Arbeitsjournal. Dienstag, der 6. November 2007.

5.23 Uhr:
[Arbeitswohnung. Detlef Heusinger, Die Büchse der Pandora.]
Mein Kachelofen ist brüllwarm; die Feuerprobe, im Wortsinn, ist bestanden, sowohl für die alten Kohlen wie für den Ofen und meine Stapeltechnik, die die Bruchbriketts vom Vortag 18 Uhr bis zum Morgen „durchhalten“ läßt, so daß ich nur eben eine weitere Kohle aufwerfen muß, um die Wärme zu halten. Es ist ja – >>>> von einer Woche vor zwei Jahren abgesehen – seit dreieinhalb Jahren das erste Mal, daß ich hier wieder heize, und ich habe die einzige Wohnung in dem Berliner Hauskomplex, die noch mit Ofen beheizt wird (das war bei der Sanierung damals mein Verlangen). Nun ist es aber fast z u warm; 1) weil ich hier Wärme nicht mehr gewöhnt bin, 2) weil über Nacht das Wetter von kalt auf mildfeucht umschlug; die ganze Nacht über hat es gegossen come il dio lo manda.
Arbeitseffektiv war das gestern ein mieser Tag; ich kam wirklich bis zum Schluß nicht mehr in die Arbeit hinein. Die Kritik an den Scelsi-Variationen ging mir derart nach, daß ich den Faden mit der XVII. nicht mehr aufzunehmen vermochte. Vielleicht wird’s heute besser. Unterbrochen werde ich aber schon wieder werden, weil heute mittag zur Polizei geradelt werden muß, vernehmungshalber – wegen >>>> dieser Unfallfluchtgeschichte. Also um 13.15 Uhr den Jungen von der Schule abholen und in die Reinickendorfer Straße radeln, wo sich die Verkehrsunfallstelle befindet.

Mit >>>> Heusinger, übrigens, studierte vor dreißig Jahren meine damalige Freundin Regine Hoch, heute Hoch-Shekov, am Bremer Konservatorium klassische Gitarre; wir begegneten uns >>>> in der Massimo wieder. Daher hab ich auch diesen Mitschnitt seiner, finde ich, ausgezeichneten Oper. Er war Schüler Hans Werner Henzes geworden, aber da schon gewesen; in der Massimo schnitt ich ein Konzert anderer seiner Arbeiten mit. Den Kontakt hätte ich gerne erhalten, aber er verlief sich – wie sich so vieles verlaufen hat, das in der Villa Massimo begann; auch die Zusammenarbeit mit >>>> Caspar Johannes Walter, aus der immerhin eine bei Éclat 1999 uraufgeführte Kurzoper, ein >>>> bei der Expo 2000 uraufgeführter Lied-Zyklus und ein Hörstück für den hr hervorging. Walter sei heute, erzählte mir neulich mein Freund Bernd Leukert, der das Hörstück als verantwortlicher Redakteur für Neue Musik betreut hat, Kompositions-Professor in Stuttgart. Um Heusinger tut’s mir aber r i c h t i g leid.

Dieser aus Kindertagen vertraute Ofengeruch… Dennoch, ich hab eben mal wieder, sauerstoffhalber, das Oberfenster geöffnet.

Mich kam die Lust übrigens abermals an, eine neue Erzählung zu schreiben – ohne daß ich aber einen Einfall hätte, einfach so, um nicht stundenlang an Einzelversen herumzuschrubben und mal wieder Masse zu gewinnen. Aber durch den Scelsi muß ich nun durch.

Ach so, über >>>> diese Kritik hab ich mich noch furchtbar geärgert; UF schickte den Link. Das hätt er besser sein lassen sollen; wahrscheinlich hab ich überreagiert. Nur daß man mal auf weibliche und männliche Kritikperspektiven schauen sollte, ist ein Gedanke, den ich bis jetzt recht schlüssig finde.

7.21 Uhr:
[Caspar Johannes Walter, Vier Stücke gegen den Zeitstrahl.]
DAT-Bänder zugeordnet und „freigeschaufelt“: Was ist bereits auf Datei überspielt und als CD gebrannt, was nicht? Das geht hier alles ziemlich durcheinander, mein ehemals pedantisches Archiv hat ziemliche Risse bekommen, auch was die Archivierung „normaler“ CDs anbelangt. Bei einer solchen Masse von Musiken und O-Tönen (völlig unausgewertet noch: Stunden aus New York City, aus Palermo, sogar aus Jerusalem, und ältere aus Indien) ist man auf ein doppelt buchhalterisch geführtes Archiv sehr angeweisen, weil man sonst nämlich nichts mehr wiederfindet, vor allem nicht dann, wenn man es braucht. Ich hab in den vergangenen fünf Jahren ausgesprochen geschlampt, merk ich mal wieder. Solche Phasen der Des-Inspiration sind am besten dafür zu nutzen, das wieder auf die professionelle Reihe zu bringen. Zum Beispiel, Sie brauchen dringend einen O-Ton aus einem Flugzeug, aus einem Taxi, von einer Straßenecke, und Sie wissen genau: Das habe ich mal aufgenommen… – dann muß man einfach unter dem entsprechenden Stichwort nachsehen können und hat dann, was man braucht, in Sekundenschnelle. Ähnliches gilt, wenn Sie Interpretationen vergleichen wollen, für Musikaufnahmen. Hier s t a p e l t sich das Zeug.Andererseits weiß ich aber auch gar nicht, wo ich mit den dann fertig archivierten Tönen hinsoll; das CD-Regal kippt schon zu den Seiten weg. Ich müßte eigentlich Bücher aussortieren, die ich eh nie lesen werde, einfach, um Platz zu gewinnen fürs Rüstzeug. An der einen „Musikwand“ wäre da nämlich Raum. Nur: Wer sagt mir denn, daß ich nicht d o c h noch mal dieses und oder jenes Buch für eine Arbeit brauche? Diejenigen Bücher allerdings, an denen meine Seele hängt, sind tatsächlich gut zählbar; es werden, je älter ich werde, desto weniger. A u c h eine Lebenserfahrung. Während ich – für einen Schriftsteller ein bezeichnendes Verhältnis von Literatur und Musik, und zwar zu starken Ungunsten jener – nur auf ganz wenige CD-, Cassetten-, DAT-, und LP-Aufnahmen verzichten wollte.

16.59 Uhr:
[Korngold, Violantha bei Espresso und einem Cigarillo.]
Das hat lange gedauert bei der Polizei, vor allem, weil diese Verkehrssachen-Ermittlungstelle so weit draußen in Reinickendorf liegt. Und dann, als ich eben noch einmal für eine runde Stunde hierher fuhr, hab ich noch ein Schnäppchen gemacht, wie man es besser nicht treffen kann. Also, gestern abend schon, bei einem meiner Sonderposten-Händler, gab es italienischen Espresso für 99 ct pro 250 gr zu erstehen. Ich war mißtrauisch und nahm erst mal nur fünf Päckchen mit; aus einem testete ich heute früh: großartig, ein richtiger crema; geradezu vorbildlich setzt sich oben auf dem Cafè der dünne, hellbraune Schaum cremig ab. So besorgte ich jetzt noch 30 weitere Päckchen, jajaja, und bin also für ungefähr ein dreiviertel Jahr für meinen latte macchiato und den nach-Mittags-Espresso versorgt. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie meine PAVONI gelächelt hat.

Gedichtet hab ich heute nix und werd’s wohl auch nicht mehr; dafür ist ein wenig Link-Ordnung in Die Dschungel gebracht worden; etwa kann man nun die >>>> Stromboli-Reise Tag für Tag miteinander verlinkt nachlesen, die für die >>>> AEOLIA-GESÄNGE unternommen worden ist; auch die >>>> Kleine Theorie des Literarischen Bloggens stimmt nun miteinander. Das sind allerdings noch nicht alle Links, die gelegt werden müssen; auch >>>> Fehllinks sind wieder einzubauen, verdeckte wie offene; ich hab das in den letzten Monaten sehr schleifen lassen. Immerhin ist Arbeit am Weblog a u c h poetische Arbeit. Und mal sehen, ob es >>>> dazu noch m e h r Stimmen geben wird.

Mein Kachelofen macht mir fast so viel Freude wie mal wieder dieser Korngold.

Spätabends geht’s wieder mit dem Profi in >>>> die Bar, für deren Cocktail-Buch seinerzeit >>>> dieser Text entstand, den ich, nicht nur sozusagen, bis heute austrinken darf und immer noch weiter werde austrinken dürfen.

Ach ja, und ich bekam von der Uni Innsbruck zwei neue Aufsätze über meine Arbeit zugesandt, einen davon eigens über Die Dschungel. Gelesen hab ich sie allerdings noch nicht.

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