16.41 Uhr:
[ICE Berlin-Hamburg.]
Immer wieder finde ich es erstaunlich, mit welch einer Chuzpe, ja Anmaßung >>>> solche Kritiker meiner Arbeit auf meinen eigenen Sites in Erscheinung treten. Das so etwas so nur anonym vonstatten geht, kommt mir unterdessen geradezu schon selbstverständlich vor. Dabei sind es gar nicht so sehr Inhalt und Richtung, ja nicht einmal die oft dahinterstehende ästhetische Ideologie, was indiskutabel ist, sondern es ist vor allem der Ton, dessen man sich bedient. Im Falle des/r verlinkten Eisens etwa kann ein nur vorübereilender Leser den Eindruck gewinnen, >>>> hier spreche ein ästhetisch höchst erfahrener, vielleicht gar väterlich gesonnener Mensch zu einem ganz jungen, der gerad damit anhebt, seine ersten Erfahrungen zu sammeln, und man möcht ihn nun gerne vor Fehlern bewahren, die man einstmals vielleicht selber gemacht. „Sehen Sie, Herr Herbst, das ist eben das, was Sie noch lernen müssen.” Ja, daß es sich bei ANH um einen Mann von fünf-, fast sechsundfünfzig handelt, also um einen, der nicht nur auf die Sechzig zugeht, sondern mehr als die Hälfte dieser Jahre geradzu unausgesetzt publiziert hat – weit weit mehr als die meisten seiner Generation -, der überdies seinerseits längst Dozenturen und Lehraufträge bekleidete, eben, w e i l dieses Werk vorliegt, zudem auch die Fragmente einer dazugehörenden ästhetische Theorie, – von alledem wird getan, als wär es nicht gewesen und wäre nicht auch weiterhin; kurz: was in solchen „Kritiken” wie denen Eisens mehr als der inhaltliche Dispens zum Ausdruck kommt und aus suggestiven Gründen wohl auch kommen s o l l, ist allem voran das Fehlen von Respekt, und zwar nicht nur gegenüber dem Geleisteten, sondern vor allem gegenüber der Person. Sie ist es, die man beschädigen will. Denn wirkliche Argumente werden doch niemals genannt. Ja, einige Gegner befleißigen sich einer so sachlich falschen wie üblen Nachrede, daß einem schon klar ist, weshalb sie anonym bleiben wollen und müssen: >>>> Die meinem Werk gewidmete Ausgabe der horen etwa nennt das anonyme Eisen „freundschaftskonnotiert”, was ein heftiger Angriff auf die wissenschaftliche Seriosität der dortigen Beiträger ist und auch sein soll; mehr als die Hälfte der Beiträger sind mir persönlich gar nicht näher bekannt. Statt also sachliche Auseinandersetzung greift bei Leuten wie Eisenalleine Rhetorik:„Wenn ich collagiere, brauche ich eine formleitende Idee.“ – das sprechen Sie sich noch ein ein paar mal vor.Ja, ich brauche diese Idee, und ich habe sie. Längst. Es scheint unendlich skandalös zu sein, wenn jemand unmaskiert und unbedeckt öffentlich nachdenkt. Mag sein, daß mancher das peinlich findet; nur ist das sicher nicht m e i n Problem, sondern eines, das Leute haben, denen ihr (An)Scheinen wichtiger als ihr Leben ist. Daß mir das anders geht, ja der zumal gesellschaftliche Anschein etwas ist, auf das ich, mit Verlaub, kacke, und zwar prinzipiell, das potenziert den Skandal.
Übrigens gilt ganz Ähnliches für die Form. Daß, wie Eisen – in einer vermeintlich anderen Richtung als der meinen – durchaus devot schreibt, Schönberg habe „für alle Nichtmusiker so deutliche worte zum verhältnis von stil und gedanke geschrieben”, daß sie/er das hier nicht „ausbreiten” möge, mag ja nun sein. Wenn aber ich etwas anderes als Schönberg dächte, schriebe ich rein nach eigenem künstlerischen Gewissen. Ich brauche keinen zum Gegenlehnen, jedenfalls nicht mehr seit Jahren, und andere, vielmehr, lehnen sich an mich.
Bin jetzt nach Hamburg unterwegs; ich möge bitte, mailte mir >>>> Vergil, bis Altona durchfahren. Dort holten er und – da hielt ich momentlang den Atem an – Ayana mich ab. „Woraufhin” hätt ich jetzt fast geschrieben, aber diese Kausaltät entstammt wohl alleine der Sukzession, die Samarkandin anrief, um mir mitzuteilen, daß auch sie dort in Hamburg sei und Ayana wie den Vergil zum Bahnhof und die Nacht hindurch begleiten werde.
Seit morgens um sechs war ich auf, kam aber mit Text nicht recht weiter, und zwar so sehr nicht recht, daß ich mich ermüdet bereits wieder um halb zwölf mittags schlafen legte. Für eine Stunde. Der übrige Tag verstrich mit Schneidearbeiten für die Musiken, die ich >>>> bei dem Romantikhörstück verwenden will; nicht alle freilich werden es sein, einige andere werden dazukommen. Schon, weil es einigen auch M u t macht, daß es unkorrmpierbare Menschen wie mich gibt, die sich auch g e g e n die jeweiligen Moden und Mächte durchsetzen, die grade bleiben dabei und sich niemandem und an nichts anpassen, das ihnen zuwiderläuft. Auch meinen Lesern paß ich mich nicht an. Und so wird es bleiben.
22.46 Uhr:
[Casa Leda, Hamburg.]
Nicht viel Zeit jetzt, auch keine Lust auf Die Dschungel. Sondern eine andere Lust. >>>> Ayana, die Samarkandin – und auch noch die drei… nein, später vielleicht. Vielleicht morgen. Ich will nur eben, geneigte Leserin, den pseudo-eisernen Blödsinn löschen. Denn denunziante Häßlichkeiten machen ihn nicht härter.