[Wie erhält man für einen Zeitungsartikel oder einen Essay diese lebendige Gesprächsstruktur?]:
>>>> ZAGROSEK Also erstens glaube ich, daß etwas, das total unbekannt war, sowieso die Leute fasziniert. Dazu kommt, daß einfach – ich glaube, es gibt kaum einen Operngänger, der nicht bemerkt, daß man bei einem noch und noch gespielten Repertoire immer wieder auch etwas Neues anbieten müßte… Dazu kommt… Barockmusik ist ja hauptsächlich mit Händel losgetreten worden… daß das eine unglaublich starke Musik ist, unglaublich starke Theatermusik und eine Musik, die zwar sehr oft von großen Helden aus dem Altertum spricht, aber wenn wir das umsetzen in die heutige Zeit, wenn man das ein bißchen durch die Brille von Siegmund Freud sieht, erkennt man, daß es da vollkommen um menschliche Gefühle geht – und da wirkt dann eben, was wir am Anfang gesagt haben: da sind dann einfach auch die größten irrationalen Zustände.. die sind dann einfach irgendwie glaubwürdig…
ANH … diese schiefen Libretti zum Teil…
ZAGROSEK …ja! Ja! Nur haben die die Legitimation, daß sie irgendwo im Götterhimmel spielen, wo sowieso alles möglich ist und wo auch andere Gesetze außer Kraft gesetzt werden, etwa die der Schwerkraft und weißGottwas… und diese Kombination fasziniert die Leute eigentlich immer wieder.
ANH Das ist ja ganz auffällig – abgesehen von dem Wagner-Zirkus, der parallel immer läuft –
ZAGROSEK …ja…
ANH …daß es eben ganz besonders der Barock war, der da aufgetaucht ist… mit Versuchen, die über Thielemann kamen, nochmal Komponisten wie >>>> Palestrina… Quatsch, wie Pfitzner in die Diskussion zu werfen, also im Deutschen Fach, aber es war eben vor allem der Barock…
ZAGROSEK …das war eine richtige Blutzufuhr, das muß man wirklich sagen….
ANH … über René Jacobs mit seinen Ausgrabungen… Haben Sie >>>> die Marienvesper gesehen?
ZAGROSEK Die habe ich gesehen, ja.
ANH Das ist doch toll gemacht, oder?
ZAGROSEK Wunderbar ist das, ganz wunderbar…
ANH Das bringt dann wirklich auch das Publikum rein.
Kleine Pause, quasi Vorhalt.
ANH Sie sprachen in dem >>>> Programmheft vor allem von Opern, die als szenisch nicht so gut darstellbar gelten. Daß man die nimmt.
ZAGROSEK Ja.
ANH Der >>>> Orfeo i s t aber szenisch gut darstellbar und wird auch oft gemacht.
ZAGROSEK Da waren für mich der Aufhänger mehr die Reformbemühungen von Gluck. Da kann man den Orfeo nicht ausklammern. Aber vor allem die >>>> Alceste, erst recht >>>> Paris erscheinen ja fast nie. Alceste gibt man ab und zu mal, aber dann meist in der französischen Version. Paris, ich weiß nicht, ob überhaupt…
ANH Es gibt eine einzige Aufnahme, glaub ich, die hat mir >>>> Bernd Leukert mal gegeben… weil ich die überhaupt nicht kannte…
ZAGROSEK … bei Naxos, glaub ich, das ist, glaub ich, der Mitschnitt einer sehr gekürzten und technisch auch sehr schlechten Aufführung…
ANH …irgend so etwas ist das, ja…
ZAGROSEK Es gibt, glaube ich, nur diese eine Aufnahme davon…
ANH … jaja, da gibt es sonst gar nichts, und es war mir völlig unbekannt, und auch, wenn Sie jetzt von den französischen Opern noch sprechen, die man ja auch kaum kennt…
ZAGROSEK …ja…
ANH – Was fällt Ihnen noch an Opern ein, haben Sie da Ideen?
ZAGROSEK Es gibt ganz viele Haydn-Opern…
ANH … ja Haydn…
ZAGROSEK …die nicht gemacht werden… Es gibt… diese frühen Opern von Křenek zum…
ANH … Křenek…
ZAGROSEK … Beispiel, die… wenn Sie… wenn wir ins Zwanzigste Jahrhundert gehen, es gibt… die Opern von…
ANH …Schreker…
ZAGROSEK … César und Milhaud, die nicht gemacht werden, und … und… noch ein anderer Franzose, Mensch, jetzt komm ich nicht drauf…