Arbeitsjournal. Sonnabend, der 30. Januar 2010.

8.13 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Heute vor zehn Jahren, mein Junge, bist Du geboren worden. Da ich heute erst gegen 16 Uhr >>>> im Konzerthaus sein muß (wo dann zum ersten Mal die Solisten des >>>> Orpheus zusammenkommen), ist gut Zeit für Dich. In einer Stunde werde ich Ans Terrarium radeln, Deine Geschenke dabei (kompliziert: den noch verpackten Celloständer auf dem Rad transportieren), लक und ich werden den Geburtstagstisch decken, sie hat gestern nacht noch Deinen Geburtstagskuchen gebacken; so werden wir und Deine Geschwisterlein Dich gegen halb elf erwarten, der Du gestern nacht einmal wieder bei Deiner Freundin hattest übernachten mögen: es gab uns einen Freiraum, ich gebe es zu, लक für Kuchen und Verpacken, mir für meine Arbeit im Konzerthaus, die man auch eine Arbeit für das Konzerthaus nennen könnte, gäbe es denn Geld dafür. Gibt es nicht (es gibt ein bißchen Geld für die Fotos und Tonaufnahmen, die ich dem Haus anfertige und dann zur Verfügung stelle – das steht aber nun in gar keinem angemessenen Verhältnis zu dem fast zweiwöchigen Aufwand – andererseits, mein Sohn, achteten wir bei allem, was wir tun, darauf, daß wir entlohnt werden, kröche die Entfremdung in uns und höhlte uns nach und nach aus; wenn ich Dir dieses Bewußtsein mitgeben kann in Dein jetzt jugendlich werdendes, dann ins erwachsene Leben, dann ist das viel.)

Ich muß den Antrag für das Literaturstipendium fertigmachen, hab das gestern d o c h nicht mehr geschafft – rein aus Ekel vor Formularen. Ist ja auch keine Aussicht auf Erfolg, „ w a s reichst du ein?” fragte am Telefon die Löwin, „damit überforderst du die Jury total. Kannst du nicht zweidrei dieser leichten Erzählungen nehmen?” Nein, kann ich nicht. Denn wenn übers Stipendium entschieden werden wird, werden die Erzählungen schon längst als Buch da sei, und es handelt sich bei dem Stipendium um ein Arbeitsstipendium, nicht um einen Preis. Den ich für diese lockerflockigen Sachen auch gar nicht verdiente: es sind tatsächlich einfach Geschichten, oft rein um des Erzählens willen geschrieben, aus Erzähllust, ohne größere ästhetische Absicht. Zweite Zigarette (leider hatte ich gestern abend in der >>>>> Bar meine Zigarren nicht dabei, die B. mir aus Gran Canaria mitgebracht hat), latte macchiato, na, das kennen Sie ja. Wenn das mit dem Antrag erledigt ist, will ich für Sie ein bißchen was über Kokoschkas Alma-Mahler-Puppe schreiben und darüber, was ein Wiener Puppenmacher von Karsten Wiegand wollte. Zum Kringeln. À propos Wien: Florian Schönwiese, der ausgesprochen jugendliche Generalsekretär (bei „General” muß ich i m m e r grinsen, auch bei „General”musikdirektor) des Ernst-Křenek-Institutes, erschien gestern ebenfalls bei der Probe; viel sprachen wir aber nicht. Doch das Projekt zieht Kreise. Ich wünschte mir nur, die Einwände, die teils ganz berechtigt erhoben werden, schlügen sich als Kommentare nieder: dann könnte dort auch diskutiert werden wie >>>> da. (Übrigens gab es >>>> s c h o n mal eine Kommentatorin namens Sophie; kurz dachte ich: ist es dieselbe Frau? Aber nein! Zu lange her…)
So, ich mach den zweiten Latte macchiato, derweil überspielen sich hier die Aufnahmen von gestern auf den Laptop; ist das geschehen, werde ich alles doppelt auf der großen externen Festplatte sichern. Dann mich anziehen, dann hinüberradeln zu meinem Sohn. Von der Almapuppe erfahrn Sie dann später. Buon giorno, insieme.

13.04 Uhr:
[Am Terrarium.]
Seit zehn Jahren Vater. Völlig unvorstellbar, es jemals n i c h t gewesen zu sein. Vielleicht verstehen das nur Väter. Vielleicht auch Mütter, aber „das ist ein andres”.

“Und wem es nie gelungen, stehle/weinend…” – Zehn Rosen für लक.

Welch ein fantastischer Winter! G l a t t ist es
geworden, nachdem es gestern taute und dann wieder der Frost dazukam. Sin-
nigerweise fährt man mit dem Rad weniger unsicher als man geht;
man darf nur nicht bremsen. Also was die natürliche Motorbremse bei einem
Auto ist, ist das Ausrollen beim Rad. Deshalb ist auf weiten Abstand zu achten.
Scharf um die Kurven zu fahren, ist auch nicht so gut. Allerdings, fällt an
„zu Fuß”, tut’s weniger weh, als wenn das Rad mit einem umkippt. Aber
das ist ein Risiko, das ich ganz gerne inkauf nehme.
Wollte ich das erzählen? Nein. Also:


1) zur Puppe >>>> h i e r.

2) 15.45 – 18 Uhr: >>>> Die fünfte Probe. Ich bekomme unterdessen immer mehr die Funktion eines Dramaturgen; das geht gar nicht von mir aus, sondern die Sänger fragen, auch Zagrosek fragt. Jetzt muß ich noch einmal das Libretto ausdrucken; >>>> Frau Pinter möchte morgen mit mir essen gehen und den Kokoschka-Text mit mir durchgehen. Ich habe zugesagt. Möglicherweise werden auch andere Sänger noch fragen; also eben an die Produktionsleiterin schreiben und ihr das Libretto rüberschicken: ob sie vielleicht im Konzerthaus dreivier Kopien ziehen läßt; dann wäre immer ein Exemplar zur Hand. Und: Ja, “ovid”, das gefällt mir alles sehr, es befriedigt mich, und zwar vor allem: weil ich es k a n n.
Morgen wird’s insgesamt ein bißchen hektisch werden; zwar geht’s erst um 11 Uhr los, aber parallel läuft die Ausstellungseröffnung zu Křenek, und Intendant Nordmann spricht; da hörte ich ganz gerne zu. Vorrang hat allerdings, sowieso, die künstlerische Arbeit, das gesellschaftliche Zeugs ist nettes Halligalli.

3) 18.30 – 20 Uhr:: auf einen schnellen Drink (Ingwer/Champagner-Cocktail, Singapore) mit dem Profi >>>> in der Bar gewesen, von der Produktion erzählt, er wieder erzählte von Pratchetts Scheibenwelt und sagte: „Gutes Buch für die Badewanne. Es regt einen nicht auf, und wenn es ins Wasser fällt, ist es auch nicht so schlimm.”

4) Danach abermals zur Familie, zum Geburtstagskind, das den Nachmittag mit Freunden im Legoland Potsdamer Platz verbracht hat, Pizza essen war und jetzt rotglühend heim zu seinen Geschenken kam. Du hast nächste Woche Ferien, da nehm ich Dich mal in eine Probe ins Konzerthaus mit.

Jetzt ist vor allem noch ein Text fertigzumachen und rauszuschicken, es geht um den >>>> Leseband zu Innsbruck. Seit einem Monat erhalte ich fast alle zwei Tage eine mahnende Mail, wo denn mein Beitrag bleibe; die Abgabefrist sei längst verstrichen. Ich m u ß da einfach jetzt dran.

P.S.: Daß sich >>>> meine Gegnerchen mal wieder lauthals halbstark machen, wundert mich nicht. Sie müssen wissen, Leser, daß ich ihnen – die ziemlich wahrscheinlich ein einziger “er” sind – mal das Mädel ausgespannt hab, das angeödet oder doch unbefriedigt von ihm… na gut: von ihnen war. Das tut ihnen noch heute weh, und so revanchieren sie sich, ohne zu verstehen, daß ihre Anonymität ihnen die Lust – v e r s a g t. Es mag diese spezielle Spielart der Furcht gewesen sein, was das Mädel mir zutrieb. Nicht wahr, “ovid”?

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