Frühling von Sottoripa. Eugenio Montale, Mottetto uno. Zweiter Übersetzungsversuch (ANH).


Mottetto I

Lo sai: debbo reperderti e non posso. 12
Come un tiro aggiustato mi sommuove
14
ogni opera, ogni grido e anche lo spiro
15
salino che straripa
7
dai moli e fa l’oscura primavera
12
di Sottoripa.
5

Paese di ferrame e alberature 13
a selva nella polvere del vespro.
11
Un ronzìo lungo viene dall’aperto,
12
strazia com’unghia ai vertri. Cerco il segno
14
smarrito, il pegno solo ch’ebbi in grazia
13
da te.
2
E l’inferno è certo.           
7

Erste Mottette

Du weißt: ich muß dich neu verlieren und kann’s nicht. 12
Jedes Werk beunruhigt mich wie Schüsse, die ihr Ziel 14
verfehlten, wie jedes laute Rufen und sogar der Hauch 15
des Salzes, der über die 7
Mole hinaussprüht und den Frühling verdunkelt 12
von Sottoripa. 5

Landschaft des Eisens und der ragenden Masten 13
ein von Tagwerk allabends staubiger Wald. 11
Von draußen her ein langgezogenes Sirren, quälend, 12
wie ein Nagel auf Glas kreißt. Mein Blick irrt nach Zeichen, 14
verborgnen, einem einzigen Hinweis, du seist mir 13
noch hold. 2
           So ist die Hölle gewiß. 7


Erster Versuch,
auf den sich
>>>> Parallalies Kritik bezog, vom 17.7.:

Du weißt: ich muß dich neu verlieren und kann’s nicht. 12
Wie eine ungenaue Schußbahn beunruhigt mich 14
ein jedes Werk, jedes laute Rufen und sogar der Hauch 15
des Salzes, der über die 7
Mole hinaussprüht und den Frühling verdunkelt 12
von Sottoripa. 5

Landschaft des Eisens und der ragenden Masten 13
in einem von Andächten staubigen Wald. 11
Von draußen quält mich ein langgezognes Summen, 12
das wie ein Nagel auf Glas kreißt. Ich schaue nach Zeichen, 14
verlornen, einem einzigen Hinweis der Gnade 13
von dir. 2
           Und die Hölle ist gewiß. 7

5 thoughts on “Frühling von Sottoripa. Eugenio Montale, Mottetto uno. Zweiter Übersetzungsversuch (ANH).

  1. “certo”. Anders als >>>> Ferber, mit dessen Übersetzungen ich immer vergleiche, habe ich mich bei “certo” für “gewiß” entschieden, nicht wie dieser für “sicher”, denn darin schwingt ein “(di) sicuro” mit, das “ganz certo” nicht gemeint ist. Sicher, im Sinn von ungefährdend, ist die Hölle gewiß nicht.

  2. kann ich eben doch nicht umhin, kritisch anzumerken:
    “tiro aggiustato” – der adjustierte, der gezielte schuß (wie als gezielter schuß mich ein jedes werk aufwiegelt – nur schnell hinskizziert)
    “alberature a selva” – die wie ein wald dastehenden masten (mast an mast wie baum an baum) – auch “ferrame”: ist ein kollektivum wie gedöns, gelumpe und was noch mit ge- vorkommt, vielleicht “eisenkram”.
    “polvere del vespro” – ganz sicher nicht der von andächtigen staubige wald, sondern schlicht ‘abendstaub’, ‘staub der vesperstunde’, andacht seh’ ich nicht, was sich zur abendstunde in staub auflöst, oder asche, wenn’s am himmel brennt (mitnichten ein religiöses gedicht)
    “ronzio” – eher die lästige drohne oder riesenfliege, die ab und mit dem fensterglas kollidiert, ok hier von außen. (knirscht/kreischt/kreißt an den scheiben wie fingernägel?)
    “cerco il segno smarrito, il pegno solo ch’ebbi in grazia da te” – “pegno” ist “pfand”. das einzige zeichen, das ich als unterpfand von dir empfangen… ohne “gnade” zu verwenden, ebenfalls zu religiös wie “andacht”. die “hölle” ist’s nicht, da wird ein italiener wohl immer an Dante denken und an die aufschrift des eingangs: “lasciate ogni speranza voi ch’entrate”.

    1. @parallalie, danke. Kurz im einzelnen:

      “tiro aggiustato” – es muß aber der Schuß sein, den man noch zielt. Ist er schon abgegeben, k a n n er ja nicht mehr nervös machen/beunruhigen. Deshalb wählte ich Schußbahn, etwa die von kleinen Kanonen, deren Feuerwinkel nachgestellt werden kann.

      “alberature a selva” – das sah ich auch, nur daß, “polvere del vespro”, „vom Abend staubig“ auch wenig sinnvoll ist; eher staubig am Abend vom (quasi industriellen) Werken des Tags; ich dachte an die plötzliche Ruhe nach dem Tagwerk, deshalb – „vespro“ ist ja auch die Abendandacht – meine Entscheidung. Indessen scheint mir „Land des Eisens“ den Eisenkram zu enthalten (Ferber macht aus der Zeile Eisen- und Holzmasten, was mir zu eingeschränkt erschien). Aber die Idee, den aufgewirbelten Staub mit dem deshalb besonders rot glühenden Abendlicht (Dein „wenn‘s am Himmel brennt“!) zu verbinden, ist möglicherweise der Weg.

      „ronzio” – ja, das „Summen“ hat mich auch noch die ganze Zeit gestört, nur war genau das die Übersetzung von „ronzio“ (bei Montale tatsächlich mit „ì“); ich hätte tatsächlich gerne „Dröhnen“ geschrieben oder ähnliches weil einem „Summen“ die Quälerei nicht abzunehmen ist, die es offenbar auslöst. – Das Bild mit dem Fingernagel ist dabei klar; Pound folgend müßte man hier das deutsche Idiom „mit dem Fingernagel an der Wandtafel“ hernehmen.

      Über die „pegna“-Zeilen habe ich lange nachgedacht. Während ich „Hölle“ gar nicht religiös sehe hier, sondern als die Hölle im vergeblich Liebenden, der eben im dauernd schmerzenden Verlust lebt – und diese Hölle wird von der industriellen Außenwelt, quasi materialisierend, gespiegelt: Das lyrische Ich erkennt sie in ihr. – Allerdings öffnet Montale einen – zumindest quasi- – religiösen Akzent selbst, sogar einen überaus deutlichen, nämlich durch seine Titelgebung (mottetti).

      In dem Sinn geh ich noch mal dran und schreibe nachher um.

      “lasciate ogni speranza voi ch’entrate”: wäre ein Lesart:: sich überhaupt auf Liebe einzulassen; wer‘s tut, der lasse alle Hoffnung fahren.)

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