Yvonne Catterfeld. Eine Beschwärmung. – Das Böhmerjournal des Freitags, dem 9. Dezember 2011.

5.45 Uhr:
[Regen, dessen Geplätsch in Windböen durch das Oberlicht klingt.]

Ich bin entzückt und angerührt. Wann geschah mir das durch eine Schauspielerin zuletzt? Das geht mir nicht ans Geschlecht wie bei der Rampling lange Zeit, oder nur ein wenig, sondern sitzt im Gemüt. Als Vergleich habe ich nur, als erlebte Erfahrung, die junge Romy Schneider, und wirklich sind da Ähnlichkeiten in den Gesten, in Blicken, ja: vor a l l e m in den Augen, – etwas, das unmittelbar einfängt: seinerzeit ganz ebenso Hans Hass wie gestern mich zur Nacht, als ich in der Mediathek der ARD >>>> Ben Verbongs Fernsehverfilmung „Das Mädchen auf dem Meeresgrund“ sah. Ich schaute sie mir eigentlich nur >>>> meines eigenen Sommererlebnisses wegen an, das ich nun fast schon ebenso vergessen hatte, wie daß ich in der Folge selbst tauchen lernen wollte.
Yvonne Catterfeld. Das ist so ein Name, der mich gar nie locken würde, komisch sternchenhaft, eine Retorte schon in der gelesenen Erscheinung. Doch es genügte ein einziger Blick. Und wie sie dann l i e f, die junge Frau, und mit welcher Beharrlichkeit sie sich schließlich durchsetzt. Wie sie den seelischen Innenausdruck durch sparsamste Gesten, imgrunde wieder nur durch Blicken, der Kamera vorführt, ohne sich im geringsten zu prostituieren. Dazu diese geradezu Reinheit ihres – im Film nie wirklich in Szene gesetzten – Körpers, eine Reinheit der Schönheit, nicht ohne, freilich, Naivetät solcher Reinheit, aber ohne in mir, wie so oft, das Bedürfnis anzulocken, sie, in spitzem mefistofelischen Sinn, zu verführen, sagen wir: abzurichten. Sondern eine Schwärmerei des Herzens, die nicht einmal bereits pubertär, sondern tatsächlich kindlich ist, also meine, eines fast 57jährigen, zumal sexuell dominanten Mannes. Sie mögen das lächerlich finden, bitte, gerne, finden Sie nur. Ich finde es märchenhaft. Und begeisternd, daß eine derart junge Schauspielerin so etwas zu erzeugen vermag. Sie darf sich das nicht nehmen lassen, bitte, so lang es irgend geht.
>>>> Der Film selbst ist sicher kein cineastischer Höhepunkt, sondern eine dahinplätschernde Mittelware für den Fernsehgeschmack meiner Omi. Dennoch erstaunlich, wie genau er so wirkt, als wäre er bereits in den Fünfzigern gedreht worden; deshalb funktionieren die Schnitte in die Dokumente so gut, in die Schwarzweiß-Aufnahmen der Eheleute Hass, späteren Eheleute, die am Ende des Films persönlich auch auftreten. Auch hier wieder Reinheit. Dieses alte liebende Paar. Es mag ein Schein sein, ich will das nicht wissen, es mag aber stimmen, dann will ich es wissen. Niemand indessen, außer den beiden, kann es erfahren und sollte.
Yvonne Catterfeld. Meine Güte. Wie der Ritter vor seinem Lehnsfräulein, beug ich mich minnend aufs Knie und bebe um einen Handschuh oder ein Tücherl. – Minne, immer, war rein gedacht.

Doch ins Unreine zurück nun, in die Wirklichkeit, das große Poem der Entschwärmung, das dennoch, deshalb, s i n g t: Paulus Böhmers. Bis ich die Löwin durchs Telefon wecke, will ich den Schluß meines Aufsatzes fertighaben. Dann einmal am Screen lesen und durchkorrigieren, dann ausdrucken, dann auf dem Papier korrigieren. Bis spätestens spätnachmittags soll alles fertig sein.

Guten Morgen, Leserin.
Guten Morgen, Leser.

8.52 UHR.
Fertig. Ich geh jetzt an die Überarbeitung des Rohlings, wie immer Do solche Entwurfsdinger nannte, zur Ersten Fassung, die sehr wahrscheinlich auch die endgültige bleiben wird; doch eine zweite mag es geben, wenn ich den Text für den avisierten Abdruck in den >>>> horen vor-, bzw. nachbereiten werde.
Doch welch eine schlafmüde Löwin das eben am Telefon war! Und wie unwirsch, als sie von Catterfeld hörte. Mir wird sowas immer unklar sein: schon Do, vor Jahren, konnte auf Filmplakate eifersüchtig werden, auf denen mir Frauen gefielen. Ich hingegen habe an meinen Frauen solches Schwärmen immer gemocht, und mag es weiterhin: es schenkt ihnen eine Empfindung, die ein realer Mensch gar nicht zu erzeugen vermag, macht sie also reicher. Zumal ist die Realisierung cineastischen Schwärmens ganz jenseits aller Möglichkeit; vielleicht besteht gerade darin sogar der Reiz: daß etwas unerreichbar sei. Nur das, das allein, hält es rein. Bereits gemeinsames Kaffeetrinken oder auch nur, daß man dem Schwarm eine Tür aufhält, würde das Phänomen restlos zerstören, sein Rührendes, Be- und Anrührendes. Interessant, daß Anrührung ein jedes Berühren ausschließt: es findet allein in einem imaginären Raum seinen Ort.

11.50 Uhr:
Ausgedruckt i s t:

Im Papier korrigiert wird aber erst nach dem Mittagsschlaf, vor dem ich jetzt noch frühstücken will: Frühstückseiwasser ist aufgesetzt.

[Arnold Schönberg, Streichquartett D-Dur von 1897.]
Unglaublich, wie herzig der junge, nochromantische Schönberg da klingt, geradezu hüpfend spielen die Lasalles das. Man kann gar nicht anders, als dauerzugrinsen.

4 thoughts on “Yvonne Catterfeld. Eine Beschwärmung. – Das Böhmerjournal des Freitags, dem 9. Dezember 2011.

  1. Catterfeld Schön, wie Sie das schreiben. Hätte nicht erwartet, daß Sie dies “reine Schwärmen” fühlen können. Ja, Yvonne Catterfeld hat wirklich sehr gut gespielt, es wird Zeit, daß sie noch bekannter wird. Romy Schneider ist sie wirklich sehr ähnlich, ganz besonders eben auch der jungen Lotte Hass. Von Lotte Hass hatte man nicht viel gewußt, berühmt war nur Hans Hass. Durch diesen Film wurde die heute über 80-jährige wieder jung.

  2. outing ging mir ebenso, bin bei diesem film hängengeblieben nur wegen der catterfeld, ansonst hätte mich das thema nicht angesprochen.
    dachte ich an die catterfeld hatte ich nur das bild einer soap opera darstellerin und seichte songsträllerin als bild im kopf.

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