Bedrohungen & Lust: Arbeitsjournal. Montag, der 19. April 2010. Mit einigen Bemerkungen zur Restaurationszeit und dem poetischen Terrorismus.

6.53 Uhr:
An >>>> Cellini, soeben, Email:Mir hat nachts die Löwin von den Kommentaren erzählt. Ich hätte heute morgen herausgelöscht. Nicht zu schreiben, um welches Buch es geht, finde ich falsch, gerade auf einer Autoren-Site. Wenn nicht einmal hier darüber gesprochen werden darf und kann, dann habe ich als Dichter eigentlich verloren – jedenfalls in diesem Leben. Hab lange mit der Löwin nachts noch drüber telefoniert. Man versucht es ja jetzt bei Amazon ebenfalls, denken Sie an diesen Meere-Kommentar. Das Ganze geht so, seit ich zum ersten Mal den Literaturbetrieb betrat; imgrunde ging es aber schon in der Schule so. Ich mußte gar nichts Furchtbares tun, ich mußte einfach nur irgendwo auftauchen, schon versuchte man, mich zu ducken. Das geht nun viereinhalb Jahrzehnte so, und seit ich Schriftsteller geworden bin, versucht es, mir die Existenzgrundlagen zu entziehen. “Daß du darüber nicht völlig depressiv geworden bist, ist ein Wunder”, sagte die Löwin, “daß du trotzdem immer noch gerne lebst, und zwar so enorm gerne und deutlich gerne lebst.”
Selbstverständlich, ich habe auch Freunde, gar keine Frage, und Leute, die meine Arbeit schätzen. Aber die anderen sind mehr, vor allem lauter, und sie haben unterdessen auch Macht.

Es gibt die Freunde, es gibt die Frauen. Eine besondere Rolle hat die Musik, sie ist permanenter Kraftquell, quasi unentwegt. Die Verstimmungen sind selten, man kann sich Verstimmung nicht leisten, wenn man im Kampf steht. „Es k a n n doch nicht nur meine Literatur sein, es kann doch nicht nur sein, daß sie provoziert und daß ich provoziere, weil ich mich nicht vereinnahmen lasse, weil ich de facto nicht beugbar, also nicht korrupt, bin. Daß ich das nicht bin, scheint als heftiger Lebensvorwurf empfunden zu werden. Meine Güte, wie haben denn Leute wie Einar Schleef provoziert, wie hat Schlingensief, hat Castorf provoziert… Aber weißt du, es gibt da einen Satz meiner Mutter… sie hat ihn oft gesagt: ‚Jeder Mensch ist käuflich, es kommt lediglich auf die Höhe des Betrages an.’ Ich war ein Junge, als sie ihn zum ersten Mal sagte, und ich dachte damals sofort: ‚Nein’. Böte man mir eine Million für etwas, das ich nicht tun will, das ich für falsch halte, ich lehnte es ab. Etwas anderes wäre es, würden Menschen, die ich liebe, mit dem Tod bedroht. Dann knickte ich ein, ganz sicher, aber wirklich erst dann. Das wäre dann aber kein Korruptsein, sondern eine Handlung aus der Not. Es sind immer d i e s e Fragen, die ich mir stelle.” „Das allein ist es aber nicht. Es kommt dazu, wie offen du deine Männlichkeit zeigst, wie offen du damit umgehst, gerne Mann zu sein. So etwas darf man in Deutschland nicht zeigen. In englischsprachigen Ländern, vor allem in romanischen wäre das gar kein Problem, aber in Deutschland. Man soll zeigen, wie schuldig man sich fühlt, wie sehr man unter der schlechten Welt leidet. Und dann dieser ganze BDSM-Komplex, über den du auch immer offen sprichst…” „Na dann lies mal >>>> Hettche, lies mal >>>> Nox! Da ist das doch auch alles drin.” „Aber es wird vom Leben weggehalten, es ist da reine Literatur, erlaubt keinen Rückschluß aufs Persönliche, es ist nur Buch. Bei dir aber gibt es das Arbeitsjournal, das immer wieder zu persönlichen Rückschlüssen lockt. Du verwischst die Grenzen zwischen Kunst und Realität, so daß Leser davon ausgehen müssen, daß du das auch lebst, was du schreibst.” „Das tue ich. Aber andere tun es auch.” „Ja, aber die sind nicht unbedingt Schriftsteller, und wenn sie es sind, sind sie nicht unbedingt auf Kampf aus, sondern es gibt doch immer noch einen Vorhang, den man vorziehen kann und wirklich auch vorzieht. Du aber redest offen darüber und sagst auch noch, daß dir dein Leben Freude bereitet, daß du Lust dabei hast.”
Abends diskutierten wir den Absagebrief eines Verlages, den ich erhalten habe; es ging um das >>>> Melusine-Walser-Projekt. Eigner war dabei, der Profi, ein Literaturwissenschaftler, ein Maler. Wir diskutierten bis spät in die Nacht, ich brach erst gegen eins von >>>> der Bar zur Arbeitswohnung wieder auf. „Sie zeigen”, sagte der Literaturwissenschaftler, „keine Reue in Ihrem Buch. Das wirft Ihnen der Lektor vor. Sie nehmen keine Position ein, die der gesellschaftlichen Correctness entspricht, Sie sagen nicht einmal: Ich hätte anders handeln müssen.” „Ich sage g a r nichts darüber, ich stelle einfach nur dar, wie es war, wie es in der Geschichte ist, wie diese Geschichte es braucht.” „So hat das”, warf der Profi ein, „auch Camus in >>>> Der Fremde gemacht.” „Ja Camus! Eine völlig andere Zeit!” rief der Literaturwissenschaftler aus. „Es waren Protestzeiten, heute haben wir, vor allem in Deutschland, eine postmoderne Restaurationszeit. Die Gesellschaft wird, und w i l l das, auf Übereinkunft politisiert: man muß gut zu den Frauen sein, man muß gut zu den Schwulen und Lesben sein, man muß gut zu Kindern sein, man muß biologische Nahrung essen. Gut heißt korrekt, es werden entsprechende Formen und Stanzen vorgegeben, die die Leute verinnerlichen sollen und zum Gutteil schon verinnerlicht h a b e n. Man darf schon gar nicht zugeben, daß einem ein begangenes Unrecht Spaß gemacht hat, wenigstens muß man sagen: ‚Ja, damals… aber heute sehe ich das selbstverständlich anders.’ Es ist ein Skandal, wenn sich jemand daran nicht hält. Es attackiert den allgemein gewordenen Wunsch nach Konformität. Wir sind dabei, eine Konsensgesellschaft zu werden, wir sind schon eine geworden.” Ich sagte:„Pop” „Alban, bitte!” rief der Profi. Ich beharrte: „Pop ist davon der Ausdruck. Er ist die Herrschaftskultur der Masse.” „Allein, von Masse zu reden… in einer Demokratie!” :So der Literaturwissenschaftler. „Das schon ist eine Provokation. Wir reden von ‚Mehrheit’. Sie müssen von ‚Randinteressen’ sprechen, die gewahrt werden sollen, von ‚Partialinteressen’, das wäre in Ordnung. Sie dürfen aber nicht von ‚Einzelnen’ sprechen, weil sowas immer das Besondere betont, und besonders darf nichts sein, das man nicht als besonders gewählt hat. Ob etwas besonders sei, muß gewählt sein. Kurz: dieser Absagebrief ist völliger Unfug, auch sprachlich schon, er normiert außerdem, was ein Roman sei. Aber er normiert das nach den politisch derzeit gewünschten Regeln, er steht auf der Seite der Mehrheit.” „Der Massen.” „Der Mehrheit. Die Seite der Masse wäre n o c h etwas anderes, weil das, was die Mehrheit will, politisch erzeugt wird und nicht etwa aus so etwas wie einem Klassenbewußtsein stammt, schon gar nicht aus einem poetischen Bewußtsein. Vielmehr ist es Reflex auf eine politische Erziehung, die man mit gleichem Recht politische Schulung wie politische Propaganda nennen kann. Es gibt auch eine Propaganda der Demokratie, vergessen Sie das nicht. Im Kommunismus galt Propaganda außerdem als guter Begriff, wie Ideologie. Viele der heutigen demokratischen Machthaber sind davon noch geprägt.” „Aber was hat das mit meinem Roman zu tun?” „Man ist darüber einig, daß man moralisch handeln muß, während Sie in Ihrem Buch, wenn ich das richtig verstanden habe, von Anfang an sagen, daß Sie das gar nicht interessiert. Sondern Sie interessiert eine Entwicklung, eine Dynamik, einfach nur die Geschichte, offenbar.” „Mich interessiert Kunst.” „Da haben wir den Punkt. Dieser Lektor da fragt nach der Botschaft des Buches. Die muß stimmen, sie muß gesellschaftskonform sein.”
Das Gespräch ging dann weiter, als ich bereits im Bett lag und mit der Löwin telefonierte. Ich war einerseits dieses Briefes wegen depressiv, aber ich war auch wütend, und Wut, immer, gibt Kraft. Die Löwin erzählte von der Kommentarschlacht >>>> unter Cellinis gestrigem Beitrag. „Es ist ja nicht nur so, daß man m i c h angreift, sondern wann immer sich jemand auf meine Seite schlägt oder nur Argumente für meine Arbeit vorbringt, wird angefangen, auch d e n niederzumachen”, sagte ich, „das ist das Mieseste daran. Weil es mich hilflos macht. Weil ich auch gar nicht erwarten kann, daß andere auch nur annähernd meine Kraft aufbringen, es geht ja gar nicht um s i e. Sondern es soll nur nicht gesagt werden, nicht bekannt werden, daß meine Dichtung g u t ist… nein, nein, auch ich schreibe bisweilen Unfug, auch ich habe Geschichten veröffentlicht, die der Kunst auf Dauer nicht standhalten, Gebrauchstexte, Unterhaltungstexte usw. – aber es gibt eben auch die anderen Arbeiten, von denen ich genau weiß, welche Qualität sie haben.” „Das weiß jeder, der dich unvoreingenommen liest. Das merkt jeder sofort. Aber man merkt deshalb auch, was für ein Widerspruch da drinsteckt, welch ein aggressives Potential. Ist dir schon mal klargeworden, daß das, was du ‚korruptsein’ nennst, ein regulatives Prinzip der Konsensgesellschaft ist? daß Käuflichkeit auch Verläßlichkeit bedeuten kann? weil sich über sie Gesellschaftsprozesse mit einem guten Voraussagewert steuern lassen? Nicht-korrupte Menschen lassen sich nicht normieren. Imgrunde ist ihre Existenz eine Bedrohung für große Gesellschaften, weil das ganze Regulationssystem von Lohn und Strafe nicht mehr funktioniert.” „Das ist doch”, hätte der Literaturwissenschaftler gesagt, der sich da aber immer noch mit dem Profi über Segelboote unterhielt, „der eigentliche Skandal am Terrorismus. Ganz sicher fordert er nicht mehr Tote, schon gar nicht mehr zivile Tote, als irgend ein Kriegsschlag, aber er läßt sich nicht normieren, er hält sich nicht an die Konvention, wie getötet und verstümmelt werden darf, er hält sich nicht einmal pro forma daran. Viele konventionelle Kriegsgänge halten sich auch nicht daran, sehr wohl aber pro forma, weshalb sie schließlich doch akzeptiert werden.” Aber, wie gesagt, sagte er das nicht, sondern sprach weiter über Segelboote – vielmehr auch das nicht mehr, weil wir ja alle längst aufgebrochen waren, Eigner und Freundin zu den Ateliers, der Profi Richtung Bundestag, der Literaturwissenschaftler in seine Bibliothek, ich in die Arbeitswohnung. Tiefschwarz war der Tiergarten, ich versuchte einen neuen Weg, verfuhr mich ein wenig, fuhr dem Dimmerlicht meines Fahrrads hinterher, das mal hier zwei Schwule streifte, dort drei Dealers, dann schon durchs gelbe Schinkellicht des so leicht gewordenen, des seit langem nicht mehr eisernschwarzen, sondern gleichsam schwebenden Brandenburger Tores.
Und jetzt hör ich >>>> Händel.

10.28 Uhr:
[>>>> Händel, Sosarme.]
So, nochmal durchgesehene Einführung und überarbeiteter Text ist >>>> an TRAFFIC hinaus. Jetzt muß ich fürs Mittagessen meines Jungen einkaufen. Ich hab noch 15 14,87 letzte Euros, bevor ich mir wieder was Neues überlegen muß, um an Geld zu kommen. Die Musikschule für den Buben will 600 Euro haben, von denen ich auch noch nicht richtig weiß, wie ich das drehe. Ich drehe es aber i m m e r. Es ist kein Grund, sich zu zermürben. Wie sagte mein Broker-Trainer Helmut immer? „Friß das, Axel, ein für alle mal: Geld ist Abfall! Und jetzt… telefoniere!” Immer nannte er mich ‚Axel’. Weshalb? Keine Ahnung.

14.25 Uhr:
K e i n guter Tag bisher. Mit >>>> dielmann bricht es nun endgültig auseinander; die Rechte sind gekündigt, jetzt wird abgewickelt: er soll, was er an Beständen noch hat, noch verkaufen dürfen, allerdings will ich wissen, wieviele Exemplare von welchem Titel es noch sind; dann muß eine Frist festgelegt werden; oder aber die Buchpreisbindung wird aufgehoben, und die Bücher gehen ans Moderne Antiquariat. Schmerzhaft, sehr schmerzhaft ist das alles, ganze Rosinenträume, die man mal zusammen hatte, platzen und kleben dann wie erhitzte Rosinen, auf denen man rumlatscht, am Boden. Immerhin liegen alle Rechte nun wieder bei mir, von denen des im Markt völlig verschossenen Gedichtbandes über das Sizilienbuch bis zum WOLPERTINGER. Tief frustrierend ist das dennoch. Dazu die Geldscheiße. Hab versucht, den Kinderbuchverlag zu erreichen, um die Sache endlich auch finanziell auf die Bühne zu kriegen. Vergeblich. Dann muß ich noch diese Steuererklärung machen, alles in der jetzigen Woche. Dann steht mein Cello da, und die Löwin legte mir nah: „Du schaffst das doch gar nicht, gib das doch auf und konzentrier dich auf die wichtigen Sachen. Du hast weder die Zeit zum Üben, noch kannst du eigentlich den Unterricht bezahlen.” Womit sie recht hat, was mir aber geradezu auf Anhieb die Tränen in die Augen trieb. Nein, es geht mir heute g a r nicht gut. Meinem Jungen, der eine Schwimmvereins-Probestunde nehmen möchte, von meinen letzten 3,67 EUR zwei Euro für die S-Bahn in die Hand gedrückt.
Um drei setze ich mich ans Cello, um Viertel vor fünf hab ich Unterricht, gehe aber ohne das fällige Honorargeld hin. Irgendwie muß ich insgesamt eine andere Lösung finden, wenigstens mit ihr sprechen. Eventuell muß ich den Unterricht zumindest einige Zeit aussetzen, bis es sich hier etwas kosolidiert hat. Das Leihcello (20 ER/Monat) kann ich halten und dann wenigstens, wenn mir danach ist, etwas darauf herumschrummen.

17.45 Uhr:
Den Cellounterricht aufgegeben. Nicht ganz, aber als reguliertes Lernen. Ich kam nicht mehr zum Üben, ich zahlte Stunden, die ich nicht wahrnehmen konnte, ich war voll schlechten Gewissens meinem Instrument gegenüber, das ich tatsächlich als „meines” immer noch empfinde, ja von Anfang an so empfand… aber es ist auch kein Ausweichen, es hilft nichts, mich etwas zu lösen, wenn ich übe, denn ich stehe in einem Kampf und kann mir kein Zurückfallen leisten. Ich habe vor, diesen Kampf zu gewinnen, ich mußte mich entscheiden, auch wenn mir eben, in der Stunde, wieder die Tränen kamen. Mir machen es jetzt so: wenn ich etwas Geld übrig habe und bei meiner Lehrerin eine Stunde frei ist, nehme ich sie, spontan, ohne Vorplanung, und nehme sie, wenn ich mit dem Üben so weit bin, daß ich sie auch brauche (na ja, ich brauche sie eigentlich dauernd), jedenfalls so weit, daß ich etwas Neues drannehmen kann. Das für Ende Juni geplante Ensemblekonzert inklusive der Probenzeiten habe ich gleich mit abgesagt, man kann mit mir derzeit nicht verläßlich rechnen. Die Löwin hat völlig recht, so weh es tut. Der Profi, als ich’s ihm erzählte: „Kluger weiblicher Pragmatismus. Du zahlst dauernd für etwas, das du nicht wahrnimmst, und bist, auch wenn es objektiv wenig Geld ist, nicht in der Lage, das nebenbei mitlaufen zu lassen.” Er hat recht wie sie, zumal bei meinem Jungen jetzt dauernd Neues anfällt. Wenigstens das muß gehalten werden. Im übrigen meine Zeit konzentrieren: auf meine Literatur, auf ihre Verbreitung, auf Lesungen, Hörstücke, Rezensionen – jedenfalls etwas, das Einkünfte bringt. Notfalls in Kneipen auftreten, wie ich das früher, als ich zwanzig war, gemacht habe: „gegen Tür”. Einfach stur sich durchsetzen. Das braucht Zeit und Kraft. Ich stehe gegen eine Masse, das muß ich mir klarmachen, ich muß meine Schneise in sie hineinschlagen und habe dabei wenig Hilfe und gar keine aus dem Betrieb; der wird sich viel mehr sperren. Aber wenn man nicht nachgibt, wenn man einfach weitermacht und beharrt, irgendwann wird das kippen.

Bernd Leukerts erste Hörkunst-CD lag eben im Briefkasten. Ich werde über sie schreiben. Die Mail an die FAZ geht gleich raus.

23 thoughts on “Bedrohungen & Lust: Arbeitsjournal. Montag, der 19. April 2010. Mit einigen Bemerkungen zur Restaurationszeit und dem poetischen Terrorismus.

  1. @ANH … hab eben nochmal reagiert, verlinke das noch zu Ihrem heutigen Arbeitsjournal.
    Ich las das eben:

    “Da haben wir den Punkt. Dieser Lektor da fragt nach der Botschaft des Buches. Die muß stimmen, sie muß gesellschaftskonform sein.”

    … dann dürfte kein einziger Horror- oder Kriminalroman veröffentlicht werden.

    Danke!, für Ihren Brief, ich war doch etwas verunsichert.

    1. @Cellini. Horror-, Kriminalromane und übrigens auch harte Pornografie betrifft das deshalb nicht, weil es sich dabei um definierte Genres handelt. Das Problem zeigt in dem Moment seine Hörner, indem die definierten Genregrenzen aufgehoben werden. A l s Pornografie, a l s Horror ist sehr viel mehr akzeptiert, als es je war, nicht aber in der >>>> Übertretung der vom Markt geforderten Warengrenzen: sie bestimmen den einzustreichenden Mehrwert, also: ob es einen einträglichen gibt. Genau hier liegt der akzeptierte Markterfolg solcher tätigen Mitläufer wie Tarantino; der gesamte “Trash” lebt davon. Er besteht aus normierter Übertretung.

    2. Ihre Konklusio ist nicht richtig. In Wirklichkeit sind die Masse der Horror- und Krinimalromane vollkommen harmlos, weil von sozialen und gesellschaftlichen Prozessen entkoppelt. Zudem agieren sie als Katalysatoren: Meist gibt es eine Reinigung (vulgo: Auflösung des Geschehens zum “Guten”).

      Der Konformitätszwang, von dem Herbst spricht, existiert. Daher kommt ja der Mainstream. Wer außerhalb des Mainstream steht, hat immer “Probleme”. Der Vorteil unserer Ordnung besteht darin, dass es immer noch möglich ist, sich als freier Geist zu gerieren. Man muss jedoch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Im übrigen ändern sich die Mainstream-Kriterien ab und zu. Man kann nun darauf hoffen oder einfach nur weitermachen. Nur jammern sollte man nicht.

    3. @Keuschnig: Wir machen weiter! (Aber manchmal wird man sogar bei viel Kraft ein wenig müde. Was einfach an den unbezahlten und, mit Sorge seh ich’s, auch unbezahlbaren Rechnungen liegt, z.B. für den Strom und das Gas. Und daran, daß man manchmal so sehr die Einsamkeit spürt. Aber dann seh ich meinen Sohn an, wie der tollt, dann lese ich einen widerständig guten, wirklich guten Satz in einem Roman und weiß: ja, es lohnt sich. Und dann ist da noch die Musik… und Frauen kommen und küssen die scharf gewordenen Falten über der Nasenwurzel weg – was sie sonst noch so mit einem tun, schreibe ich hier nicht; jedenfalls nur: Es ist ein Wunder wie die Musik.)

      Zu denken aber auch daran, was vorhin die Löwin am Telefon sagte: “Immerhin hat uns die Konsensgesellschaft nun auch schon ziemlich lange den Frieden gebracht.” Ganz stimmt der Satz nicht, aber wirklich an der Existenz bedroht ist hierzulande wohl niemand. Das ist sicherlich mehr, als mit Recht von anderen Gesellschaften gesagt werden könnte.

    4. @keuschnig sie irren sich gewaltig. Was ist denn Bolano? Was ist denn McCarthy? Ich könnte Ihnen noch andere Autoren und Bücher aufzählen, die sprachmächtig, intensiv, intelligent, pornografisch und literarisch und musikalisch geschrieben sind. Sinnlich und dampfend und geistreich, nur: Sie sind es eben. Und alle sind mächtig und magisch, schwarz und bieten keine “gute” Auflösung.
      Das ist alles gute, aufwühlende und komplexe Literatur. Und selbst Steven King würde ich zum Beispiel zur Literatur zählen. Und er hat Millionen-Auflagen. Also was soll’s? Von DFW einmal ganz abgesehen. Auch er ein großer nicht gerade kompatibler Verstörer…

    5. @biker. Sie müssen die Perspektive wechseln, um zu verstehen, was im Gang ist. Was Keuschnig sieht, was auch ich sehe und was andere mehr sehen, gilt nicht für Literatur, die aus dem Ausland kommt. Es gilt für deutsche Autoren. Ein Buch wie Infinite Jest wäre hierzulande als deutsches nicht verlegt worden, mit Sicherheit nicht, es sei denn, der Autor hätte bereits seinen Ruf fest begründet.
      Mir ist dieses Messen mit verschiedenen Maßstäben zuerst bei García Marquez aufgefallen, ich habe bereits damals über das Phänomen geschrieben; ebenso bei Borges bei Hanser. An deutsche, bzw. deutschsprachige Literatur wird (von Deutschen) eine andere Erwartung angelegt. Sie können THETIS ja gerne mal lesen, dann werden Sie es merken. Aber um zu verstehen, müssen Sie Ihre Vorurteile ausschalten, was nicht leicht ist, auch für mich nicht, sprich: Sie müssen sich einlassen. Diejenigen, die es getan haben, haben dann auch entsprechend darüber geschrieben, und zwar in großen Feuilletons. Da fiel aber dann zum Beispiel der Satz: “Herbst wird hier nicht besprochen.” Woraufhin die Rezensentin erwiderte: “Dann schreibe ich eben nicht mehr für die XXXX.” Nicht jeder hat solch ein Rückgrat. Die Rezension erschien. Eine andere, ebenfalls für THETIS, wurde redaktionell um zwei Drittel gekürzt und dann neben Wolfgang Hohlbein, der ein anderthalbseitiges Portrait bekam, nebenlaufend abgedruckt.
      Es gibt in Deutschland Autoren und vor allem ästhetische Richtungenm die kulturpolitisch nicht gewollt sind. Ich weiß da sehr genau, wovon ich spreche, und die, die meinen Weg über die Jahre mitverfolgt haben, wissen es auch. Interessanterweise wird ja selbst hier in Der Dschungel, wenn jemand für eines meiner Bücher spricht, sofort auf ihn eingeschlagen. Interessant daran ist, daß man es nicht einfach so stehenläßt, wie etwa ich das täte, wenn mich etwas nicht berührt.

      Meine Literatur ist kein Einzelfall. Einzeln bei mir ist nur, daß ich mich wehre und von Anfang an gewehrt habe. Das gilt als unfein. Es hat aber zur Beachtung durch die Literaturwissenschaft geführt, ich habe die Situation fast von Anfang an als einen Kampf begriffen.

    6. herbst, ich verstehe dieses Argument nicht ganz. Warum soll ein Autor aus einem anderen Land weniger verstörerend und also duldbarer, ja geradezu verlegbarer sein, als wenn er aus Deutschland käme. Im übrigen sind doch ihre Sachen erschienen. Oder anders gefragt, warum veröffentlichen Sie nicht in anderen Ländern und suchen sich dort ihre Leserschaft..? Hegemann ist doch auch verlegt und gepriesen worden. Und versuchen so über eine entsprechende Bekanntheit wieder zurückzuschwappen. Das wäre eine Strategie…Sie würden womöglich viele Leser in Buones aires oder Brasielien finden, hätten dort riesige Auflagen und man könnte Sie hier nicht mehr ignorieren.

    7. Ich gehöre, biker, in d i e s e Kultur mit d i e s e r Geschichte. Abgesehen davon schreibe ich deutsch. Nein nein, ich werde h i e r bleiben, ob das dem Pop gefällt oder nicht. (Ihr Argument hat etwas Witziges von damals: “Geh doch nach drüben, wenn’s dir hier nicht gefällt!” Das haben Sie sicher nicht so gemeint, aber es klang plötzlich in mir nach.)

      Und es g i b t ja immer wieder diejenigen, die sofort erfassen, was ich poetisch tue, gerade jetzt wieder von >>>> TRAFFIC – wo man das eigentlich gar nicht erwarten würde. Das Problem ist die Existenz. Autoren hierzulande leben im Wesentlichen von der Öffentlichen Hand, von Stipendien und Lesungen, auch vom Rundfunk. Lesungen sind wegen der Kürzungen extrem zurückgegangen, Stipendien, Preise usw. werden, sofern angemessen dotiert, von der immergleichen Personenschar bestimmt; übrigens gilt das unterdessen auch für Übersetzungen. Die negative Intervention einer deutschen, kann man sagen, berüchtigten Agentin hat mich schon Gallimard gekostet; dort wollte man nämlich MEERE haben. Das Buch lag zur Hälfte übersetzt schon vor. Die Szene ist sogar im europäischen Rahmen derart klein, daß Sie davon ausgehen können, daß sich böses Nachreden wie Lauffeuer herumspricht.

    8. @biker Bolaño hat keinen Kriminalroman geschrieben. Das ist – wie Sie selber schreiben – Literatur und dementsprechend für Minderheiten. Abgesehen davon stimme ich Herbst zu, dass ein deutschsprachiger Autor, der so etwas “abliefern” würde, nicht verlegt würde oder eben nur bei einem Kleinstverlag. Wenn Sie da mit Hegemann kommen, zeigt das für mich, dass Sie keine Ahnung haben: Das Mädchen ist durch ihren Vater in entsprechende Kreise hineingeboren und “gesponsort” worden. Airen ist erst bekannt geworden, WEIL diese “Göre” von ihm abgeschrieben hat. Vorher erschien sein Buch in einem kleinen (aber feinen!) Verlag, war dort aber zuverlässig der breiten Öffentlichkeit entzogen.

      Die Verkommenheit von grossen Teilen der deutschsprachigen Literaturkritik erkennen sie an der blinden, ja teilweise viehischen Affirmation irgendwelcher amerikanischer Schreibschuljüngelchen, die ihren Erstling veröffentlichen und in den Himmel gehoben werden. Kunststück: Es winkt irgendwann eine Spesenreise in die USA. Und hat man den Leuten nicht von Kindesbeinen erklärt, dass alles “Deutsche” per se schlecht ist? (Ich vereinfache jetzt, aber nur ein wenig.)

    9. Herr Keuschnig letztlich mag es so sein, dass es bestimmte weltautoren sind, die mehr oder weniger das ganze repertoire an Raffinessen abfackeln…ich selbst muss ihnen ehrlich sagen, wenn ich zum beipiel Bolano und Foster-Wallace jetzt mir zusammen für ein jahr vornehmen würde zu lesen, dann hätte ich wahrscheinlich für die nächsten 20 jahre ein overkill an Können, an Sinnlichkeit, an Erotik, an WELT, an Apokalypse, an Sprachen, an Phantasie, an Kultur und und und…allein diese beiden Autoren zusammengenommen, und ich wäre ungefähr für die nächsten 20 Jahre gestimmt. Und so meine ich, dass ich nicht glaube, dass irgendeine dahergelaufene deutsch Agentin Gallimard in irgendeiner Weise beeinflussen könnte…Die Franzosen lasen sich von Deutschen nichts sagen, schon garnicht im Literaturbereich., und zum Anderen denke ich, dass man die sogenannte Konsensgesellschaft nicht ablehnen kann, sich dann aber zugleich darüber beklagt, dass man nicht von ihr ernährt wird. Also muss man private und geschäftliche Wege gehen und unternehmerische Ideen entwickeln. So ist das nun mal. Und zu diesen Wegen gehört, dass man in einen anderen Kulturraum vordringen muss, wenn man im Eigenen nichts gilt. Oder man macht Jobs.

    10. @biker. Sie glauben, Sie meinen, Sie denken aber Sie haben überhaupt keine Ahnung. Man kann Ihnen das nicht übelnehmen, ich kenne die Hintergründe im Autogeschäft auch nicht. Aber etwas ruhiger, vorsichtiger, weiger forsch sollten Sie mit der Exposition Ihrer zuschlagfreudigen Naivetät sein. Es ist schon viel Unheil aus solche einer Gemütsverfassung geschehen – wahrscheinlich mehr Unheil, als jene anstifteten, die das auch wollten.

      Ich “muß” gar nichts, biker. Ich kämpfe meinen Kampf. Entweder unterliege ich oder nicht. Das wird man erst am Ende meines Lebens sehen – oder auch n o c h sehr viel später. Ihr Irrtum liegt darin, daß Sie meinen, das Verhältnis eines Künstlers zu seiner Kunst sei das wie zu einem Job. Es ist aber kein pragmatisches, sondern eines aus Obsession und Wille und Bewußtsein. Für zusätzliche Jobs habe ich schlicht weg keine Zeit: es entstünde andernfalls nicht, was entstehen w i r d. Ob Ihnen das gefällt oder nicht… ob es überhaupt jemandem gefällt, ist mir völlig schnuppe. Ich möchte gerne, daß es gefällt, es tut weh, wenn es nicht gefällt, das ändert aber nichts an meinem Willen und an meinem Können.

    11. na dann Aber wenn Sie ihrer Literatur wirklich Welt zutrauen, dann verstehe ich nicht, wieso sie so regional argumentieren…warum gehen sie mit Buones Aires nicht nach Argentinien? Ich meine nicht Sie, das Buch. Wenn es gut ist, wird es auch dort verstanden. Und die Leute wären neugierig, wie ein deutscherAutor mit Buones Aires umgeht. Auch wenn Sie den Titel nur formal gewählt haben, müsste sich das Buch dort verkaufen. Und wenn Sie sowieso die Latinomachismofröhlichkeit stärker bedienen, dann sollten sie eben in südlichere Regionen ausweichen, statt sich hier über die müden oder korrekten deutschen zu ärgern. Sie müssen Kontakt zu südamerikanischen Verlagen aufnehmen, ihrem Agenten, falls Sie sowas haben, mal paar Ideen eingeben.

    12. @biker ff. Ihre Naivetät ist rührend. Aber ich will dem gerne folgen, wenn Sie mir oder dem argentinischen Verlag den Übersetzer finanzieren. Problematischer noch als dies ist indes, daß Sie gar nicht verstehen, weshalb das zweite Andersweltbuch “Buenos Aires” h e i ß t – was wieder aus dem ersten Andersweltbuch hervorgeht, das Sie demzufolge ebenfalls nicht kennen. Insgesamt haben Sie eine Art, über Dinge zu sprechen, von denen Sie nicht wissen, was sie sind, daß mich ein Mitleiden ankommt, das >>>> der syberbergschen Trauer, oder doch einem ihrer Aspekte, ziemlich ähnlich sieht. Sie aber können gewiß nicht wissen, was Sie verloren haben oder gar niemals hatten: dann wäre es immerhin k e i n Verlust, sondern “nur” eine Leere.

      Um meinen Eindruck zu belegen, eben dieses: Sie schreibenwenn ich zum beipiel Bolano und Foster-Wallace jetzt mir zusammen für ein jahr vornehmen würde zu lesenwas doch bedeutet, daß Sie sich beide noch gar nicht “vorgenommen” h a b e n, also in Ihrer Eloge auf beide lediglich nachplappern, was Ihnen vorgeplappert worden ist. Mithin, Sie sind gar nicht in den Dingen, Geschehen, Phänomenen selbst, sondern Sie stehen, anderer Urteile übernehmend, davor und nicken sie ab. So auch übernehmen Sie möglicherweise anderer Urteile, um dann den Kopf zu schütteln, der Ihr eigener imgrund gar nicht ist. Und würden entsprechend auch den Daumen weisen: hinab oder hinauf.

      Fangen Sie doch einfach mal an: Ihre eigenen Grundlagen für ein, wenn schon, Urteil zu legen.

    13. @ANH Ich “muß” gar nichts, biker. Ich kämpfe meinen Kampf. Entweder unterliege ich oder nicht. Das wird man erst am Ende meines Lebens sehen – oder auch n o c h sehr viel später. Ihr Irrtum liegt darin, daß Sie meinen, das Verhältnis eines Künstlers zu seiner Kunst sei das wie zu einem Job. Es ist aber kein pragmatisches, sondern eines aus Obsession und Wille und Bewußtsein. Für zusätzliche Jobs habe ich schlicht weg keine Zeit: es entstünde andernfalls nicht, was entstehen w i r d.

      Wahrscheinlich meinen Sie das persönlich, aber da Sie doch von Kunst und Künstler schrieben, frage ich nach: Tun Sie damit nicht anderen Künstlern unrecht, die Künstler waren, es aber (aus welchen Gründen auch immer) nicht “immer” sein konnten. Ich meine sie waren doch deswegen nicht weniger Künstler, oder? Kafka etwa hatte meines Wissens immer wieder (lange) Durststrecken, und einen Brotberuf.

    14. herbst, Sie haben da was missverstanden..tatsächlich lese ich beide Autoren sporadisch, aber nicht ausschließlich und schon garnicht parallel oder komprimiert übers jahr, eben wegen des overkills…Und beide gehen mir nach ungefähr 3 Seiten immer wieder ein bisschen über den Rand, dann lege ich sie weg und lese Martin Suter oder so.. Deshalb habe ich gesagt, wenn ich sie so lesen würde…
      Auch Argentinien hat einen Literaturbetrieb. Einen Übersetzer zu finden dürfte nicht schwer fallen. Wenn die Aussicht besteht, dass Ihr Buch Interesse erregt, würde dort jeder Verlag in die Hände spucken. Dafür bedarf es aber eines Agenten, derauch in die Hände spuckt.

    15. @biker Sie haben da was missverstanden..tatsächlich lese ich beide Autoren sporadisch, aber nicht ausschließlich und schon garnicht parallel oder komprimiert übers jahr, eben wegen des overkills…Und beide gehen mir nach ungefähr 3 Seiten immer wieder ein bisschen über den Rand, dann lege ich sie weg
      Wie Herbst schon sagte: Alles, was von Ihnen kommt, ist demzufolge aus zweiter Hand. Sie lesen nicht einmal das, worüber Sie schwadronieren. Sie sollten lieber Ihr Nichtwissen auf Stehparties demonstrieren. Da fällt es zumeist nicht auf.

    16. @Metepsilonema. Kafka hatte keinen Brotberuf, sondern zwei Berufe: seine humanitären Erfindungen für die Arbeiter-Versicherungsanstalt sind ganz ebenso achtunggebietend. Aber das wissen Sie sicher. Sie haben auch prinzipiell recht damit, daß Brotberuf und Künstlersein einander nicht ausschließen. Es funktioniert nur nicht immer, schon gar nicht, wenn Sie an sehr langen Romanen zugleich wie an Erzählungen, Hörstücken usw. arbeiten. Ganz persönlich gesprochen: Ich habe definitiv keine Zeit für einen Brotberuf, abgesehen davon, daß ich keine Ausbildung habe und zu alt bin, um noch in einen entsprechenden Beruf einkehren zu können. Außerdem sind die Berufszeiten andere geworden, die Ansprüche der Berufe andere. Und sich abends, zum Feierabend, hinzusetzen, um dann seinen Roman zu schreiben, sind es der anderen Dinge zu viel, die getan und gesehen werden müssen; das ginge nur unter Abschluß von außen und ginge bei mir schon der Kinder wegen nicht, zu denen ich ein grndsätzlich anderes Verhältnis aber als etwa Th.Mann. Vor allem aber habe ich zu viele Ideen, allein das Anderswelt-Projekt läuft jetzt schon über siebzehn Jahre, und Band III wird noch einmal ein Jahr brauchen, bis er fertig ist – das aber auch nur dann, wenn ich täglich ein paar Stunden daran arbeiten kann. Dazu die Rundfunkproduktionen, die ich aufgeben müßte, wäre da ein Brotberuf. Sie sind mir dazu zu wichtig. Und dann ist auch gar nicht einzusehen, weshalb mindere Schriftsteller bereits in jungen Jahren um die 60.000 Euro Vorschuß bekommen – wovon ich mitsamt den Kindern locker drei Jahre leben könnte -, indes ich irgendwo Teller waschen soll. Da stimmen die Verhältnisse nicht, und ich bin nicht bereit, mich ihnen zu beugen. Kann sein, daß sie mich brechen, dann komme ich halt um; kann aber auch sein, daß ich mich durchsetze. Ich bin kein furchtsamer Mann, sonderen bereit, die Risiken zu nehmen. Hab ich immer getan. Ich bin nicht einmal bereit, rein aus Stolz, Hartz IV in Anspruch zu nehmen. Es muß s o gehen.
      (Optionen für Brotberufe, ich gerne wahrnähme, fallen meiner Kinder wegen aus: etwa ginge ich sehr gerne in die Dritte Welt als Entwicklungshelfer, baute Dörfer mit auf usw. Wenn ein Brotberuf hier, dann muß er einen Sinn haben, einen in sich: Arzt etwa. Wäre ich auch gerne. Das bin ich aber nicht. Psychiater. Bin ich auch nicht. Musiker. Zu spät. Auch zu lehren finde ich sinnvoll. Auch das würde ich tun und tu ich ja auch, wenn auch in sehr Kleinem.)

    17. @ANH Ich glaube Kafka hat selbst einmal von Brotberuf gesprochen (ich gebe aber zu, mich nicht besonders mit Künstlerbiographien auszukennen).

      Ich glaube auch sofort, dass Sie keine Zeit haben (wenn es auch bewundernswert ist, so viele Ideen zu haben), und wollte Ihre Lebensplanung (Ihr Lebensverständnis – vielleicht besser) nicht angreifen.

    18. @Metepsilonema ff. Das hab ich auch nicht angenommen, daß Sie das wollten. Zudem war Ihre Frage völlig legitim. Und, ja, Lebensverständnis trifft es. Für mich gibt es zwischen Arbeit und Freizeit keine Trennung, es g i b t geradezu keine Freizeit, ich will auch gar keine.

    19. @ANH Es ist immer die Frage was man unter Freizeit versteht. Wenn es sich um das handelt, was man jenseits seiner Arbeit oder seines Berufs (da ist der Künstler mal mitgedacht) tut, dann werden Sie vermutlich auf viel verzichten, andererseits aber sicherlich auch Zeit mit Ihrem Sohn verbringen – das wäre dann Freizeit, diesem Verständnis nach.

      Und, weil ich das nur bedingt nachvollziehen kann: Wenn Sie fast ausschließlich arbeiten, tun sie das “immer” mit derselben Motivation, oder müssen Sie sich manchmal “anstoßen”. Es gibt Momente, da fragt man nicht nach dem Selbstverständnis, weil es sich einfach nicht aufdrängt. Aber die Dinge sehen emotional morgen, übermorgen, oder noch später u.U. etwas anders aus. Da braucht es dann Disziplin, Wille usw. – was hat da den größeren Anteil bei Ihnen?

  2. Unter all den verklemmten Typen in der Blogosphäre, die keine Worte für ihre Gefühle finden, sind Sie in der Tag einzigartig, Herr Herbst. Offenheit empfinde ich als Geschenk. Und wann immer ich mich beschenkt fühle, will ich gerne etwas dafür geben. Fragt sich nur, wie ich Ihnen meinen Dank am schnellsten und sichersten zukommen lassen kann?

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