Dietrich Mau, ZEITonlines Traumschiffkommentare, der Magen und ich. Als Arbeitsjournal des Mittwochs, den 5. Februar 2020.

[Arbeitswohnung, 9.45 Uhr]
Mozart, Klavierkonzert d-moll, KV466
Richter, Warschauer NSO, Wislocki (mono, 50er)

Ich sitze an der zwanzigsten Erzählung meines Nabkovlesens, nämlich zu Rowohlts zweitem Band seiner Erzählungen. Nur brauche ich diesmal etwas länger, nicht nur weil ich nach diesem bereits zwei weitere Bücher des Autors gelesen habe, sondern vor allem, weil seit meiner Lektüre der Erzählungen über anderthalb Monate vergangen sind, so daß ich sie mir erstmal wieder vor Augen führen, also in meinen Geist zurückholen muß. Begonnen habe ich gestern und auch schon schätzungsweise ein Drittel geschafft. Ich denke mal, daß Sie den Artikel am Freitag, spätestens Sonnabend werden lesen können.
Parallel entwerfe ich die → Béart-Nr. XXX, hatte auch einen Ansatz, aber verwarf ihn gestern als Quatsch, bzw. uninspiriert oder allzu verknorkelt.

Denn einiges andere macht mir zu schaffen. Nicht so sehr der juristische Widerspruch, den ich in einer mich ziemlich behindernden und deshalb arg nervenden Angelegenheit formulieren und daß ich so lange auf Anlagen warten mußte, die beizufügen waren, oder gar daß die, vor der mir durchaus bangt, → Radiokritik Samuel Hamens zu meinen eigenen beiden Erzählbänden von gestern auf den kommenden Freitag verschoben wurde, der ein für mich schwieriger Tag ist. Aber vielleicht werde ich die mich derzeit besonders abends nach dem Essen und dann durch die Nächte zermürbenden Magenschmerzen los, oder kann sie doch wenigstens lindern, wenn ich, was mich beschäftigt, niederschreibe — also Ihnen, meiner Freundin, erzähle, die über die Jahre – Jahrzehnte – gleich der Béart meines Gedichtzyklus immer wieder ein anderes Gesicht angenommen hat und wohl weiterhin annehmen wird, in je anderen Körpern, die ineinander alle sanft vergehen, manchmal auch abrupt, aber doch Sie-selbst bleiben als die meine unanrührbar die gleiche. Was, viertletztes Wort, kein Possessivpronomen ist, sondern Zugehörigkeit zeigt. — Nein, ich bin nicht eifersüchtig, Freundin, wenn Sie auch andern Dichtern so wie mir geneigt sind. Es liegt in Ihrer idealen Natur, so zu sein: wehend, schweifend, bisweilen verschattend, dann schon wieder hell vor Gewißheit als immer erste Leserin für jeden (der dichtend nicht nur Selbstgespräche hält. Auch solche Autoren gibt es, wie ich weiß).
Jedenfalls hätte ich in meinem Leben manches Mal nicht mehr gewußt, was tun, würd es Sie nicht für mich geben. (Und spürn Sie’s? Selbst bei diesem kleinen Satz bin ich mit seiner Rhythmisierung beschäftigt und werde unglücklich, wenn irgendwo was hemmt.)

Meine Situation setzt mir zu und besonders auch ihretwegen der kommende Freitag, den ich ja gern geflohen wäre. Nun jà, geht nicht. Doch dazu noch die nicht endenden Versuche, mich oder meine Arbeit zu diffamieren. Etwa der da, Dietrich Mau, von dem ich nicht einmal weiß, ob dieser Name Pseudonym ist, und der bei Twitter dauernd so etwas postet:

Das zu → dort. Und zum, was besonders heimtückisch ist, → letzteingestellten Béartentwurf:

Heimtückisch ist dies deshalb, weil im Gedicht die vorgeblich „liebste Zeile“ gerade a b g e w i e s e n wird; das kürzt der Herr Mau seinen Lesern und sich im Wissen absichtsvoll heraus, daß irgendetwas seiner ständigen Diffamierungen ja doch schon hängenbleiben werde. Wirklich überprüft wird und wurde ja selten.
Dann wieder, wenn ich einen → Aphorismus einstelle, mir als Gedanke durch den Kopf gegangen, der offenbar den neuen (und manchen alten) Denktabus nicht und nicht mehr genehm ist:

Die suggestive Zielrichtung ist deutlich und vollzieht sich quasi unter der Hand: Mich, bzw. meine Arbeit der Rechten zuzuschieben. Schon mit meinem Namen die AfD affirmativ zu verbinden, zielt genau darauf ab; wer so etwas vermeiden will, darf nach den Motiven ihrer Mitglieder nicht einmal mehr öffentlich fragen, also ob da nicht vielleicht auch Gründe sind, an denen etwas ist und die das Fehllaufen in solche rechten Parteien erklärt und dann vielleicht, weil wir wissen und verstehen, verhindern kann. Nein, es werden Lager zementiert. Und es war schon immer eine Neigung der Linken, wie ganz der Rechten auch, Gegenargumente aus dem Weg zu räumen, indem man die Argumentierer diskreditiert. Müssen sie als Personen nicht ernst genommen werden, sind sie mithin „sowieso unglaubwürdig“ oder gar → „ein Narzisst“, braucht auf die Einlassung-selbst niemand mehr einzugehen. Womit das unliebsame Argument einfach erledigt wäre, ohne daß sich noch mit ihm faktisch auseinandergesetzt werden müßte.
Nun ist es sicher richtig, daß ich kein „Linker“ bin und auch niemals einer war, insofern ich den autoritäten Kommunismus, Sozialismus usw. stets abgelehnt habe und statt dessen einer Vorstellung von Selbstbestimmung anhänge, die Hierarchien fast prinzipiell den Mittelfinger zeigt – es sei denn in Arbeitszusammenhängen, die nötige Kompetenzen erfordern. Ich will mir auch nicht vorschreiben lassen, wann ich bei einer Ampel stehenzubleiben und ob ich einen Helm zu tragen habe, sondern dies aus eigenem Nachdenken entscheiden. Die Herrschaft von Menschen über Menschen ist mir widerlich.
Insofern mag ich in einigen Belangen konservativ sein, reaktionär aber in keinerlei Weise, schon gar nicht rassistisch und dergleichen. Auch halte ich es, nur soviel hier zu „Gender, in libidinösen Belangen strikt mit Hellers → „Denn ich will“.

Und dann haben mich zwei Kommentare sehr verletzt, die ich wegen einer Linksetzung zufällig entdeckte, obwohl sie ihrerseits seit über vier Jahren völlig unwidersprochen unter Winkels seinerzeitiger, eigentlich sehr schöner ZEIT-Kritik zum Traumschiff stehen. Ich selbst kann es nicht tun, es würde sofort als pro domo oder gar eitel ausgelegt. Aber irgendwie klingen auch sie nach Herrn Mau.
Es hat mir einen Schlag in den Bauch gegeben, daß auf die mit auch sachlich wie lebensgeschichtlich falschen Behauptungen dahinterstehende persönliche Diffamierung besonders im ersten Text niemand, überhaupt niemand reagiert hat. Und wieso ließ die Redaktion so etwas stehen? Zum einen wertet es auch die Urteilskompetenz des eigenen Mitarbeiters, Hubert Winkels, ab, zum anderen ist doch deutlich zu erkennen, welch eine nahezu private Rancune hier hämegeladene Freudentänze aufführt. Allein die Formulierung Das Video und das Buch tue ich mir nicht an – eines Menschen, der seit 1981 bekennenderweise nichts mehr von mir gelesen hat – hat es an Ignoranz wahrlich in sich. Woher will der Autor dann wissen, ob seine Meinung nicht falsch ist? Und Frau „von Gandersheim“, die von pauschalen Mentalreisen spricht? Als hätte ich selbst nicht → nachweisbar eine solche tatsächliche – und sehr lange – Reise zur Recherche unternommen! Ob das Ergebnis, mein Buch, dann gelungen sei, ist eine ganz andere Frage, hat aber wirklich nichts mit bestens ausgeleuchteten Trockengebieten lediger alter Männer zu tun, die sich von staatlichen Subventionen ernähren. Woher hat diese, wenn es eine ist, „Frau“ ihre Gewißheit?
Aber nein, kein Widerspruch, nicht einmal ein vorsichtiger Einwand wird laut.
So erlebt man Einsamkeit.
Als ich deshalb einer Kollegin davon erzählte, schrieb immerhin sie eine offenbar entsetzte, möglicherweise auch wütende Entgegnung – ich kenne den Text nicht; sie schrieb mir, sie habe ihn direkt in die Kommentarmaske getippt und anderweitig nicht gesichert – und stellte ihn als nun ihren Kommentar unter dem Artikel ein, mußte allerdings auf Freischaltung warten, die, wie ich sogleich argwöhnte, niemals erfolgte. Ganz offenbar kommen die beiden diffamierenden Äußerungen dem Kalkül der Redaktion überaus entgegen.
Freilich wird nun insgesamt gemeint, man müsse mit Diffamierungen halt als Autor leben, am besten, man äußre sich gar nicht dazu. Bekommt man sie aber sein ganzes Leben lang immer wieder zu spüren, und zwar an öffentlich herausgehobener Stelle, und so gut wie niemand springt einem bei, läßt das schon verzweifeln. Verächtlichmachung hat, seit ich zum ersten Mal publizierte, mein gesamtes Leben scharf begleitet; unter Anspielung auf einen Hildesheimertext formulierte Armin Ayren 1983 in der FAZ – meine erste überregionale „Kritik“ –, man solle mir Geld dafür geben, daß ich aufhörte zu schreiben. (Aber ich verdanke dieser Kritik auch was: Sie ließ mich tief ins Wesen der deutschen Konjunktive graben. — Und sogleich wird der Herr Mau „Wesen“ mit „deutsch“ zusammenlesen und für ANH daraus ein → „genesen“ erschließen, das mich sogar zum Vornazi macht.)
Ebenfalls in der FAZ, dreiundzwanzig Jahre später, nannte Martin Halter die mir zugestandene souveräne Beherrschung der Form nur um so unappetitlicher. Auch darauf habe alleine ich selbst reagiert. Selbst wenn also attestiert wird, daß ich etwas könne, wird gerade das persönlich gegen mich gewendet.
So zementiert sich das komplette Alleinstehn.

Nein, es gibt keinen Grund, dem kommenden Freitag mit irgendeiner Freude entgegenzusehen, nicht im Ansehen meiner Arbeit, ökonomisch nicht und schon gar nicht persönlich. Daß ich den Tag fliehen wollte, nun aber nicht darf, deutete, Geliebte, ich neulich schon an, und weshalb. Dabei hätte mich ein Freund, der derzeit mit seiner Familie dort weilt, so gern in Neapel getroffen.

Dennoch, es gab ein Funkeln am Himmel, sogar ein Feuern, weil zur Béart eine wunderbare Nachricht kam, umso mehr als sie mich aus dem deutschen innerbetrieblichen Sumpf herauszuziehen verspricht. Ich will Ihnen hier, vor allen Leuten, aber noch nichts Konkretes sagen, sondern erst, wenn der Zyklus auch wirklich abgeschlossen, also lektoratsbereit und abzusehen ist, wann genau er als Buch erscheinen wird. Nein, nicht aus Aberglaube schweige ich (den ich bisweilen habe, geschürt von meinem Instinkt), sondern um zu verhindern, daß hinter den „Kulissen“ erfolgreich intrigiert werden kann, das Projekt zu hintertreiben. Denn d a s muß ich eingestehen, daß ich über die vielen Jahre Der Dschungel leider lernen mußte, in einigem weniger offen zu sein, als es meiner Poetik, aber auch meinem Naturell entspricht. (Was nun in eine ohnedies fällige Fortsetzung meiner „Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens“ gehörte.)

 

 

Ihr, Freundin,
ANH

 

1 thought on “Dietrich Mau, ZEITonlines Traumschiffkommentare, der Magen und ich. Als Arbeitsjournal des Mittwochs, den 5. Februar 2020.

  1. Diese Art von „Kritik“ wie sie, nomen est omen, Mau hervorbringt, bedient sich der immergleichen und eben auch durchschaubaren Methode: man läßt Kontexte weg, assoziiert frei und entstellt so und in dieser Weise Aussagen. Man labelt und lügt eine nicht genehme Position auf AfD und rechtsaußen um, so wird ein Autor qua Insinuation ins soziale Abseits gestellt. Rechts geht immer. Es sind dies übrigens oftmals dieselben Leute, die ansonsten nicht müde werden zu betonen, daß sie gegen den Haß sind und daß sie am widerlichsten die Denunzianten im Dritten Reich oder sonstwo finden. Es sind diese Leute mit Lippenbekenntnissen schnell zur Hand. Und ebenso schnell sind jene Leute bereit, genau das zu praktizieren, was sie vorher vollmundig kritisierten. Allerdings kritisierten sie es auch nur, solange es keinen eigenen Einsatz kostet und nicht weiter wehtut. Im Grunde also eher für die eigene Gemeinde: Sehet her, ich gehöre zu Euch! (Letztere Aspekte betreffen vermutlich jenen Mau nicht, weil er sich gerne als Outlaw-Troll sieht.)

    Solchen wie Mau geht es zudem nicht um konstruktive Kritik, sie können nicht einmal realisieren, daß da ein Autor seine Werkstattarbeit ausstellt und zeigt, was – nebenbei bemerkt – in actu kaum ein Schriftsteller macht. Und insofern ist auch dieses Verfahren von ANH als Teil und Praktik der Literatur zu fassen. Daß jemand wie Mau, nomen est omen, dieses Verfahren entgeht, sollte nicht weiter verwundern. Teils gründet sich solche Art von „Kritik“ auch nur im Spaß am Vernichten, freilich ohne den Esprit eine Kraus.

    Kritisiert man dieses Verfahren von Mau, verschanzt er sich hinter wohlfeiler Ironie und verweist auf seinen Namen: Man meint es ja nur mau. Selbst der Witz dort und derart ist noch alt und geborgt.

    Was die Kommentare in der „Zeit“ betrifft: ich glaube, diese Art von Einwendung liest sich wie der Einsatz von Trollen und das realisieren die meisten Leserinnen und Leser auch und wissen, wie man solchen Blödsinn zu nehmen hat. Es entlarvt sich solches Kommentieren bereits durch seine eigene Form und insofern erledigt sich das von selbst, auch wenn solches Geplappere für einen Autor sicherlich ärgerlich ist, weil man sich eine gehaltvolle und durch kritische Qualität bestimmte Auseinandersetzung mit seinem eigenen Werk wünscht.

    Daß diese nicht gegeben ist, vor allem nicht in der Literaturkritik, ist nebenbei ein weiterer Skandal des Betriebs. Aber: Man muß vermutlich US-Amerikaner sein, damit Literaturkritiker ein dreibändiges Werk mit rund 2000 Seiten überhaupt wahrnehmen. Aber diese Frage nach der Relevanz und auch der Macht von Literaturkritik im Betrieb ist nochmal ein Thema für sich.

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