In >>>> Volltext ist zu >>>> Argo die erste gedruckte Kritik erschienen: Eine Achterbahnfahrt der Imaginationen von Christoph Jürgensen; im übrigen spielte dieser Abschluß der riesigen Anderswelt-Trilogie auf der Buchmesse Frankfurt am Main nicht die geringste Rolle, kam quasi nicht vor, weder in der Berichterstattung, noch überhaupt im „allgemeinen“ Bewußtsein. Gemessen an der Aufmerksamkeit von Medien und Publikum ist der Roman geheim erschienen, man könnte sagen: apokryph. Für mich ein eigenartiges Fakt, das, auch, etwas Auserwähltes hat: Eines, das nicht „genannt“ werden darf.
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Noch einmal, nachher, ein letzter Gang über die Messe, tschüßsagen hier und da, nach Büchern für die Kinder schauen, dann zum Hauptbahnhof in den Zug: >>>> START-Seminar in Neuss. Auf der Fahrt dorthin wieder >>>> Neapel: die Schnitte vom Montag abhören; am nun kommenden Montag beginnt die Produktion. Dazu gleich noch einen Brief schreiben. Auch wegen des Europaprojekts läuft parallel zur Messe die Korrespondenz: eben deshalb bin ich heute wieder einmal so früh auf, um Viertel vor fünf aus dem Bett.
(5.58 Uhr.)
Alle nötigen Briefe geschrieben; jetzt packen und dann noch einmal zur Messe und gleich von dort aus, mittags, zum Bahnhof.
(7.36 Uhr).
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(7.36 Uhr).
Im Strudel Es ist leider nicht so, dass Einer zu einer besonderen Rolle „auserwählt“ sei, wenn er keine Erwähnung findet. Nicht erwähnt zu werden ist der Normalfall. Zumal im Strudel der Buchmesse spürt man das doch, auf was für einen Ozean die Schriftsteller ihre Paddelboote aussetzen. Ich dachte gestern: Wer meint noch, unbedingt etwas schreiben zu müssen? Es ist genug. So viel, aus allen Ländern. Kleinste Auflagen, die dann auch nicht verkauft werden.
Interessant wäre zu beobachten, was in diesen Jahren nach vorne rückt und woran unsere Zeit kein Interesse hat. Es ist ja nicht so, dass es in der Literatur keine Mode gäbe. Die Prozesse, wie heute, unter der Vorherrschaft des TV, der Nachrangigkeit der klassischen Literaturkritik, dem Rückbau des Buchhandels, dem weiteren Hypertrophieren des Buch- & Autorenmarketings und der Diktatur der „Verbraucherbewertungen“, die Schnittmusterbögen entstehen, haben sich zudem auch verändert. Ich kenne Ihr Buch noch nicht, aber wenn es nicht dieses gewisse Parfüm enthält, das Leserinnen anzieht – dann „riechen“ das inzwischen auch die Vermittler und Erwähner, dass dem Buch das fehlt, was in dieser Zeit en vogue ist. Vielleicht irre ich mich, aber die Art und Weise, wie inzwischen erfolgreich sein mit Literatur verwechselt wird, war meiner Ansicht nach vor einigen Jahren noch nicht so vorherrschend. Ich habe auch den Eindruck, dass die Leidenschaft fürs Entdecken ausgetauscht wurde gegen die Strategie, vor allem immer das für erwähnenswert zu halten, was den Lesern schon bekannt ist und bei ihnen „gut ankommt“. So wird der Flaschenhals enger und enger.
@Fritz Iversen. Daran ist tatsächlich einiges. Allerdings, wenn wir zurückblicken, war es früher nicht unähnlich. Man muß sich nur einmal anschauen, was zu Kafkas Zeiten Bestseller waren; er selbst war durchaus keiner. Ähnlich übrigens auch in der französischen Literatur: Eine der heutigen geradezu Ikonen des poetischen Surrealismus, ich meine Aragons „Le paysan de Paris“, hat sich die ersten fünfzehn Jahre lang mit ungefähr 100 Exemplaren pro Jahr verkauft: die Bedeutung dieses Buches wurde erst sehr viel später bewußt. Und das wahrscheinlich – ästhetisch – bedeutendste Buch Th. Manns wird bis heute kaum gekauft: die Josephs-Romane; ähnlich übrigens Nabokovs >>>> Ada , um von Döblins wirklich großen Romanen besser g a n z zu schweigen. Ich bin mir durchaus bewußt, daß zum Beispiel für Argo ganz Ähnliches gelten könnte.
(Es ist eine wirklich nicht unwitzige Bizarrerie, daß der Eindruck, heutzutage werde mehr geschrieben als gelesen, nicht ohne scharfen Realitätsgrund ist.)
—> Passend dazu Gary Shteyngart 2011 in der FAZ: „Wahrscheinlich wird es irgendwann mehr Leute geben, die Romane schreiben, als solche, die sie lesen – so ist das ja heute schon bei Gedichten.“