Sie konnte nicht wissen, dachte Cordes, daß eines Tages eine Horde Schänder in das beskidische Dorf eingefallen war wie bei Grimmelshausen die Schar Landsknecht’ in des Simlicissimi Knans Haus und hatten geschächtet, was immer ihnen an Seelen unter die Fingerkuppen geriet. Lesen Sie d o r t nach (Kapitel 4 folgende), was bei dergleichen Überfällen noch heutzutage geschieht – das hat sich seit damals nicht geändert; es gibt keinen ‚sauberen Krieg’, auch dann nicht, wenn Pontarlier (nennen wir es einmal: Washington) anderes verlauten ließ. Jedenfalls waren die nahbei stationierten Westmilizen, von dem aufsteigenden Rauch alarmiert, viel zu spät am Ort der Katastrophe erschienen; sie fanden außer dem Jungen nur noch Trümmer und Leichen.
Den hatten die Schänder zwar erwischt, an den Beinen genommen und seinen Schädel gegen den Brunnen geknallt. Da war er für tot liegengeblieben, war aber tränenlos zu sich gekommen, war ganz Tier und ohne Geschichte in ein Versteck gerobbt und auch, als die Soldaten kamen, darin verblieben. Hatte nicht gewußt, wer ein Feind ist, wer Freund. Sie zerrten ihn heraus, tumb sah er sie an, empfand es gar nicht als Wohltat, daß sie ihn versorgten, seine Wunden, daß sie ihm zu essen gaben, ihn verbanden. Bereits zurück auf dem Weg zum Castrum riß er aus. Und fing vor sich hinzusingen an. Er hatte vorher nie gesungen. Jetzt kamen Schakale, ihm die Hände zu lecken. Verwundert sah er die Tiere an und ließ sie. Bohrer legten sich auf die Rücken und wiegten die Panzer ihrer Bäuche. Wenn der Sanfte sang, öffneten Pflanzen ihre bereits zur Nacht geschlossenen Blüten.
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