Wilfriede Circe Oldenburg im Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 26. Oktober 2011.

4.50 Uhr:
[Arbeitswohnung. Miłosz Bembinow, Seven Gates to Wildness (2003).]
Immerhin eine Idee, für den Jungenroman II, aber noch keine Ahnung, inwieweit sie mich weiterführt, diese – eben! – Nicht-Hexe. So nämlich nennt sie Kaiser, der von sich selbst sagt (er ist elf), ein naturwissenschaftlicher Character zu sein. Außer seinem Vater bringt er Erwachsene ohne Umstand auf die Palmen; das sitzen sie dann, wütend, und starren auf ihn hinab. Frau Oldenburg aber…Jetzt denken Sie an einen strengen Lehrerinnen-Typos… – Oh nein, sie ist eine sehr junge Frau, ist für den alten Ramaswami v i e l zu jung. Dennoch. Wo halt die Circe hinfällt. Dabei sind Kaisers Eltern noch verheiratet. Sie sehen beider, des Vaters und des Sohnes, Problem? (Der Mutter ist es noch nicht, denn die lebt in Indien; was Gründe hat, die ich Ihnen hier nicht erzähle.) Ein, jedenfalls, Janus-Problem ohne Zeit, könnte man sagen, oder: Mit verknickter, zu den Seiten, Zeit.

[Bembinow, Listy. Od zierzchi du świtu (2005/2006).]
Aufgestanden um 4.30 Uhr, um 0.15 Uhr lag ich im Bett. Gearbeitet, an dem Jungenroman, habe ich bis 22 Uhr, dann einen – diesmal guten – Tatort geguckt: „Mauerpark“; wer auf dem Prenzlauer Berg lebt, muß sich das angucken. Schon, weil die Kinder dort ihre Drachen steigen lassen, die Zwillingskindlein in diesem Jahr zu ersten Mal. Es gab auch, nachts, noch einige Mails zum >>>> „Trollkomplex“. Und einen feinen >>>> Kommentarwechsel zu erotischen Lockdüften, den ich gerne weiterführen möchte. Dann habe ich mal nachgeschaut, wer >>>> Boris Kehrmann ist. Doch, hier diskutierte ich ebenfalls gern weiter, auch wenn >>>> Tobias Zeitkan in einer Mail herablassend abgewinkt hat; gerade drum sogar: ich mag diese Herablassung nicht. Sowieso nicht, da gute (Gegen)Argumente eingebracht wurden.
Latte macchiato und Morgenpfeife. Miłos Bembinow war einer der >>>> Concordia-Bewohner nach mir. Angenehme Morgenmusik. Ein bißchen retro, kommt‘s mir vor. Das ist grad eins meiner Lieblingswörter: retro. Ich weiß, wann das losging: bei einem Blinddate. Da packte ich meine Pfeifen aus, also legte das Lederfutteral – es war noch frühes Frühjahr – auf den auf die Oranienburger hinausgestellten Tisch, und die Dame rief erheitert aus: „Sie rauchen Pfeife! Wie retro!“ Wer den Tonfall dieses retros im Ohr hat, kapiert sofort, weshalb es ein Lieblingswort wird. Verwendet man‘s, hat man die ganze Frau bei sich: das genaue Gegenteil von Circe Oldenburg
Jetzt das >>>> DTs. Dann der Jungenroman II, ff.

10.22 Uhr:
[Kalevi Aho, Zehnte Sinfonie (1996).]
Das ist jetzt beruhigend: Rücksprache mit dem Kinderbuchverlag; mit der Abgabe des Textes hat es Zeit bis in den Januar; da ist dann auch gut Luft für UFs Lektorat. So kann ich die eigentliche Schreibarbeit in den Dezember legen, in dem ich außer dem Eröffnungsvortrag des >>>> Paulus-Böhmer-Kolloquiums in Braunschweig keine weiteren Termine habe, und mich jetzt auf >>>> das Krausser-Hörstück konzentrieren, d.h. vor allem erst einmal auf die Lektüren und Wieder-Lektüren. Die ziemlich hinderliche Spaltung in mehrere Projekte, in deren eines ich irgendwie nicht reinfinde, hat so erst mal ein Ende. Wobei ich mich wegen des Jungenromans locker um die Plotfindung kümmern werde, um dann, mit dem ersten Dezember, mit der Niederschrift loszulegen. Bis dahin nur Krausser und der Vortrag zu Böhmer; zwei Wochenendseminare liegen noch in der Zeit, aber das ist unproblematisch. Problematisch ist eine Leseempfehlung, die heute früh bei mir einging: Lord Byrons Briefe erinnerten Frau H, schrieb sie, immer wieder an mich. Ich: Ob ich den jetzt lesen müsse? – und gleich aus den Regalen gezogen, die Gedichte, die Briefe. Darin, S. Fischer 1985, finde ich des Übersetzers persönliche Widmung an mich. Wie peinlich! Ich habe überhaupt keine Erinnerung mehr an den Mann. Wir schienen uns aber gut zu kennen, denn er schreibt: Möglich, lieber Alban, daß die Übersetzung von folgendem Motto begleitet sein sollte: ‚indicet in Scyllam, qui vult vitare Charybdim‘ (Homer, Odyssee, XII, 85ff.) – TommyEine prophetische Anspielung auf >>>> den quadratgekreisten Umgang mit Trolls (Du mußt nur die Laufrichtung ändern, sagte die Katze und fraß sie)? Das hat mir dieser Mann damals schon geweissagt!
Ich werde dennoch bis zwölf mit dem Jungenroman weitermachen, schon mal „reiner“ PlotEntwurfsBeginn; fünfzig Buchseiten, etwa, immerhin, stehen ja schon. Nach dem Mittagsschlaf >>>> die Planung aber umwerfen und mich auf Krausser konzentrieren (sowie, na sowieso, auf Die Dschungel). Ab Januar dann geht es mit Hochdruck an ARGO; ich muß mit Elfenbein unbedingt den Produktionsplan absprechen. Das ist alles äußerst knapp bemeßne Zeit. Aber Dostojewski konnte das a u c h. Also kein Grund, sich rauszureden, auch wenn ich nichts als einen Ahnungsschleier dafür habe, wie ich mir diese Überarbeitungszeit dann finanzieren soll.

18.31 Uhr:
G a n z wichtig jetzt: >>>> diese abermalige Antwort Kehrmanns, auf die ich gleich darunter reagiert habe. Hier geht es jetzt wirklich, innen brennend, um die Fragen von Kunst. Alleine das hat den Besuch dieser Operninszenierung mehr als gelohnt und rückt plötzlich etwas, das ich mit Der Dschungel, unter anderem, immer erreichen wollte, in die Realität.
Ansonsten lese ich Krausser. Ansonsten ist es recht ruhig heut in Der Dschungel. Aber aufgeregt – von: daß etwas aufregend sei – im Innern.

3 thoughts on “Wilfriede Circe Oldenburg im Arbeitsjournal des Mittwochs, dem 26. Oktober 2011.

  1. Hat ‘Tommy’ geschlampt? Steht dort wirklich ‘indicet’ statt ‘incidet’? Dann würde er arme vor charybdis Gerettete nämlich “gegen Skylla Anklage erheben” statt hineinzufallen.

    Zweitens wird ‘Charybdis’ auch lateinisch noch griechisch gebeugt: ‘Charybdin’ wäre zu erwarten.

    Oder hat ANH geschlampt?

    1. @Beckmesser zu S & Ch. Das schrieb mir auch schon Aikmaier, wenn auch ohne Bechmesserei; er trägt aber auch nicht diesen belastenden Namen. Ich hatte also noch mal nachgeschaut. Es steht tatsächlich sowohl indicet wie Charybdim in der Widmung.
      Auch mich hatte “gegen Skylla Anklage erheben” ein bißchen verwirrt, weshalb ich den fließend sprechenden Altlateiner um Nachhilfe bat, die er mir auch, ohne mir gleich Schlamperei vorzuwerfen, gegeben hat. – Freilich bin geehrt davon, daß Sie stets so genau bei mir lesen. Das kann nicht ohne innere Folgen für Sie bleiben. Deshalb danke ich Ihnen für das Vertrauen Ihres derart geöffneten Herzens.
      Falls weitere solche “Fragen” an mich herangetragen würden, scannte ich die Widmung – aber brauchen wir wirklich all diesen Aufwand an Zeit?

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