[Arbeitswohnung.]
Erst um Viertel vor fünf hochgekommen, also erst um elf nach fünf an meiner Arbeit. Ich tu erst mal was, bevor ich hier mehr schreibe.
8.16 Uhr:
[Lutosławski, Konzert für Orchester.]
Bis eben Korrekturen übertragen; jetzt mal kurz einhalten damit, um den nächsten Giacomo Joyce vorzubereiten. Ich falle immer tiefer in Lutosławski. Das ist eine der Stärken >>>> solcher Konzerte, daß man anfangen will, sich in etwas Neues einzuhören – nicht ganz neu, nein, aber neu als Grund für eine neue Besessenheit. Manchmal brauche ich den Funken, denn ich stöbere nicht mehr, wie früher ausgebig getan, auf den Grabbeltischen herum, von denen ich, in der Musik wie in der Dichtung, >>>> meine wichtigsten Einflüsse bezog. Nein, das Prägungen-Projekt habe ich nicht vergessen. Manches bleibt aber liegen und wird erst Monate, manchmal Jahre später wieder aufgenommen, um seinen Abschluß zu finden. Romanciers denken (und fühlen) in sehr weiten Bögen. Das gilt auch für ihr Leben. Ich kann persönliche Rechnungen sehr gut erst nach Jahrzehnten begleichen. Auch Romane können etwas von Zeitbomben haben. Manchmal liegen sie vergessen unter der Erde, Schutt drauf, Erde drüber, alles neu bewachsen. Doch jemand, aus irgend einem Grund, gräbt. Findet sie. Dann muß das ganze Gebiet abgesperrt werden, um sie zu entschärfen.
Kurz schaute eben mein Junge herein, weil er Geld für das Französischbuch brauchte. Teuer ist er geworden. Als ich ihm das gestern sagte, erwiderte er, und zwar ohne jedes Zögern: „Daran siehst du, Papa, daß ich lebe.“ Was mich sofort überzeugt hat. Sogar davon, ihm einen neuen Computer zu kaufen, obwohl er doch grad zu Weihnachten den Laptop bekam; da reicht aber der Prozessor für ein bestimmten Spiel nicht. Ich stehe Computerspielen skeptisch bis ablehnend gegenüber, was der Bursche weiß. Deshalb fragte er nicht direkt, sondern schrieb eine lange, mit entsprechendem Link versehene Email, die man schon einen Brief nennen muß. Nicht der, sondern die Schlagfertigkeit dieser Replik hat meinen Widerstand gebrochen. Jetzt muß ich gucken, wie man‘s finanziert.
Nachmittags, um drei, nächste Nachuntersuchung des >>>> operierten Auges. Nein, ich bin gar nicht zufrieden, habe immer noch einen Schleier, als würde auf ein Glas gehaucht, darüber. Die Nahsicht ist seit der OP deutlich besser geworden, die Fernsicht aber schlechter als vorher. Ärgerlich. Kann aber sein, daß das zum Heilprozeß gehört; in den Informationsseiten steht, daß man bis zu sechs Wochen Rekonvaleszenz hat. Mal abwarten, was mir die Ärztin sagen wird. Wie sie das einschätzt. Ich bin aber nicht wirklich behindert, es ist nur etwas lästig. Hab schon nach allen möglichen logisch-physikalischen Erklärungen gesucht.
Jetzt erst mal der Joyce. Dann weiter mit den Korrektur-Übertragungen. Und ich warte dringend, von den >>>> Kulturmaschinen, auf die Datei der Essays, damit ich das doch längst erledigte Lektorat einarbeiten kann und das Ding zu Satz und Druck hinausgehen kann.
16.16 Uhr:
Von der Augenärztin zurück. Die Messungen ergeben nicht, was ich sehe, sondern volle 100 % Sehstärke auf dem operierten Auge. Schwankungen seien aber in den ersten sechs Wochen nach der OP normal, ich solle mich nicht beunruhigen. Vor allem immer wieder Tränenflüssigkeit nachtropfen, das sei nach einer Lasik sehr wichtig in den ersten Wochen.
Es war aber auch wirklich so: die Zahlen auf der Sichtscheibe konnte ich sehr gut entziffern, momentlang; momentlang war wieder alles verschmiert, momentlang war es wieder gut. Vielleicht muß sich auch der Hirn erst gewöhnen. Bei besonderer Konzentration geht es ja auch, was rein physisch sonst nicht zu erklären wär. Gut, ich faß mich in Geduld. Normalerweise nicht meine Stärke. Dritte Nachuntersuchung am 8. Oktober, da haben wir dann leider schon den Herbst. Also habe ich Kohlen bestellt, die übermorgen geliefert werden. – Gleich wird mein Junge fürs Cello hiersein, abends fahr ich noch mal zur Familie hinüber, vielleicht von dort aus in >>>> die Bar. Erst einmal geht‘s mit den Korrekturen weiter.
Der neue Joyce >>>> steht drin. Heut ist‘s da aber ruhig.
Hab jetzt. Alle Häßlichkeiten gelöscht, die Sumuze und ich ausgetauscht haben. Das Ganze war restlos überflüssig. Pardon dafür.