im übertragenen Sinne, vergeht einem da die Lust…Und an “ sich pressen“…auspressen wie eine Zitrone? (tschuldigung) – – also, wenn da nicht der Zauber schwindet—ich mach mir mal GedankenGefühle, möglicherweise finde ich etwas, was den Zauber zurückbringt – lach – RIvS
Dieses „Ich kann dir meine Zunge leihen“ erlebe ich völlig anders als Sie – nämlich als hinreißend provokativ, damit als Test, ob er sich einläßt. Bei der Erdbeere bin ich mir allerdings unsicher, ich habe das englischsprachige Original nicht und kenne auch nicht die Neuausgabe des Romans von 2010, über die korrigierend sicher Dieter. E. Zmmmer noch einmal gegangen sein wird. Doch wenn wir das Bild nicht konkret, sondern als Empfindung nehmen, läßt es sich, meine ich, vertreten: In die „Erdbeere“ kommt etwas hinein, das sie so zwar nicht hat, nicht haben kann, und erst recht gekocht – aber was wir bei einem Zungenkuß, zumal einem so intensiven, daß er den Gaumen nachdrücklich mit einbezieht, ebenso „außer acht“ lassen, nämlich die Zunge als Zunge; sie wird vielmehr spür- und empfindbare Metapher, nicht anders als es die gekochte Erdbeere hier ist.
Aber in der Tat, ich muß es mir im Original ansehn.
– Doch schaun Sie mal, ich fand gerade etwas im Netz, da:
Ebenso >>>> dort. Ganz so abwegig ist die Fantasie also nicht.
ja, den Satz mit jenem Inhalt: …Zunge leihen…den benutzte ich nur für die Einleitung…ich habe genug Phantasie mir alles vorzustellen, allein das „sprachliche Bild“ vermittelt einfach nicht diese „fast animalische“ Sinnlichkeit, die ich meine – anders kann ich das leider nicht erklären …und danke für das Foto, toll gemacht – Aber: – wo ist denn der sinnliche Speichelfaden, wo das ganze drumherum was echten Appetit macht? was einen „innerlich und äußerlich „antriggert“ (mal salopp formuliert) ? Geht Ihnen das nicht ähnlich? Wundert mich…..ich meine, klar, es ist ein Foto, was eben auch so sein soll, sauber, alles wegretuschiert, was „stört“…in der Werbung mag das gewollt sein, als „Kunst“ jedoch, falls dieses Bild überhaupt diesen Anspruch erhebt, finde ich das mega-langweilig… ….damals , als ich in einem Fotoclub rumgeisterte kam es jedes mal wenn es um Porträt- oder Aktfotografie ging, zu Riesendiskussionen , weil die Verbindung zwischen Modell und Fotograf bei den meisten nicht sichtbar und somit nicht fühlbar wurde…… ist ja jetzt auch vollkommen egal…bin gespannt, wie es weitergeht mit ADA – wahnsinnig gerne möchte ich wissen, ob der Herr Dieter E. Zimmer auch an einer Übersetzung dieses Buches gearbeitet hat — mir fällt hierzu James Joyce Penelope/ Ulysses ein- dieses letzte Kapital wurde übersetzt von Georg Goyert, eben so von Hans Wollschläger – ich bevorzuge die Übersetzung von Wollschläger, weil sie geschmeidiger daher kommt. Suhrkamp hat geschickterweise beide Übersetzungen mit abdrucken lassen…RIvS
PS: Danke für Ihre Zeit…
„A large boiled strawberry, still very hot. He sucked it in as far as it would go. He held her close and lapped her palate. Their chins got thoroughly wet. ‚Hanky‘, she said, and informally slipped her hand into his trouser pocket, but withdrew it quickly, and had him give it himself. No comment.“