Sprecher 2 Bisweilen stehen noch Fragmentreste hoch, bisweilen finden sich Trümmer, doch ein ursprünglicher Zustand, was immer das nun sei, ist kaum wiederherzustellen. Deshalb bleibt von den Romanen ein Ungefähres Flüchtiges, etwas nicht Definiertes und Definierbares. Jede Figur ist zugleich sie selbst wie ein Vertreter von anderen und unabgeschlossen – und wie das Romanprojekt als solches unabschließbar.
Sprecherin 1 Denn wäre nicht im Abgeschlossenen bereits alles wieder – zu?
Sprecher 1 Und die Ableitungen der Personen auseinander! Die unzählbaren Namen! Die Ableitungen der Zeiten! Die mit Fantastik vermischte Realität.
Sprecherin 2 Damit tat sich die Kritik am schwersten.
Sprecher 2 (zitiert:) Mit einer “steinbeißenden Frau” und anderen Fabelwesen ist der Roman eine Mischung aus der Märchenwelt Tolkiens (“Der Herr der Ringe”) und einer gewissen Art der Literatur von Frauen, in der Ökonomie des Erzählens geringer geschätzt wird als ungehemmt strömendes Erzählen.
Sprecherin 2 …einer gewissen Art der Literatur von Frauen…
Sprecher 1 So Rolf Michaelis. In der ZEIT.
Sprecher 1 (zitiert:) …jene pandämonische Märchen-Welt, in der Maikäfer Menschen sind, Steine geweint werden und die Amme vom Grund des Teiches herauf spricht. Solche phantasievollen Mythisierungen sind derzeit en vogue – aber was beweisen sie? – So Wolfgang Nagel. Im SPIEGEL.
Sprecherin 2 …eine gewisse Art der Mißhandlung von Frauen…
Hermetik Die Hermetik insbes. der Nachkriegsliteratur – Celan, Beckett bis Kirchoff, der frühe zumindest – war (vielleicht nur für mich) eine verhängnisvolle Bewegung, auf die eine die formalen Blockierungen niederreißende Literatur folgen musste. Das Offene, Fließende – ob es unbedingt, wie in dem Zitat, auf speziell Weibliches zurück zu klappen ist, erschließt sich mir allerdings nicht. Beckett ist ja ausgewiesenermaßen die Replik auf Joycens entgrenzendes Schreiben. Beckett: “Schnell, schnell, weg!”
“auf die eine die formalen Blockierungen niederreißende Literatur folgen musste.” Das “predige” ich seit mindestens zwanzig Jahren; übrigens gehört auch schon Kafka für mich bedingt in das Verhängnis. Das benimmt allerdings der poetischen Qualität der jeweiligen Werke (oder doch einiger unter ihnen) nichts. Es sind nur jeweils Sackgassen; man kann daran nicht anknüpfen, ohne etwas anderes zu tun, als lediglich zu wiederholen. Das ist bei anderen Dichtern, weniger geschlossenen, anders.
Ob das Entgrenzende auf speziell Weibliches zurückzuführen i s t, weiß ich nicht; aber ich habe in matriarchalen Modellen einiges gefunden, was es befördert. Für mich war es der plausibelste Ansatz, deswegen nehme ich ihn immer wieder auf. Er eignet sich auch rein körperlich für poetische Bilder immens, ja i s t Bild. Und er steht dem Monotheismus skeptisch gegenüber. Auch das gefällt mir.
Oh was wären wir ohne diese verhängnisvollen Bewegungen mein geliebter Herbert, es gäbe ja niemand der etwas auszusprechen wagt, oder wollen Sie immer nur Texte lesen, die über das große berichten, das alles in sich fassende. Übrigens gehts letzteres immer gründlich daneben.
Es nutzt ja nix an der größe Kafkas und Becketts herumzukratzen, sie werden ja so
nur noch größer und jene die es tun, über die redet man doch nur um ihnen nicht weh zu tun.
Zum heimlichen Weggucker. Wer h a t denn gekratzt? Lesen, genau lesen, dann f i n d e n Sie die Wege auch.