Der hausgewordne Parteisekretär, sowie Die Liebe als eine Farce Gottes. Nachträge nämlich aus dem 6. November. Das Leben als einen Roman betrachten, Kapitel 13: Circes Tochter ODER Machtspiele.Denen das Arbeitsjournal des Montags folgt, dem 7. November 2011. Zurück in Berlin, sehen wir alles voraus (2).

5.05 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Auf um 4.40 Uhr. Ich lag kaum, da war es kurz nach Mitternacht, im Bett, da rief die Samarkandin an – das heißt, sie schickte, vorsichtig, erst eine SMS: „Sind Sie noch wach?“ War ich, gerade so. Dennoch rief ich aus dem Dunklen meines Arbeitszimmerlagers zurück. – Ich solle bitte weiterschlafen. „Doch würden Sie mich wohl wecken morgen früh um fünf?“ Eigenartig, dachte ich in meiner >>>> durchs Seminar erlangten Erschöpfung, deretwegen ich nicht gezielt nachfrug. Mir war doch ganz andres im Kopf, etwas, über das ich nach meiner Rückkunft schon mit der Löwin telefoniert. Ich will es Ihnen gleich erzählen. Eigenartig, also, für diese Frau, die gemeinhin schon um acht nur schwer aus den Federn zu bekommen ist. Und prompt, eben – da ich folgsam, wie ich bin, gleich auf zwei Apparaten den Weckruf versuchte – waren beide Apparate auf Mailbox gestellt. Will sagen: Folgsamkeit steht mir einfach nicht und geht mir darum immer schief, für die Samarkandin mithin genauso: das „wie ich bin“ ist purer Schein. Nun wird sie weiterschlafen müssen, die >>>> Frau v. Samarkand
Latte macchiato, Morgenpfeife.
Was war geschehen?
Wir plauderten noch eine Stunde, Ricarda Junge und ich, als die anderen schon auf und davon, plauderten über die Gänge der Liebe; „Gänge“ war >>>> ein einstmals berühmtes Ballett William Forsythes genannt, ein damals für mich entscheidender Impuls für eine zeitgenössische Poetik auch der Literatur. Nun sprachen wir von Hochzeiten auf hohem Meer, auch von deren Pendant, das an den deutschen Ostseeküsten Blüten anschwemmen läßt, die von Seebestattungen stammen; die Urnen freilich liegen am Grund. Von Verbindungen war die Rede, die wider Willen beider Parteien im, so hat das >>>> Eisenhauer genannt, Himmel geschlossen würden – Allegorie auf einen modernen Kugelmythos: Sie wissen schon, von jenen Kugeln, die man zerspalten hat, und seither suchen sich die Teile – das Tragische, in der Moderne, ist, daß sich die Hälften längst emanzipierten; so fügen sie sich nurmehr knirschend zusammen, lassen sich höchst ungern wieder zu Teilen strecken, da sie doch Kugeln längst schon selbst, aus Leibern, die schützend um ihre Autonomien gewunden. Gottes Ratschluß (der nix rät, sondern macht) ist selten ohne Bosheit und nie ohne Witz, wenngleich den wirklich nur Götter komisch finden können. Um ihn zu desinfizieren, haben wir Menschen die getrennten Schlafzimmer erfunden und Beziehungen voll Leidenschaft, die Hunderte Kilometer lässig überspannen.
So ging das Gespräch. Dann war zum Bahnhof aufzubrechen, wohin ich Frau Junge begleitete, um meinen schweren Rucksack abzugeben, bevor ich die Kollegin erst an den Zug brachte und dann, für mich in Leipzig verblieben, >>>> zur Oper aufbrach.
Das sind kaum sechs Minuten Wegs.
Es war warm, die Sonne schien in den Bilderbuchherbst, den wadenhoch das feuchte gefallene Laub als buntester Teppich, aber gedeckt in den Farben, bedeckte. Am häßlichen, doch weiten Platz zwischen Opern- und DDRlich neuem Gewandhaus – mir gegenüber, in seiner ausgestellten Sachlichkeit noch viel häßlicher, das langgestreckte Gebäude der Post – ließ ich mich auf einer Bank nieder, um einen Cigarillo zu rauchen und >>>> etwas Krausser weiterzulesen. Dann notierte ich folgendes.
Leipzig, 6.11, Vor der Oper, 14.20 Uhr:
[Aus dem schwarzen Notizbücherl.]
Neben mir ein junger Mann zu seiner schwangeren Freundin: „In die Oper gehen? Nie in meinem Leben gehe ich in die Oper! Da krieg ich ja ‘n Kulturschock! Und wenn ich achtzig würde! Aber dann liege ich sowieso schon 120 Zentimeter tief in der Erde -“
Ich bin versucht, zu ihm zu gehen und ihm lächelnd zu sagen: „Wissen Sie, da verpassen Sie aber etwas, ich meine: mit der Oper. Und zwar eines, nach dem man nicht ohne Grund sehr süchtig werden kann. So gesehen ‚verpassen‘ Sie es nicht einmal, sondern Sie versagen es sich. Das ist ein bißchen schade.“ Um dann, weiterhin lächelnd, den Drittelplatz zu queren, auf die messinggold umrahmten Türen zu, noch die paar Treppenreihen hoch, und schreitend. Doch in der Tat (noch bleibe ich sitzen) nähern sich ihnen, nicht strömend, aber wie lose Bäche, beinah nur alte Menschen; außerdem locken sie nicht, diese Türen, ja insgesamt stößt die flach wirkend schmuckflach wirkende Riesenfassade meinen Blick eher ab. Derart nüchtern kommt sie mir vor: wie der Parteisekretär eines >>>> brobdingnagschen ZKs, der sich feingemacht und seine grausam dünnen Lippen mit einer Creme von Blattgold belegt hat.

*******

(Ich tippe ab, doch indem ich tippe, korrigier ich bereits und formuliere auch um und erweiter.)

: 6. 12 Uhr.
6.11., 16.10 Uhr:
[Rosenkavalier, Erste Pause. Aus dem schwarzen Notizbücherl.]
Das Wunder des Rosenkavaliers besteht darin, daß er keine Modernisierung braucht. Das Ewige Thema (wie Liebe, Tod, Verlassenheit) von Altern, Loslassen, gutem Verzicht. – Ausgerechnet Glenn Gould nannte Richard Strauss einmal den größten Komponisten des Zwanzigsten Jahrhunderts, und er sagte es spät, er, der fast nur Bach gespielt hatte.
Ich sitze für mich, wiewohl eine Bekanntschaft gemacht. Aber nach diesem ersten Akt, jedesmal, möchte ich für mich sein einige Minuten und spüren, wie die leise Erschütterung in mir nachhallt.
„Die junge Resi“ – wie kann das sein?
DAS WUNDER ROSENKAVALIER – so soll der Aufsatz heißen.

21.07 Uhr:
[IC Leipzig-Berlin.]
Es ist nahezu unmöglich, daß eine Inszenierung des Rosenkavaliers derart danebengeht, daß man nicht doch ergriffen würde und einzweimal schluckt; zweidreimal drängen die Tränen. Nein, sie müssen nicht fließen; doch stehen als ein kleiner See zwischen Unterlid und Augapfel. Das langt schon hin. Wobei diese Leipziger Inszenierung eine schlechte nicht ist, schon gar nicht eine danebengegangene, – aber dazu später: „Jedes Ding hat seine Zeit“, um es mit Hofmannsthals Marschallin – sofern Sie, gnädige Frau, mir das erlauben – auszudrücken… – später, wenn ich die Kritik geschrieben haben werde – ein völlig falsches Wort, überdies, hier.
Was geschah, war etwas noch anderes.
Alle drei möglichen Begleiterinnen hatten mir abgesagt: die Löwin, die ursprünglich (welch ein Wort!) hatte für den Sonntag aus Wien nach Leipzig fliegen wollen, um dann, nach dem gemeinsamen Opernbesuch, mit mir für dreivier Tage nach Berlin weiterzufahren; von dort schließlich wieder, Gabelflug, zurück nach Wien; ein wirklich wichtiger Termin, kurzfristig, verhinderte sie jetzt. Daraufhin hatte ich >>>> Phyllis Kiehl gefragt, meine Coachin, die sowieso in Leipzig war, seminarshalber; die wär auch gerne mitgekommen, aber einer wichtigen Freundschaftsangelegenheit wegen ging das nicht; sie mußte nach Frankfurtmain sofort zurück. Weshalb ich, dies nun die dritte, Ricarda Junge fragte; auch sie hatte anfangs Lust mitzukommen, besann sich indes auf ihren Flug morgens tags drauf, lang in die Berge Aquitaniens über Paris nach Toulouse, von dort aus noch mit dem Auto weiter -.
Also stand ich um fünf nach halb drei ganz allein an der Leiziger Opernkasse. „Entschuldigung, meine Begleiterin hat kurzfristig absagen müssen. Wie regeln wir das nun mit der Steuerkarte? Darf ich sie zurückgeben? Ich kaufe sie aber selbstverständlich auch und gebe sie dann draußen an jemanden anderes weiter.“ „Aber nein, Herr Herbst! Das geht völlig in Ordnung.“ „Ich möchte einfach nicht, daß Ihnen ein Platz verfällt.“ „Machen Sie sich keine Gedanken.“
Das Haus war gut gefüllt, in meiner zehnten Reihe nur der Nebenplatz frei, wie um der Löwin zu gedenken, die da hingehört hätte. Nun war, um es ironisch devot auszudrücken, das Wild alleingelassen, und wiederum wagnersch (denn der Rosenkavalier macht mich stets weich): es eignet mir diese Oper nicht für die Jagd, ich käme mir sonst wie einer von Lerchenau vor, ja selber so grob wie der Ochs.
Da setzte sich neben mich hin eine Frau, jung noch, s e h r jung, VWL-Studentin, wie ich später erfuhr, und irgendwie kamen wir ins Gespräch. Wenn ich ihrerseits keine Absicht unterstelle, dann stimmt das „irgendwie“. Aber man denkt sich schon seinen Teil, einen verschwörungslibidinösen, nachher, wenn man, vor allem nach >>>> dem da („wenn ich in Leizpig weibliche Fans hab“), wieder für sich ist. Das ist immerhin weniger mystisch, als würde das Schicksal bemüht. Man ist beobachtet worden, wie man allein das Haus betrat. Die Karte war just zurückgegeben. Das Leben ist als Roman zu betrachten. Was hab ich später am Abend gesagt? Topping from the bottom, das funktioniert nicht bei mir. Ah, Überhebung! Wer in die Netze der Circe gerät, einer Sodomistin, und ihrer Tochter… logischerweise. Darüber wurde bloß wenig geschrieben, wie sie die Schweine lieben, und wie. Die Erscheinung indes gibt sich arglos. Verrät ihren Herkunftskern, aber, dann doch. Wir müssen nur den Wörtern lauschen, schon hebt mein Instinkt seinen Kopf und weitet ganz die Nasenflügel. „So habe ich das Glück, diesen schönen Platz einzunehmen“, war fast der erste Satz, den sie sagte, „und neben Ihnen sitzen zu können.“ Ich begriff die Entblößung aber noch nicht: eine, die sich ausliefern will. Denn Wille, und selbstbestimmter, i s t das – einer, der fordert, zumal.
Es darf, wer das Spinnennetz wehen fühlt, sich da nicht mehr regen, auch nicht verbal, sondern muß still für sich den Wind erwarten, daß der‘s zerreißt. Das gilt selbst, lernte ich gestern, in der Oper. „Ja wie wahrscheinlich ist d a s denn?“ fragte Circes Tochter später, nicht ohne den spottenden Ton der Gefahr.
Ich bin halt ein Spieler, der es als Wild nicht lange aushält.
Deshalb sagte ich was.
Aber absentierte mich noch, in der ersten Pause, „um zu rauchen“ schürzte ich vor. War dann auch wirklich in mir, trieb im Zusammenfluß des Staunens und Klagens über die Zeit und wie wir ihr zusehn durch die Foyers, setzte mich schließlich in eine tiefe weiche Couch und notierte. Doch nach dem zweiten Akt, im Kopf des Ochsens den Walzer tanzende Federbetten, lud ich die junge Dame auf einen Sekt ein – und parlierte vor mich hin. Über was mir aufgefallen, so ganz allgemein im Osten: das höhere Niveau im faktischen Wissen von Schülern und Studenten, zur Seite indes ein Verschultsein und die Neigung zur pflichterfüllenden Streberei, indes man im Westen den Autoritäten durchweg kritischer gegenüberstehe. Was mir näherstehe. Undsoweiter.
Das alles, wohlgemerkt, zwischen vorwiegend festlichen Alten unterm Messinggeglitz, vielen Alten – sah man ein junges Gesicht, war es wie Wohltat, als würde man flüchtig geküßt. Und auffällig n o c h: so gut wie keine Schwulen, schon gar nicht solche der High-Society-Szenen. Absolut irre imgrunde, wenn man Berliner Häuser dagegenhält, vor allem, nun wirklich, beim Rosenkavalier. Nein, durchweg Gesetztheit, durchweg ein bißchen bieder, durchweg beruhigt: der Operngang als Feierabend in die Vergangenheit seufzender gutgebildeter Rentner. „M a c h t also“, fragte Circes Tochter, „gefällt Ihnen nicht?“
Ich spürte nicht die Falle. Sie kam durch die Luft: An Indian Summer‘s trap.
Meine Standardsätze: Niemandes Herrn und Diener sein.
Darauf Sie: „Und >>>> die Triskele?“ Sie meinte meinen Ring. Den an der rechten Hand. Besaß dann später eine gleichermaßen kraftvolle wie scheue, ja spielend befangene, also besonders spöttische Frechheit, indem sie anmerkte, es habe ihr gefallen, daß nicht nur sie rot geworden sei, als die Sprache auf den Ring kam, sondern auch ich sei‘s geworden. Das war mir da völlig entgangen in meinem kurzen Schreckmoment, aber ich bestritt es nicht. Wurde ganz Wild (aber noch Schwein nicht) und säuselte ein IchSeiHaltSensibel. „Ja“, sagte sie, „und schüchtern. Das sieht man Ihnen an. Und komplett introvertiert.“ Fehlte nur noch, mich einen Nägelknabberer zu nennen. Es war an der Zeit, die Führung zu übernehmen.
So weit Öffentlichkeit das zuläßt, tat ich es, zumal ich gerne öffentlich spiele. Wir saßen schräg gegenüber der Oper in einem Restaurant und tranken Martini blanco. In einer Stunde ging mein Zug. „Öffnen Sie bitte Ihr Jackett.“
Sie schmiegte sich in die Sätze. Nur einmal borstete sie kurz, doch was sich aufstellte, war weich und ließ sich mit einem Handstreichen legen. „Wir werden die Spießer schockieren.“ „Ach was, sehen Sie nur: wie milde beide dreinschaun.“ Sie sahen, in der Tat:, milde auf ihre gestylten Suppenteller hinunter, und von den Stäbchen hingen die tropfenden Nudeln.

Berlin Hauptbahnhof – ich muß erstmal schließen. Den Laptop auf Standby hinunterfahren. In wenigen Minuten erreicht mein Intercity den Brunnen von Gesundheit & Heimkehr. Schwer ist der große Rucksack zu wuchten, und der kleine mit den unmittelbaren Arbeitsmaterialien.
Nein, ich bin nicht… ha! von wegen!!: – abgeklärt.
*******

7.11., 8.32 Uhr:
[Noch immer keine Musik.]
Aber der dritte Latte macchiato bereits, und die dritte Pfeife. Daß ich einmal mehr eine Geschichte erzähle, ist Ihnen hoffentlich bewußt. (Ich höre aus den Falten der Löwinnenfinger die Krallen sich an der Mechanik der Sehnen üben, und so genau schräg ratschen sie an der metallenen Einfassung sei‘s ihres Arbeitstisches, sei‘s ihres Kühlschrankes lang, daß sie sich schärfen. Überdies die Frau Unweckbares Samarkand rief nun, von sich selbst geweckt, hier an: Es habe wohl nicht sein sollen.)
Dabei war ich, Löwin, insgesamt treu. Ich hätte in Leipzig bleiben können. „Schade“, sagte Circes Tochter, als ich beeilt dem Bahnhof zuschritt, sie neben mir. „Begleiten Sie mich noch zum Zug?“ hatte ich gefragt und sie geantwortet: „Wenn Sie das möchten.“ Sowie auf dem Weg: Sie wohne nur wenige Minuten von hier. Man habe Vertrauen entweder nie oder sogleich, und dann immer ganz. Es ist der Instinkt. Wer ihn noch hat. Von manchen Menschen ströme ein Glanz, der sich unweigerlich finde. Man habe gar keine Chance. Ich mußte an das Gespräch mit Frau Junge denken. Wie lächerlich die Autonomie, die sich die Kugelhälften gaben. Aber es seien, dachte ich, eben nicht Hälften, sondern Viertel in Wahrheit, Achtel, Hundertstelsplitter vielleicht: eine mythische Erklärung der Polyamorie – Teilchen, aus den Gefügen gerissen im ersten Big Bang, von Gott aus dem Tanzenden Weltall geniest. Und furchtbar-unmittelbar, ganz furchtbar unvermittelt im herrlichen Erscheinen.
Die Wahrheit ist, daß ich nicht, wie ich Circes Tochter erklärte, meines Jungen wegen heimfuhr – den hätte ich früh genug am frühen Nachmittag des kommenden Tages, heute, des Montags, gesehen, und er hätte gar nichts bemerkt, sondern weil ich eine Nacht der Lust als stillos empfunden hätte – der Platz in der Oper war nach wie vor der Löwin gewesen, auch wenn sie nicht kam und mich bloßließ. So wäre sie, die hypothetische Nacht, eine Verletzung zweier gewesen, nämlich überdies der Circetochter, die ein Ersatz geworden wäre. Nicht so in Kuß allein und Berührung, nicht so im begonnenen Tanz, der die Zunge über die Handfläche führte. Sie mögen mich, Leserin, für kompliziert halten und mögen recht haben damit; Sie mögen mich, Leser, für dumm halten, strategisch dumm. Denn die Wahrscheinlichkeit ist gering, daß Circes Tochter noch einmal in das Spiel geht, das nur gewinnt, wer es verliert. Ich hätt es also, sagen Sie, vertan. Mag sein – doch ist es m e i n Netz nun, das weht. Und Circes Tochter wird das wissen.
Ah, Löwin! Wie grimmig Du, spür ich, darob bist! Und wie – darauf s t o l z.

Das Leben als Roman 12 <<<<

10.15 Uhr:
Wir >>>> sehen alles voraus (2). Denn auch das, daß ich diese Geschichte so schrieb, ist, aus der Sicht des Strategen, dumm, und zwar sogar nach mehreren Seiten. Doch wir lassen uns auf den Pragmatismus der Strategen nicht ein, halten vielmehr einen Stolz dagegen, den es würde demütigen, seinen Character ins Laub zu verwühlen, um dort zu lauern. Wir verweigern uns den Schützengräben und Hecken, aus denen man schießt. Dies ist des Künstlers, der sich nicht managen will wie eine Ware, Trotz. Wir werden auch partout nicht korrupt, ja selbst einer sozialen Anpassung stehen wir mit dem Mißtrauen dessen gegenüber, der seine Hände schmutzig macht, nur wenn ihm danach ist. Dann aber greift er – und das in doppelten Sinnen – selbst in den Kot. Und er zeigt das, wo andre noch immer so tun, als stünden sie unter der Dusche darin und werden doch braun von der Soße.

Was ist zu tun?
Die Kritik zu gestern abend ist zu schreiben, dann offene Post zu erledigen. Und wieder zurück >>>> zum Krausser. Weil das alles so drängt, nehm ich mir die Zeit fürs >>>> DTs diesmal nicht; bin sowieso im Verzug, der Seminare halber. Zu denen sollte auch heut noch die Rechnung hinaus, die uns das Weihnachten sichert. Und abends treff ich Werner Hintze, den Chefdramaturgen der Komischen Oper. Überhaupt bin ich zugekleistert mit auch Abendterminen: Morgen FAZ-Empfang im >>>> Hotel de Rome. Die erste persönliche Begegnung mit Büning. Auch Mittwoch ist was, aber ich kann meine Handschrift im Timer nicht lesen. Und am Freitag bereits geht es zum nächsten Seminar, nach Frankfurtmain, sowie, von dort aus, am Montag zur Paderborner Lesung. Das beste ist, Ruhe zu bewahren; Talleyrand: Surtout, pas trop de zèle. Womit ich dann doch beim Strategischen wäre.

Arbeiten.

16.46 Uhr:
[Strauss, Rosenkavalier.]
Bis eben >>>> an der Rosenkavalierskritik gesessen; an den Krausser bin ich noch gar nicht gekommen. Urheberrechtszeug mit dem WDR war zu klären, die Bestimmungen werden immer irrer. Es reicht nicht mehr, Aufnahme, Beteiligte, Plattenfirma usw zu nennen, sondern nun muß immer auch noch ein spezieller Labelcode her, und was aus dem Netz stammt, soll ignoriert werden, weil niemand rechtlich damit auch dann nicht umzugehen weiß, wenn Urheber etc. bekannt sind und genannt werden. Eine aufs Geldverdienen ausgerichtete Verwaltung, die vor allem sich selbst an fremder Arbeit finanzieren will, überwölbt die Inhalte völlig. Zum Haareraufen, wenn man denn welche hätte. Gemein ist, daß diejenigen, die meinen Unwillen darob abbekommen, völlig unschuldig und letztlich selbst auch hilflos sind.
Bevor ich aufbreche, möchte ich wenigstens eine Stunde noch lesen. Dabei hab ich noch nicht einmal die Zähne geputzt.

5 thoughts on “Der hausgewordne Parteisekretär, sowie Die Liebe als eine Farce Gottes. Nachträge nämlich aus dem 6. November. Das Leben als einen Roman betrachten, Kapitel 13: Circes Tochter ODER Machtspiele.Denen das Arbeitsjournal des Montags folgt, dem 7. November 2011. Zurück in Berlin, sehen wir alles voraus (2).

  1. Die Abwehr des jungen Mannes erinnert mich an ein Gespräch mit Siegfried Lenz, das ich vor ein paar Tagen sah.
    “Was würden Sie jungen Leuten sagen, die sich weigern, Bücher zu lesen?”
    “Ihr verpasst … eine glückliche Anstiftung zu einem bewussteren Leben.”

    Guten Morgen!

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