VIERTER PRODUKTIONSTAG: Das ungebändigte Leben (15). Die Erste Montage (Fortsetzung). 24. November 2011.





8.10 Uhr:

:So sieht die Montage bisher aus. – Die Arbeit um halb sechs Uhr fortgesetzt, bin ich unterdessen bei dreizehneinhalb Minuten angekommen. Das ist ein ziemlich guter Schnitt.
Was aufhält, ist die oft nötige Umformatiererei, fast alle Musikdateien, auch Einspielungen von CD, sind 44kHZler, ich arbeite aber mit 48kHz: die Auflösung ist einfach besser, auch dann, wenn später wieder heruntergerechnet werden muß. Dazu kommt, daß ich alle naselang aufstehe, im CD-Regal nachsehe oder sogar von Tonbandcassette erst in Echtzeit auf die Musikfestgplatte überspielen muß, bevor ich mit dem entsprechenden Stück eigentlich arbeiten kann; andererseits ist es ohnedies ein enormer Schatz, daß ich die meisten Musiken hierhab. Nur sehr weniges muß ich mir aus dem Netz ziehen, wobei es da dann drauf ankommt, daß ich auch die Quellen finde, um später die Urheberrechtsangaben machen zu können. A bisserl kompliziert, das.
Sehr gut aber war meine Wahl Brossmanns für den Sprecher Helmut Kraussers, und gut war, hervorragend sogar, meine Idee, neben den cleanen Studioaufnahmen auch hier in der Arbeitswohnung noch mal zwei vollständige Durchläufe des Stücks aufzunehmen. Jetzt springe ich zwischen den Takes und dem Durchlauf II immer wieder hin und her, vergleiche Phrasierungen, ja mische die Aufnahmen sogar bisweilen, mitten in den Absätzen und sogar Sätzen. Dazu kommt die die für mich typische Arbeit mit Leitmotiven, zu denen nicht nur musikalische Zitate gehören, sondern auch das Räuspern, Schniefen, Lachen usw. der Sprecher. Weil ich weiß, wie viel Leben dergleichen in ein Hörstück bringen kann, lasse ich solche Geräusche immer auch speichern, sogar in den Studios. Früher einmal schnitt ich sowas immer weg oder ließ es wegschneiden; seitdem hat sich meine Haltung dazu völlig verändert.
Gut, weiter geht‘s. Als Pause ist nur die Dusche erlaubt, nebst vorheriger Rasur; und um 12.30 Uhr treffe ich लक्ष्मी auf ein Mittagshummus. Darauf freue ich mich. Dann eine Stunde schlafen und weiterarbeiten bis in die Nacht: bei etwas Glück schaffe ich heute die gesamte Rohmontage. Gelingt das, hätte ich morgen und übermorgen für die Feinarbeit – die immer, immer Enormes bringt.

12.10 Uhr:
Bin bei 21‘54‘‘.
Mittags Schlafes Pause.

14.20:
Bereits wieder an der Montage; jetzt baue ich auch einen meiner privaten Mitschnitte ein – des stimmenden Orchesters nämlich bei >>>> Homokis Meistersinger von Wagner:

… denn durch und mittels all dieser Arabesken arbeitet immer wieder die Tonika der Lösung, der Urwille der Rettung und des Glücks. Kolportage hat (…) Wunschphantasien der Erfüllung in sich; und sie setzt den Glanz dieser Wunschphantasie nicht nur zur Ablenkung oder Berauschung, sondern zur Aufreizung und zum Einbruch. Daher eben wird Kolportage von der Bourgeoisie als gefährlich, nämlich als Schmutz und Schund schlechthin verdammt.

Kavita Chohan spricht Ernst Bloch.

Darunter das Orchesterstimmen. 23‘56‘‘. (Espresso, Cigarillo).

17.10 Uhr:
32‘30‘‘. In einer Stunde ist‘s Zeit für den talisken Sundowner. Aber nicht als weitere Pause, sondern dazu.

Die Arbeit hier in der Arbeitswohnung ist weniger konserv als im Rundfunkstudio: Ich brauche eine Raum-Atmo, öffne das klanghalber bislang geschlossene große Oberlicht des Zimmers, damit Geräusche von draußen hereindringen können, nehme den LS11, halte das Mikro mitten im Raum in die Höhe: drei Minuten werden genügen. Dann schenke ich noch direkt unterm Mikro Saft in einen irdenen Kump; auch das wird Verwendung finden. Den LS11 mit dem Laptop verstöpseln, die Aufnahmen überspielen, umformatieren, ihnen eine der durchlaufenden K (Krausser)-Nummern geben und sie am Skript notieren. Besondere Freude bereitete es – und Genuß, das dann, ohne daß man skeptisch wird, abhören zu können -, aus dem Vorspiel des Rheingolds, also aus Wagner, Puccini herauszuentwicklen vermittels einer völlig unmerkbaren Überblendung, sowie, als rhetorischen Deckel, zur Überleitung in eine Brossmann-Partie eine Phrase aus >>>> Kraussers „Kammermusik“ darauf. Wenn so etwas gelingt, sind das Glücksmomente, „echt!“
– Weiter.
(Gegen 22 Uhr will Brossmann vorbeischauen und schon mal hineinhören).




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