Ein Haar, das zwischen Fingern bleicht.
Noch standen ihre Brüste
die sie mir wie Früchte reichte
noch forderten die roten Beeren
die schweren vollen Lüste ein
da hängen leere Schoten schon
Ermüdet ist das Material
zu kurz! zu kurz das Jahr
Es sind Kontur und Haut
bereits im Fleisch zurückgebaut
zu Sand das Haar so fahl
13. 8. 2008:
Zu kurz! zu kurz das Jahr!
Einlockig Haar, das in zwei Fingern bleicht.
Noch standen beide Brüste,
die sie mir wie Früchte reichte,
noch forderten die roten Beeren
dieallzu süßen schweren Lüste ein
Zu kurz! zu kurz das Jahr!
Ein
Noch standen beide Brüste,
die sie mir wie Früchte reichte,
noch forderten die roten Beeren
die
da hängen sie schon, hänge ich selbst hinab
schon hängen sie wie Schoten
und leer hänge ich selbst hinab
– ermüdet ist das Material:
zu kurz! zu kurz das Jahr!
So zu schnell Kontur , was unser Leben war und Haut
kollateral zurückgebaut:
zu Grab! zu Grab und Stein.
Ein Haar, das in zwei Fingern bleicht.
Noch standen ihre Brüste.
Noch forderten die Beeren, die sie reichte, Lust,
da hängen ihre leeren Schoten
schon an mir herab.
Ermüdet ist das Material.
Zu kurz das Jahr, so schnell die Haut
kollateral zurückgebaut
zu Schlauch und Grab.
Olga Flor: Kollateralschaden Es gibt jetzt ein neues Buch von Olga Flor, „Kollateralschaden“. Sehr zu empfehlen!
Macht es das Gedicht etwas besser?
@schlichter was findest du an dem gedicht schlecht? nur eine meinung hinzurotzen, finde ich öde. dann sage ich lieber gar nichts. ich habe aber den hinweis auf das buch auch nicht verstanden.
und was findest Du daran gut, gibt es eine Zeile
die in irgendeinerweise nicht verstaubt
und altbacken klingt, das ist ja grausam,
so schreibt man doch nur, weil man weiß
dass man hier gelobt wird
Sabine, der Hinweis hängt wohl am Wörtchen „kollateral“. In der Tat das einzige, was mich auch spontan an dem Gedicht gestört hat, das ich ansonsten – auch von der bewussten Bauform her – sehr gelungen finde.
„Schlichter“? Wohl den Beruf verfehlt, was?
@Sabine Auf diesen Typen würde ich gar nicht reagieren, das ist immer derselbe wie >DER DA. Immer, wenn Herbst ein Gedicht einstellt, rotzt er da drauf. Das werde ich nämlich bei so viel epigonalem Scheiss auch weiter so machen.
@barnabas ich finde grade das kollateral klasse, weil das wort genau das zerreisst, was schlichter (bist du echt lavantes?) altbacken nennt. natürlich ist hier nichts altbacken, das ist so altbacken wie der tod selber, glaube ich. is ja ein memento mori, oder? ausserdem hat das was unheimliches, weil sich der mann zum tod macht. der tod tritt als ein lebendiger mann auf und nicht als der tod. da ist dann nichts mehr altbacken und verstaubt. wenn du mal richtig lesen würdest @lavantes oder schlichter
Das ist doch egal wer ich bin, man darf auch sagen
wenn ein Gedicht schlecht ist und das ist
schlecht, es ist altbacken und verstaubt, das
finde ich so, tut doch keinem weh wenn ich
das sage
@schlichter, bzw. lavantes, bzw. so oder so. Und für Sabine. Selbstverständlich können Sie das sagen; es ist halt nur sehr schmal auf der Brust so ohne Argument. Ich selber würde, wenn mir etwas nicht gefällt, gar nicht den Aufwand betreiben, dafür eigens was zu tippen – es sei denn, ich würde dafür bezahlt; aber auch sowas lehne ich ja bekanntlich meist ab. Im übrigen finde ich an dem Gedicht logischerweise nichts altbacken; Sie müßten auch erst einmal erklären, was Sie überhaupt meinen. Womit Sie allerdings unrecht haben, ist, daß es keinem wehtut, wenn Sie das sagen. Mir, mir tut es weh. Logisch. Jeder Autor, der etwas anderes behauptete, würde lügen. Und ich glaube, daß Sie ganz bewußt schreiben, das Gedicht sei schlecht, weil Sie w i s s e n, daß es wehtut. Sie w o l l e n wehtun. Das spürt man. Deshalb fällt Ihre Meinung als uninteressant in sich zusammen – einmal abgesehen davon, daß Sie mir das gestern abend auch hätten persönlich sagen können, denn es ist ja offenbar etwas Prinzipielles, das Sie gegen meine Gedichte haben. Etwas unfair dagegengehalten, möchte ich jetzt sagen: meine Gedichte sind Ihnen unangenehm, weil sie Ihre Verdrängungen gefährden. Verdrängungen können durchaus aus Rationalisierungen bestehen, falls Sie kapieren, was ich Ihnen jetzt sagen will. Falls nicht, ist es auch egal.
@Sabine: Das mit dem Mann=Tod ist mir selbst gar nicht aufgefallen; das habe ich nicht bewußt gemacht. Ist aber eine interessante Interpretation.
Lieber Herr Herbst, dass Sie das mit dem Tod und dem Mann nicht bewusst gemacht haben, glaube ich Ihnen nicht. Weshalb denn sonst haben Sie den Schubert als Motto vorgestellt? Ich habe mit dem schönen Gedicht kein Problem, außer wie immer, dass es ein bisschen machistisch ist, aber das finde ich ja liebenswert wie wahrscheinlich viele Ihrer Leserinnen, nicht wahr, Sabine? Nur verkaufen Sie uns nicht für dumm. Das ist schon ganz bewusst mit dem Tod und dem (alternden?) Mann.
An Benn erinnert mich nur der plötzliche Einsatz des Worts ‚kollateral‘ in Verbindung mit ‚Rückbau‘. Das ist dadurch wirklich stark: Sterben als Rückbau. Chapeau, Herr Herbst. Deshalb auch ‚Stein‘, glaube ich, in der Verbindung von Grabstein und Abrissgeröll. Groß. Je öfter ich das Gedicht lese.
An Benn erinnert das Gedicht, jetzt bekomme ich doch langsam Zugluft, auf Wiedersehen
benn@groteske buerger bezieht sich auf —> so oder so, deshalb schreibt sie ja ’nur“ oder? bei zugluft hilft ein schal. tschüssi.
epigonenhaft wahrlich, und ich weiß auch noch, von wem diese Behauptung stammt, denn wer lesen kann, ist im Vorteil, und stimme dem voll zu.
und immer wieder benn „Altern als Problem für Künstler“ und bitte keine solcher gedichte mehr. also, entweder sie machen es neu, oder sie machen es gut. es weder neu noch gut zu machen, ist eine öde obsession, wie allen obsessionen eine große langeweile innewohnt, weil sie die wiederholung nie hinter sich lässt.
mich erinnert es an den film mit rühmann, wo er eine Kartoffel sucht
und keine findet
@ schlichter Welcher Film ist das denn, das interessiert mich jetzt aber wirklich!
L.
(Und ich gebe ehrlich zu, daß ich nicht sehe, worin das Gedicht an Benn erinnern sollte. Auch ohne jetzt Benns gesamtes Oeuvre zu kennen. Ich mag es nicht sezieren, nur so viel: Wenn man es mal laut vor sich hinsprechen tät, müßte doch eigentlich auffallen, daß die Bezüge nicht stimmen. „Da hängen sie schon“ – die Lüste? Die Beeren? Nicht alles, was hängt, muß automatisch eine Brust sein, der syntaktische und stilistische Kontext sollte es über das Personalpronomen hinaus wohl auch ergeben. Ich sage das mit Bedauern, ohne recht zu wissen, warum ich bedaure. Immerhin gibt es hier ja auch eine Rubrik „schlechteste Gedichte“, man darf also annehmen, daß Sie, ANH, in der Beurteilung fremder Texte auch nicht zimperlich sind. Gruß – L.)
@lupus da verstehe ich Sie aber nicht, also was die bezüge betrifft. das ist doch eindeutig mehrdeutig. gerade dadurch bekommt das ja den reiz. der auch was ironisches hat, weil dieses ‚hänge ich selbst‘ ja wass ganz andres noch mitmeint. grad syntaktisch ist diese mehrdeutlichkeit grade herrlich. und eben traurig, also da kann ich Sie echt nicht verstehen lupus. das ist ein herbstgedicht, sorry für den kalauer, das meine ich nicht. sondern die beeren hängen ja wirklich dann und die brüste hängen und auch das mit der erektion haut nicht mehr immer hin, sagt man. wollen sie das jezzt nicht sehen oder was?
wobei anh doch gar nich so alt ist, oder? vielleicht liegt das daran, dass hier einige das gedicht schlecht finden. sie meinen, dass es was vorgibt, was nicht ist. oder?
„Altern als Problem für Künstler“ Warum denn nur Künstler? Altern als Problem für Männer. Das ist ein Problem. Warum soll sich das ändern? Warum soll das nicht immer gleich bleiben? Und warum soll Mann dann aufhören, darüber zu schreiben? Als wären Probleme nicht da, wenn man so tut, als ob sie gelöst sind. Und muß immer alles neu sein?
Für Frauen gilt das selbstverständlich auch. Über Männer schreibe ich das nur, weil ich mich als Mann von dem Gedicht angesprochen fühle. Traurig angesprochen das gebe ich zu und mach da keinen intellektuellen Sermon drumrum.
@Holle. Also wenn das jetzt auf d i e s e s Niveau des Menschelnden Allzumenschelnden runtergeht, sollte ich das Gedicht vielleicht wirklich wegwerfen. Dann taugt es in der Tat nix.
„wie allen obsessionen eine große langeweile innewohnt“. Sie scheinen, >>>> so oder so, keine Obsessionen zu kennen. Das läßt Sie solche Sätze schreiben. Sie könnten genau so schlecht schreiben, daß der Liebe große Langeweile innewohnt, weil auch sie die Wiederholung nie hinter sich läßt. Ebenso der Sex. Es ist immer nur rein und raus, oder? – Armes Hascherl. Das Elend der Module.
Ihre Überheblichkeit in allen Ehren und auch ihr Wissen, aber wissen sie,
jeder lebt am Ende sein eigenes Leben und so ein dürftiges Gedicht so zu verteidigen, das ist aller Ehre wert, wie Dieter Bohlen sagen würde
@Tibel. Dürftig scheint mir mehr Ihr argumentloses Argumentieren zu sein. Und wenn Sie Dieter Bohlen mögen, so mag ich das umgekehrt Ihnen auch nicht verübeln. Nur schade, daß Sie keine Brüste haben, um sie ihm zu zeigen wie die Girlies, die ich bei einem solchen, auch sehr erfolgreich ausgeführten Unternehmen einmal beobachten konnte. Das war auf der Buchmesse Frankfurt 2003 am Heyne-Stand. Es gab auch dürftige Musik; sie hatte eine ähnliche Struktur wie Ihr behauptetes Argumentieren.
Gacker wissen sie eigentlich, was ein Sado-Maso Schriftsteller ist? – Bitte nicht verwechseln mit jemanden, der über SM schreibt!
Au weia Schade, daß mir nun niemand sagen will, welcher Film mit Rühmann das ist. Andererseits hätte ich ihn mir wahrscheinlich sowieso nicht angesehen.
Daß ein Text einen Nerv getroffen hat, nur weil anläßlich dieses Textes besonders viel geblödelt wird, denke ich nicht. Ich sehe hier eher eine Zerstörungslust, der man anonym (oder vemeintlich anonym) nun mal besonders einfach nachgehen kann, man könnte das vielleicht auch „Fun“ nennen. Solche Lust beweist nichts im Hinblick auf den Text, leider auch nicht Qualität. Wenn es mein Text wäre, würde ich ihn zurückziehen und an einem trockenen Ort in sauberer Zugluft abhängen lassen. In der Zwischenzeit tät ich mir mal überlegen, ob das Hängen von Brüsten wirklich schon das Ende bedeutet oder nicht bloß die Brustfixiertheit des Betrachters. Außerdem würde ich mir überlegen, ob ich wirklich in einem ernstgemeinten Text den Kalauer des Lesers herausfordern möchte, daß die Brüste ja offenbar hängen, weil die Lüste „allzu schwer“ waren. Was wäre denn, wenn die Lüste einfach nur schwer oder sogar leicht gewesen wären? Das Jahr länger?
Gruß
L.
@Lupus. In der Zwischenzeit tät ich mir mal überlegen, ob das Hängen von Brüsten wirklich schon das Ende bedeutetOffensichtlich steckt d o c h ein moralisches Problem hinter Ihrer Abwehr – oder etwas, das ich jetzt einmal physical corrrectness nennen will; Sie verstehen ganz sicher, was ich meine. Niemand hat ja gesagt, daß „das Hängen von Brüsten“ schon das Ende bedeutet, aber es weist auf das Ende nachdrücklich hin, so wie die Beeren auf das Ende des Sommers und den Winter schon vorverweisen – etwas, um das sich das ganze Gedichtchen ja dreht – das im übrigen wirklich aus einer Laune entstand und eine Stimmung wiedergab und ziemlich gut wiedergibt, die mich sehr vorübergehend befallen hatte. Es ist wirklich das, was man >>>> „ein Gelegenheitsgedicht“ nennt. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. In der Tat meine aber auch ich, daß die Heftigkeit, mit der daraufhin die Wogen hochschlugen, auf mehr als nur auf destruktive „Fun-Lust“ schließen lassen. Und w e n n destruktive „Fun-Lust“ d o c h, dann eine (vielleicht unbewußt) autoaggressive, also Abwehr. Ich mag das Gedicht nicht selber interpretieren, aber schauen Sie sich einmal an, welche Wörter ich für welche Zusammenhänge verwende und mit welchen „inneren Werten“ das jeweils belegt ist: Material, kollateral, Rückbau. Zum Rückbau hat weiter oben ja schon Frau Bürger was gesagt.
Den Rühmann-Film bekäme auch ich noch gerne genannt.
@ ANH Schön. Ich habe es mir angesehen. Ich mache Sie auch nicht verantwortlich, wenn mich das Wort „Material“ immer an Heiner Müller erinnert, und zwar auf ungute Weise. Und erst danach an meine Zahnärztin.
Dann Beeren, tja, wenn man das jetzt mal ganz und gar ernst nimmt, so gibt es viele davon im Früh- (Erdbeeren) und Hochsommer (Johannis-, Heidel-, Him-, Brom-) und im Spätsommer ist es damit schon fast vorbei. Mit Brustwarzen aber noch lange nicht, und der Spätsommer geht zwar in den Herbst über, aber ob er es schon IST? Auch wenn hier in Berlin der Herbst zeitig anfängt. Ohne mich jetzt allzusehr ins Botanische aufschwingen zu wollen, aber ob es immer so ganz mit dem Zoologischen korrespondiert?
Physical correctness: Die liegt auch im Auge des Betrachters. Also ich fand z.B. das Dekolleté der Kanzlerin, Sie erinnern sich vielleicht, obwohl nicht taufrisch, einen reizvollen Blickfang, selbstbewußt gesetzt, und den medialen Aufschrei eben genau das: Abwehr. Und im Unterschied zu Bildern von Angelina Jolie im Bikini dachte ich dabei keine Sekunde daran, ob chirurgisch nachgeholfen wurde. Wofür stehen denn – correctness oder nicht – heute straffe Brüste, wenn schon 14jährige auf die OP sparen?
Gelegenheitsgedicht: Da neige ich nicht zu Nachsicht. Entweder es ist ein Gedicht oder nicht. Es würde mich wundern, wenn Sie mit einer nachsichtigen Spekulation à la „Da hatte er einen Moralischen, nachdem andere Männer nächtlich auf dem Dach vorturnten und er nur dabeisaß“ einverstanden wären.
L.
Blickfänge @ Lupus. Und im Unterschied zu Bildern von Angelina Jolie im Bikini dachte ich dabei keine Sekunde daran, ob chirurgisch nachgeholfen wurde.Da unterscheiden wir uns eklatant in der Wahrnehmung; bei Frau Merkel bekomme ich das (Klein)Bürgerliche nicht aus ihr heraus, was für mich i m m e r bedeutet: es gibt keinen Eros. So sehr ich Frau Merkel politisch, vor allem im Unterschied zu Schröder-vorher, schätze. Indes kann die Jolie hochglanzig abgebildet sein, wie sie nur will: es ist immer d i e Frau. Körperliche Authentizität finde ich so unerotisch wie nichtrasierte Achelhöhlen und langgewachsene Nasenhaare. Mich stört auch ein etwaiges Lifting nicht; wie lassen uns ja auch Dritte Zähne einsetzen, bevor wir wie Grablöcher herumlaufen. In der Tat ist meine Neigung zu FKK und Deutschland privat seit je kümmerlich. Erzählen Sie mir außerdem bitte nicht, Sie wären nicht lieber mit Jolie im Bett als mit Merkel.und der Spätsommer geht zwar in den Herbst über, aber ob er es schon ISTDas muß er auch gar nicht sein, es reicht, wenn er so empfunden wird; Abschiede empfinden wir ja g e r a d e deutlich in den Höhepunkten. Gar keine Frage wiederum, daß bestimmte Assoziationen von bestimmten Lesern nicht mitvollzogen werden, einfach, weil sie anderes geprägt worden sind; auf die wirkt ein solches Gedicht dann halt nicht. Es zeigt sich ja während dieser Diskussion ganz gut, daß es einige gibt, a u f die es wirkt, andere, auf die es a u c h wirkt, aber unangenehm, und wieder andere, die von ihm kaltgelassen bis gelangweilt werden. Das ist insgesamt wahrscheinlich tatsächlich eine Frage der Sozialisation.
(Heiner Müller finde wiederum ich k e i n e schlechte Assoziation; ich habe mich bewußt mehrmals auf ihn, an anderen Stellen, bezogen; mir selbst wäre, sagen wir, ein Böll-Bezug unangenehm oder gar ein Christoph-Hein-Bezug. Das wäre für mich fast ein Grund zum Suizid. Fällt mir noch Schlimmeres ein? Da muß ich jetzt nachdenken. (Tatsächlich fällt mir, in ästhetischem Zusammenhang, bei „Material“ zuallererst Adorno ein, dann Metzger und Boulez.)
@ ANH Jolie/Merkel: Ich wäre, wenn schon, lieber mit Uma Thurman im Bett oder mit Isabelle Huppert, nehme allerdings nicht an, daß ich je in die Verlegenheit kommen werde.
Heiner Müller: Der ist ja nun ein schönes Beispiel für die Kleinbürgerlichkeit der DDR, sei es nun der Selbstinszenierung oder in der Art, wie er Frauen in roten Schuhen zur Metapher machte. Daran dachte ich allerdings nicht, sondern an seinen Satz, seine Gespräche mit der Stasi seien „nur Material“ gewesen. (Waren sie bestimmt, allerdings nicht, wie er glaubte, seins.) Aber was haben Sie gegen Christoph Hein? Ich habe zwar seine Bücher in den letzten Jahren nicht mehr gelesen, und daß ich da viel verpaßt habe, glaube ich auch nicht. Aber „Horns Ende“ war schon ein wichtiges Buch, es gab wenig Texte (unter denen, die überhaupt in der DDR erschienen sind), die Mief, Verklemmtheit und Spießertum der Genossen so bloßgestellt haben. Sicher, er ist keine Morgner und kein Fühmann, das wäre zu viel verlangt. Und ohnehin kein Hilbig, aber dessen Sachen sind mit der Ausnahme eines sagenhaften Gedichtbändchens eben nie in der DDR erschienen. Genau. Gedichte. Hilbig. Ein kleiner, wie sagten Sie oben?: körperlich „authentischer“, dazu breitestes Sächsisch sprechender Mann. Alles egal. Was für eine Sprache, kein Pfusch, nicht der geringste. Zum Niederknien. Aber ich schreibe auch keine Gedichte, da kniet sich’s leichter.
Wie Frauen schmecken. @Lupus. Also die Huppert, ich..? nein, besser nicht. Thurman ist mir einfach zu blond, das hat fast immer einen spitzen Geschmack; Dunkelhaarige hingegen schmecken nach Erde. – Mit Christoph Hein habe ich eine Privatgeschichte, die eine Literaturgeschichte ist; das hab ich seinerzeit vor dem PEN ausgetragen und muß jetzt nicht wiederholt werden. Daß Hein zu DDR-Zeiten wichtig war, mag sein, aber sozial vielleicht, ganz sicher nicht ästhetisch, da ist er kaum eine Fußnote, und noch die wird von seinen heutigen Bücklingen verschattet: kein anderer schafft heute so tiefe Diener vor der Macht wie er.
Hilbig. Ja, da bin ich völlig einverstanden. Allerdings hat Hilbig auch nie, meines Wissens nach, Gedichte unfertig zur Diskussion gestellt; er hatte einen völlig anderen Ansatz als ich, der ich aus Prozessen heraus denke und auch viele Überarbeitungen bereits öffentlich mitverfolgen lasse. Auch Hilbig wird manches mißlungen sein; das hat er nicht herausgegeben, darin liegt der Unterschied. Für mich sind Prozesse des Mißlingens (und Gelingens, klar) Kunstprozesse-selbst; deshalb schreibe ich sie mit.
Ihr Argument gegen Müller ist ein rein-moralisches. Ich habe nicht den Anspruch, daß ein großer Künstler ein guter Mensch sei. Sonst dürfte ich weder Céline noch Aragon noch – Goethe jemals wieder lesen.
Müller usw. Oh, das mit dem „Material“ war kein Argument, das war nur eine lektürebedingte Assoziation. Ich hätte auch Ästhetisches auszusetzen, z.B. die versatzstückartige Verwendung von Sentenzen in sehr unterschiedlichem (gelegentlich auch beliebigem) Kontext, aber das bleibt jetzt nur Behauptung, weil ich ja auch noch was andres tu. Was Hein angeht, denke ich, daß die alten Texte – die neuen kenne ich nicht – so schlecht nicht waren, er konnte sehr wohl erzählen, auch, was ich schätze, aus wechselnden Perspektiven. Aber es gibt keinen Grund, ausgerechnet Heins alte Romane zu lesen, zumal bei persönlicher Feindschaft. Zum Herausgeben von Unfertigem: ja, heikel.
@Lupus, Heikelkeiten. Zur Ästhetik Der Dschungel. Zum Herausgeben von Unfertigem: ja, heikel.Darum geht es ja gerade, so etwas zu wagen. Was riskiert man? Narzißtische Kränkung, allenfalls Ablehnung. Aber man schreibt ja nicht, um geliebt zu werden; um das zu erreichen, kann man b e s s e r korrupt sein. Wer es nicht wagt, Unfertiges herauszugeben, hat eine klassische Vorstellung von Ich und Grenzen, in denen das Unfertige erst einmal zu bewahren sei: das Fertige wäre dann eine Projektion des heilen Ichs. Ich halte das für absurd und unzeitgemäß… übrigens schon seit langem. Daß die Entstehung eines Werkes Teil des Kunstwerkes selber sei (oder es werde), ist ein frühes Paradigma der Moderne. Was Die Dschungel von Anfang an unternommen haben, ist, ein öffentliches Nachdenken in Kunstprozessen vorzustellen. Das würde gar nicht funktionieren, würde alles erst veröffentlicht als ein Fertiges. Es m u ß die Verwundbarkeit des Vorübergehenden, Skizzierten, Entworfenen da sein. Es müssen Versuche da sein, Stilübungen, Experimente, Abgebrochenes, Neu Angefangenes, Auszüge usw. Für ein Fertiges ist, wenn überhaupt noch, die Buchform da. Hier hingegen, wenn über einen Text oder eine Meinung usw. diskutiert wird, ist Zeit für Entwicklung; wird darüber anhand eines Buches diskutiert, ist es für das Kunstwerk, ob gelungen oder nicht, in jedem Fall vorbei.
‚Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,
Ein Werdender wird immer dankbar sein.‘
Goethe:Faust I, Vorspiel auf dem Theater, (lustige Person)
Ja sicher… … ist die Entstehung eines Werkes selbst Teil des Werkes. Dennoch täte es manchem Teil des entstehenden Werkes gut, vor der Archivierung durch deutsche Literaturarchive wenigstens einmal laut gelesen worden zu sein.
„Ein Haar, das in zwei Fingern bleicht“ – wie hat man sich das vorzustellen? (Ob konkret oder metaphorisch, das Bild stimmt einfach nicht, selbst wenn man die Präposition änderte, würde es nicht viel besser.)
„Beeren“… „ihre leeren Schoten“ (Wessen? Bezieht sich „ihre“ auf den Relativsatz?)… „hängen an mir herab“ Wie das denn?
„schon an mir herab. / Ermüdet ist das Material.“ Hören Sie das nicht?
Mir fehlt die Geduld, ich komme ein andermal wieder.
L.
@Lupus. Dennoch täte es manchem Teil des entstehenden Werkes gut, vor der Archivierung durch deutsche Literaturarchive wenigstens einmal laut gelesen worden zu sein.Weshalb? Weshalb soll das Archiv nicht lauter unfertiger Varianten archivieren, denen irgendwann einmal -oder auch nicht – eine fertige Form folgt? Ist doch gar nicht einzusehen. Man wäre heute bei einigen Dichtern glücklich, wenn man genug von soi etwas hätte.„Ein Haar, das in zwei Fingern bleicht“Das Bild stimmt absolut. bleichen= bleich werden. Sie hätten gerne ein „er“bleichen, aber das gebe ich Ihnen nicht, sondern nehme bleichen aktivisch. Ich lege Wäsche in die Sonne, in der sie dann bleicht (die Wäsche). Ihr Problem ist mir unklar. Und falls Sie jetzt „zwischen zwei Fingern“ haben wollen: Nö:: „Ich halte das Haar in den Fingern“, das ist idiomatisch korrekt.„Beeren“… „ihre leeren Schoten“ (Wessen? Bezieht sich „ihre“ auf den Relativsatz?)Es sind drei Möglichkeiten denkbar, und jede dieser Möglichkeiten kann mitgemeint sein. Ich w i l l hier gar keine Schärfe, sondern eine, sagen wir es so: freie Tonalität, in der die grammatischen Bezüge gerade aufgelöst werden. Sie hingegen gehen mit dem Besteck des Quintenzirkels an den Text, den Sie darum nicht mehr greifen können. … „hängen an mir herab“ Wie das denn?Lassen Sie mal Körpergefühl zu. Im übrigen ist das noch ein Rest aus der Erstfassung, in der die hängenden Brüste mit dem hängenden Schwanz zusammengelegt wurden.Ermüdet ist das Material.„Materialermüdung“ ist ein stehender technischer Begriff.
Leserermüdung Daß Sie nicht verstehen können, was man Ihnen höflich sagt, glaub ich eigentlich nicht. Aber es geht, wie meistens, auch unhöflich:
Wie oben bereits geäußert, eine Änderung der Präposition würde das schiefe Bild NICHT graderücken. „Das Haar in den Fingern halten“, sicher doch ist das korrekt, aber „ein Haar in zwei Fingern“? Gemeint ist ja wohl nicht das einzelne Haar, genauso klingt das aber: „ein Haar in zwei Fingern“. Das versteht man dann, wenn auch sicher entgegen Ihrer Intention, eben nicht als die Gesamtheit oder einen großen Teil des Haupthaars. Aber bitte.
„erbleichen“ – nie würde ich das vorschlagen. Wenn Haar im Unterschied zum Antlitz etwas bestimmt nicht kann, dann ist es erbleichen. In der Sonne bleichen kann es natürlich, aber das hatten Sie wohl auch nicht gemeint. Altershalber wird es aber weiß oder grau oder gescheckt, nicht bleich. Schon gar nicht, wenn das durch ein Verb (bleichen) ausgedrückt wird, letzteres evoziert nämlich genau das, was Ihnen auch dazu einfiel: Wäsche in der Sonne bleichen lassen. Wenn Ihnen diese Erklärung zu quintenzirkelnd oder einfach zu genau erscheint, kann ich das leicht ertragen. Ein kurzes Gedicht sollte genau sein, das sollten lange Texte zwar auch, aber da „versendet“ sich eine Ungenauigkeit noch eher.
„freie Tonalität“, „keine Schärfe (gewollt)“ – nun doch ein hoher Ton für dieses, wie Sie schreiben, aus einer Stimmung entstandene Gelegenheitsgedicht? Okay. Beeren hinterlassen keine leeren Schoten, Brüste haben auch keine und sind auch keine, egal ob sie nun jung oder alt, stramm oder schlaff sind Und was auch immer gemeint ist, wenn es oben die Brüste oder Beeren oder Schoten einer anderen Person sind, können sie unten wohl kaum am sprechenden Ich herabhängen, egal welchen Geschlechts. Das sagt mir mein Körpergefühl. Es sagt mir auch, daß hier die Verschmelzung zweier Körper nicht mitschwingt, falls Sie das jetzt erklären wollen. Lassen Sie mal Sprachgefühl zu!
Materialermüdung – ich schrieb:
>>“schon an mir herab. / Ermüdet ist das Material.“ Hören Sie das nicht?<<
Gemeint war: Hören Sie denn nicht, daß die Verse nicht klingen? Daß da eine Silbe zuviel ist? Und daß die eigens eingefügt wurde, um der Langsamkeit des Abschieds Rechnung zu tragen *smile*, das glauben Sie ja nun selbst nicht.
Nun ist’s aber wirklich genug, egal wie viele Ausreden Sie noch finden und wenn Sie’s auch als „Anti-Herbst“ ablegen. Wenn Sie hier einen Arbeitsprozeß dokumentieren wollen, wieso dann überhaupt die Kommentarfunktion? Weil Redigieren dann doch erlaubt wird? Nein, richten Sie sich lieber nicht nach meiner Kritik. Nur daß ich die Vokabel „Materialermüdung“ nicht kenne, das kann ich denn doch nicht auf mir sitzen lassen.
L.
@ Lupus. Erst einmal möchte ich mich, und zwar unironisch, für die Mühe bedanken, die Sie sich hier geben. Nur, inwiefern Ihre letzte Argumentation unhöflich sei, kann ich nicht nachvollziehen. Ihre Argumente sind gut, das ist nicht unhöflich. Es ist demzufolge möglich, daß ich das kleine Gedicht nicht halten kann.
Dennoch, im einzelnen:
„Das Haar in den Fingern halten“, sicher doch ist das korrekt, aber „ein Haar in zwei Fingern“? Gemeint ist ja wohl nicht das einzelne Haar, genauso klingt das aber: „ein Haar in zwei Fingern“.So war es auch gemeint: ein einzelnes Haar und selbstverständlich n i c h t das ganze Haar, bzw. ein Hauptteil des Haupthaars.
In der Sonne bleichen kann es natürlich, aber das hatten Sie wohl auch nicht gemeint.Doch, hatte ich. Daß Haar, wie Sie schreiben, „altershalber (…) weiß oder grau oder gescheckt“ wird und „nicht bleich“, ist mir bekannt. Es ist aber legitim, das Bild des bleich-Werdens für das Erweißen im Alter zu verwenden, da es sich um ein Bild und nicht eine physikalisch-biologische Zusammenhangsschilderung handelt.
Schon gar nicht, wenn das durch ein Verb (bleichen) ausgedrückt wird, letzteres evoziert nämlich genau das, was Ihnen auch dazu einfiel: Wäsche in der Sonne bleichen lassen.Auch Knochen bleichen in der Sonne. Und weiße Wäsche steht nachdrücklich für den Tod.
Ein kurzes Gedicht sollte genau seinEinverstanden; die Frage ist nur, auf was sich die geforderte Genauigkeit bezieht. Es kann eine „realistische“ Genauigkeit, es kann auch eine nicht-realistische, metaphorische Genauigkeit sein, es können beide (und mehrere) Arten der Genauigkeit zusammengehen, sie können aber auch differieren. Was Sie auf Bildern Max Ernsts sehen, ist sicher nicht realistisch, es könnte aber realistisch sein, die Teile verhalten sich in ihrer Komposition realistisch, das heißt, sie haben bildliche Evidenz. Etwa bei Brüsten und Schoten:
Beeren hinterlassen keine leeren Schoten, Brüste haben auch keine und sind auch keine, egal ob sie nun jung oder alt, stramm oder schlaff sindNatürlich hinterlassen Beeren keine Schoten, aber es ist vorstellbar, daß Beeren in Schoten wachsen, ebenso wie das Bild, das aus einer vollen Frauenbrust eine leere Schote macht, bildliche Evidenz besitzt. Ganz im Sinne von Schoten spricht der Volksmund, auf die Brüste alter Frauen bezogen, von Schläuchen, nämlich als von leeren, durch die nichts mehr fließt; er spricht so aus Erfahrung; deshalb ist das idiomatisch. Wer je in einem Altersheim oder ähnlichen Einrichtungen gearbeitet und alte Menschen gepflegt und eben auch gewaschen hat, der weiß sehr genau, wie präzise das „Bild“ von den Schläuchen und aber auch von den Schoten s t i m m t.
können sie unten wohl kaum am sprechenden Ich herabhängenDas hatte ich schon erklärt: Ich wollte die erschlafften Brüste mit dem alterserschlafften Glied in e i n e s zusammenlegen: das heißt: die Projektion des Mannes auf die altgewordene Frau projeziert sich in ihn selbst zurück: e r ist erschlafft.
Es sagt mir auch, daß hier die Verschmelzung zweier Körper nicht mitschwingtSie verschmelzen ja eben auch nicht mehr. Ihrer beider erotische Ausgedientheit verschmilzt, das ist etwas anderes, und das ist der Schmerz, der beim Fortgehn des Sommers empfunden wird. Darum kreist das Gedicht. Daß ihm das nicht oder nur ungenügend gelungen ist, merk ich ja jetzt. Und werde weiter umformulieren oder das Gedicht sausen lassen.
>>“schon an mir herab. / Ermüdet ist das Material.“ Hören Sie das nicht?<< Gemeint war: Hören Sie denn nicht, daß die Verse nicht klingen? Daß da eine Silbe zuviel ist?Doch, habe ich gehört – und deswegen bei dieser Neufassung von einer „Variante“ gesprochen, für die im übrigen >>>> walhalladadas Einwand gilt. Ich hab die Variante deshalb nicht wieder rausgelöscht, weil ich den Ablauf in Der Dschungel nicht retuschieren will. Deshalb lasse ich auch alte Fassungen längst überarbeiteter Texte stehen und stelle ggbf. die gleichen Gedichte mehrfach als neuen Beiträge ein. Tatsächlich stimmt es rhythmisch, wenn die Zeilen so gelesen würden: da hängen ihre leeren Schoten/schon an mir herab// Ermüdet ist das Material Die Unklarheit über den den Rhythmus nachzeichnenden Zeilenbruch stammt aus der Vorfassung, wo es sehr klar war: schon hängen sie wie Schoten/leer häng ich selbst hinab; hier steht übrigens auch noch „wie Schoten“. Daß ich hier noch suche und mit der eingestellten Variante durchaus noch nicht gefunden habe, scheint mir ausgesprochen deutlich zu sein.
egal wie viele Ausreden Sie noch findenWieso werden Sie jetzt moralisch und sprechen von Ausreden? Auch die folgende Bemerkung kann ich nicht nachvollziehen:
und wenn Sie’s auch als „Anti-Herbst“ ablegen.Wenn Sie sich den Anti-Herbst anschauen, werden Sie sehen, daß da durchweg Beiträge hineinkommen, die nicht argumentieren, sondern behauptend und meist hochpersönlich-aggressiv verhämen, verhöhnen, übel nachreden oder sonstwas. Das ist bei Ihnen gar nirgends der Fall. Weshalb unterstellen Sie mir dann, daß ich auch nur auf die Idee kommen könnte, Ihre Position unter Anti-Herbst zu verbuchen?
Wenn Sie hier einen Arbeitsprozeß dokumentieren wollen, wieso dann überhaupt die Kommentarfunktion?Das muß ich wirklich erklären? Weil die Kommentare nicht selten mit in meine Arbeit einfließen. Und, ja, auch deshalb: „Weil Redigieren dann doch erlaubt wird?“ Wieso „dann doch“? Ich habe mich dagegen, daß redigiert wird, nie gewehrt, wenn solch eine Redaktion denn begründet war.
Weshalb müssen Sie polemisch werden, wenn Sie doch so gut argumentiert hatten? Weshalb dieser Tonwechsel?: „Nein, richten Sie sich lieber nicht nach meiner Kritik.“ Was soll das? Da läuft bei Ihnen im Hintergrund möglicherweise etwas Persönliches, mit dem ich gar nichts zu tun habe – zumindest, aufgrund Ihrer Anonymität hier, kann ich von etwas anderem nicht wissen.
Dennoch noch einmal danke.
P.S.: Zu den Kommentaren noch.
Sie haben eine sehr viel weitergehende Funktion innerhalb des Dschungelnetzes als „nur“ Gedichte zu redigieren, bzw. mitredigieren oder überhaupt über Texte mitreden zu lassen. Vielmehr generieren sie auch Texte, sie sind oft Teile eines Romanes, der sich in ihnen weitererzählt. Reale Kommentatoren und Romanfiguren werden nicht unterschieden; es kommt nicht selten vor, daß ein realer Kommentator zur Romanfigur wird, es kommt nicht selten vor, daß ein Mitschreiber Der Dschungel seinerseits Figuren erfindet, die in Der Dschungel dann als Kommentatoren, schließlich bisweilen auch als Beiträger auftauchen usw. Das hängt jetzt mehr mit der nachpostmodernen Roman-Ästhetik zusammen, an der ich ja ebenfalls sitze, als mit den Gedichten. Ich will das aber auch nicht trennen, sondern ineinanderlaufen lassen. Denn manch ein Gedicht entsteht aus einem Romanstrang usw.
Lieber Alban, an dieser Replik ist mir das Wort „unzeitgemäß“ aufgefallen:
„Ich halte das [, das Innenhalten von Unfertigem,] für absurd und unzeitgemäß„
Das ist doch ein interessantes Argument für jemanden, der in Hexametern dichtet und Lyrikbände veröffentlichen will, die womöglich an Zeitgemäßheit hinter Lentz, Rinke und Pastior weit zurückfallen könnten… wenn man freilich wüßte, was „zeitgemäß“ meint. Meint es etwa „auf der Höhe der Zeit“, was anderswo wieder strittig sein soll?
Zumindest hast Du damit plötzlich ein überindividuelles Kriterium eingeführt. Denn was Dir Kunst ist, ist ebenso Deine Sache, wie was Du für absurd hältst usw. usw. –– Aber „unzeitgemäß“! Das heißt doch, daß die Zeit selbst Maßstab ist und daß all jene, die nicht work-in-progress’ly veröffentlichen an diesem Maßstab scheitern, und: scheitern müssen.
Wie in der Göttin Namen willlst Du das begründen?
Genauigkeit… … heißt für mich, daß Bilder funktionieren müssen, auch noch, wenn man ihnen ernsthaft nachgeht. D.h. daß man fragen können muß, wie man sich etwas vorzustellen hat, und daß es eine Antwort gibt, in der das Bild sich nicht selbst ad absurdum führt. (Es sei denn, es ginge darum, etwas Absurdes zu zeigen.) Das eine Haar in den Fingern, das dann in der Sonne oder im Altwerden (der Person mit den Fingern) bleicht – funktioniert zumindest für mich als Bild nicht, und zwar hinten und vorn nicht. Es geht ja nicht um ein plötzliches Erbleichen, auch nicht um ein plötzliches Weißwerden der Haare im Schock. Also wie lange müßte jemand das Haar denn dann halten? In zwei Fingern. Halten Sie mal ein einzelnes Haar, und das dann auch noch so lange, wie Knochen bleichen! (Jetzt wird mir erst so richtig klar, was ich von Anfang an gegen diese Wendung hatte…) Also sagen wir mal Barbarossa, den könnte ich mir jetzt vorstellen, wie er Jahrhunderte sitzt und den Kopf aufstützt und die Hand in den Haaren hält, die dabei langsam weiß werden. Aber jetzt das einzelne Haar in den zwei Fingern einer Person, die konkret altert und deren Altern oder Altern überhaupt dem Ich des Gedichts jetzt bewußt wird, während dieses Haar bleicht.
Und so weiter.
Und nein, es gibt nichts Persönliches, wir sind uns meines Wissens noch nie begegnet. Mir fehlt nur Geduld.
Gruß
L.
Ach, der Lupus! Schönschön.
Lieber Lupus, ich glaube (Und Glauben ist wichtig heutzutage) Ihnen alles, was Sie vorher geschrieben haben. Ich glabe, daß Sie wirklich so so so empfinden, wie Sie es schreiben. Nur eines glaube ich Ihnen nicht:
„Mir fehlt nur Geduld.“
Das kann ich nicht glauben. Wenn Sie keine Geduld hätten, würden Sie sich hier ja nicht den Wolf schreiben (Für den Fall, daß Sie diesem Bild „ernsthaft nachgehen“ wollen,…).
Andererseits haben Sie recht: Sie sollten mehr Geduld aufbringen! Dann könnten Sie nämlich Ihre Aufgabe richtig und pflichtgemäß ausführen und Ihrem inneren Drange folgend einen naturalistischen Interlinearkommentar zu Herbsts Mann-Mädchen-Gedicht verfassen.
Etwa so:
Der Mann und das Mädchen
Hm, ist das ein einschließendes oder ein ausschließendes „und“? Wenn es einschließend ist, wäre das ja ein absurdes Bild. Wie kann jemand zugleich Mann und Mädchen sein. Außer er/sie wäre ein Hermaphrodit. Aber der/die wäre doch in seinen/ihren zwei Teilen (wenn ich so sagen darf) gleichalt. Also: Entweder Mädchen und Junge oder Mann und Frau. Ergo: Unsinn!
Zu kurz! zu kurz das Jahr!
Was soll das bedeuten? Ein Jahr ist doch so lang wie das andere. Dreihundertfünfundsechzig Tage, achttausendsiebenhundertsechzig Stunden. Vielleicht meint er ein Schaltjahr? Aber das wäre ja länger und nicht kürzer! Und da drei Viertel aller Jahre diese Standard-Länge aufweisen, wäre doch eine Klage über ein „zu kurzes“ nur absurd zu nennen!
Ein Haar, das in zwei Fingern bleicht
s.o. Ferner könnte man das „in“ für schwer der Absurdität verdächtig halten: In den Fingern ein Haar? Auf ihnen, ja das vielleicht? Aber in ihrem Inneren?
Noch standen beide Brüste
Bitte! Brüste stehen doch nicht! Was für ein letztlich absurdes Bild. Sie haben ja weder Beine noch Füße, noch im eigentlichen Sinne eine Standfläche, die solche Wortwahl rechtfertigen könnten. Zwar haben sie Warzen und Höfe. Moment: Höfe? Gab es da nicht mal was mit „Bedeutungshöfen„? Ach, egal… Das Bild stimmt nicht. Punkt.
die sie mir wie Früchte reichte
Nanana, Brüste sind nun wirklich keine Früchte! Sowas absurdes! –– Oh, was war das für ein Geräusch? Irgendwas… ist da… vom Tisch gefallen. Was denn…. Achso, das „wie“. Naja, ignorier‘ ich’s einfach.
noch forderten die roten Beeren
Also, will der Dichter mich für dumm verkaufen? Welche Beeren fordern denn? Es handelt sich immerhin um ausgereifte Fruchtstände, welche die Fortpflanzung eines Baumes oder Strauches gewährleisten sollen. Da braucht es keinen Mund dafür. Und womit sollte so ein Naturerzeugnis dann fodern? Und was auch? Von wem? Schrecklich absurd!
die süßen schweren Lüste ein
Ach Schreck! Lüste, die schwer! Oh Graus! „Süß“, na von mir aus, Geschmack wird ja im Zusammenhang mit Lust immer wichtiger, wie führende Kondomhersteller mir bestätigen konnten. Aber schwer?!? Als Abstraktum bringt „Lust“ geschätzte 0,0g auf die Briefwaage. Sowas, wie kann jemand nur solche Bilder setzen! Eine Zumutung!
…… möchten Sie, Lupus, für die zweite Strophe fortfahren? ……
Erleuchten Sie uns über Herbsts absurde Bilder, zu denen man sich gar nichts, aber auch gar nichts vorstellen kann, wenn, ja: wenn man ihnen denn inverstigatouristisch wirklich wirklich nachgeht!
@Barnabas Knitl. Unzeitgemäßes und andres. Ich in immer unangenehm berührt, wenn ich von Leuten, die ich nicht kenne, geduzt werde; ich empfinde das als einen Übergriff und weise es deshalb zurück – und zwar auch dann, wenn wir uns kennen s o l l t e n, mir das aber aufgrund Ihres gewählten Anonyms nicht bewußt sein kann. Ein Anonym behandele ich wie einen Fremden, mit derselben Distanz, aber auch mit demselben Respekt. Umgekehrt erwarte ich es genau so. Ansonsten möchte ich nicht weitersprechen.
Also, lieber Herr Knitl,
Sie fragen nach meiner Verwendung von „unzeitgemäß“:Das ist doch ein interessantes Argument für jemanden, der in Hexametern dichtet und Lyrikbände veröffentlichen will, die womöglich an Zeitgemäßheit hinter Lentz, Rinke und Pastior weit zurückfallen könnten…Inwiefern sollte eine Hexameter-Dichtung hinter Lentz, Rink(l?)e und Pastior – zumal „weit“ – notwendigerweise zurückfallen? Das ist eine mir nicht nachvollziehbare Position. Meinen Sie tatsächlich, daß Keith Jarrett hinter Schönberg zurückgefallen ist, weil er zumindest das meiste seines Werkes der Tonalität verpflichtet hat? Was wäre dann mit all den Romanen nach Joyce, die realistisch oder neorealistisch erzählen? Usw.
Aber „unzeitgemäß“! Das heißt doch, daß die Zeit selbst Maßstab ist und daß all jene, die nicht work-in-progress’ly veröffentlichen an diesem Maßstab scheitern, und: scheitern müssen.Das kann es heißen, das muß es aber nicht heißen. Überhaupt ist das Scheitern eine problematische Kategorie, da wir nie wissen, wann wir sie anwenden können. Zu seiner Zeit ist Kleist ganz sicher gescheitert gewesen, Hölderlin auch; nur ändert sich das oft sowohl i m Lauf eines Künstlerlebens als auch, und das öfter, posthum.
Für mich und die nachpostmoderne Ästhetik, die ich „Kybernetischer Realismus“ nenne, ist zeitgemäß dasjenige, was sich bewußt der zur Verfügung stehenden Formen bedient und sie nutzt; prinzipiell ist keine Form nicht mehr nicht erlaubt. D a s hat die Postmoderne immerhin gebracht, daß das Korsett, welches die Moderne um die möglichen Formen legte, völlig aufgesprengt worden ist; Simultanität wurde zu einer basalen Kategorie, einer, die auch – geschichtsobjektiv, hätte man marxistisch gesagt – der Perspektive globalisierender Entwicklungen entspricht; ich bin darauf schon in >>>> dieser Replik auf Valeria eingegangen.
@Lupus. @ Lupus.
Das eine Haar in den Fingern, das dann in der Sonne oder im Altwerden (der Person mit den Fingern) bleicht – funktioniert zumindest für mich als Bild nicht, und zwar hinten und vorn nicht Da liegt unser Dispens, ja. Für mich funktioniert es wunderbar, und daran halte ich auch fest. Ich will, aber nicht argumentativ begründen, weshalb das Bild für mich funktioniert; das hätte etwas Absurdes, da das Bild selber so klar ist. Sie haben eine Perspektive des Realismus, die von dem Gedicht unterhöhlt worden ist, deshalb kommen Sie an das Gedicht auch nicht heran. Das ist alles.
Ihr Versuch, das Gedicht nach Art einer Sukzession zu interpretieren, m u ß scheitern.
Mir fehlt nur Geduld.Dann lernen Sie sie. Auch ich gehöre nicht zu den geduldigen Menschen. Aber zu den zähen.
Gegenfragen Lieber Herbst (Sie haben die Kommentar-Funktion subtil modifiziert und mich so einem Wechselbad überantwortet, ob ich oder ob ich nicht meine Anonymität aufgeben sollte. – Aber dann schien mir diese Ihre Antwort doch zu unbefriedigend zu sein, um nicht mit Gegenfragen bepackt zu werden, daher:)
Gegenfragen, im Umkehr-Krebs
Sind Sie wirklich, in >>>> dieser Replik auf Valeria auf die von mir gestellte Frage nach „Unzeitgemäßem“ eingegangen? Oder haben Sie sich vielmehr hier wie dorten um eine Positionsbestimmung herumgedrückt (abgesehen davon, daß Sie dorten eine willentliche Unkenntnis des Judentums zur Schau stellen…)
Ist nicht das, „was sich bewußt zur Verfügung stehender Formen bedient und sie nutzt“ Movens von Dichtung allgemein (ohne Sitzplatzreservierung für die Posteriomoderne)? Läßt nicht schon jede Gattungs-Aktualisierung dem so gern zitierten starren Korsett der Regelpoetik eine Fischgräte herausbrechen?
Wie können Sie behaupten, daß das bewußt verwendete Wort „unzeitgemäß“ keine Wertung enthält (was es tut)? Dass Sie mit diesem Verdikt nicht ein Scheitern auf die Unzeitgemäßen der Zunft herabwünschen, postum oder vivibus?
Meinen Sie wirklich, dass Jarrett eine passende Analogie zu Ihnen und Schönberg eine passende Analogie zu Pastior sei? Und sollte dem so sein: Warum?
Warum glauben Sie, mir – argumentativ feige – das Wort im Munde umwälzen zu müssen (sprach ich doch nicht von notwendigem sondern von womöglichem Zurückfallen Ihrer Lyrik sowie keineswegs von Ihren Hexametern, von deren Berechtigung ich andernorts überzeugt mich zu zeigen die Ehre habe)?
Was halten Sie von der Handreichung, die entscheidende Silbe „zeit“ in „unzeitgemäß“ nicht als eine wie auch immer zu klassifizierende (Literaturwissenschaftler werden für Generationen zu tun haben…) Gegenwart, sondern als kosmische Zeit aufzufassen? Somit eine Dichtung anhand ihrer Gemäßheit (Ge-messen-heit!) an Kosmos und Mythos zu beurteilen?
Voilà, Gegenfragen, aber: nicht gleich in den Anti-Herbst nur wegen der präfixuellen Konvergenz! Für heutnacht verabschiedet sich
Ihr Mäeut
@Eckermann-Knitl. (Dem Mäeuten, 1). Sind Sie wirklich, in >>>> dieser Replik auf ValeriaIhr Link funktioniert nicht, aber Sie meinen wohl >>>> dieses auf die von mir gestellte Frage nach „Unzeitgemäßem“ eingegangen? Oder haben Sie sich vielmehr hier wie dorten um eine Positionsbestimmung herumgedrücktIch drücke mich nicht herum, sondern glaube nicht daran, daß feste Positionen angemessen, also realitätsnah, sind; erntsprechend nehme ich wechselnde Positionen ein…daß Sie dorten eine willentliche Unkenntnis des Judentums zur Schau stellenWeshalb meinen Sie: „willentlich“? Ganz sicher bin ich kein Spezialist, aber neugierig. Und nehme mir von dem, was ich brauche, ganz unpuristisch.
Interessant ist aber diese Frage:Ist nicht das, „was sich bewußt zur Verfügung stehender Formen bedient und sie nutzt“ Movens von Dichtung allgemein (ohne Sitzplatzreservierung für die Posteriomoderne)?Die Postmoderne hat es wieder möglich gemacht, ohne daß die Sachverwalter einer Moderne eine Verbannung durchsetzen können, wie das etwa in den 50ern und 60ern in der Kunstmusik gang und gebe gewesen ist; ähnlich sind die Gruppler47 mit ihnen unliebsamen Autoren, und zwar erfolgreich, verfahren. Hier ist die Postmoderne aufbrechend wirksam gewesen. Das gilt für die Hochkultur, im Pop ist’s eh egal; allerdings daß der Pop wiederum in die Hochkultur formwirkend eingegangen ist, dürfte auch eine wirkliche Segnung der Postmoderne gewesen sein – und n i c h t eine Affirmation des Marktes.Läßt nicht schon jede Gattungs-Aktualisierung („aus“?) dem so gern zitierten starren Korsettw e r zitiert gerne? der Regelpoetik eine Fischgräte herausbrechen?und, nein, ganz sicher n i c h t jede.Wie können Sie behaupten, daß das bewußt verwendete Wort „unzeitgemäß“ keine Wertung enthält (was es tut)?Seit Nietzsches Unzeitgemäßen Betrachtungen hat das Wort „unzeitgemäß“ eine höchst ambivalente Bedeutung, die seinen Wert mal so, mal anders annehmen läßt.Meinen Sie wirklich, dass Jarrett eine passende Analogie zu Ihnen und Schönberg eine passende Analogie zu Pastior sei?E i n e Analogie, vielleicht. Es war ein Beispiel, das nicht einmal direkt auf mich und Pastior gemünzt sein muß. Im übrigen ist mir nach wie vor nicht klar, weshalb jemand, der sic h nicht der Formen Pastiors oder meinethalben auch Jandls bedient, hinter Zeitgenossen zurückfallen soll?Warum glauben Sie, mir – argumentativ feige – das Wort im Munde umwälzen zu müssenFeigheit gehört nicht zu meinen Stärken; ich habe Ihnen das Wort auch nicht herumgedreht, sondern Sie tatsächlich entsprechend verstanden(sprach ich doch nicht von notwendigem sondern von womöglichem Zurückfallen Ihrer Lyrikich verstehe die… na ja, „Kategorie“ des Rückfalls prinzipiell nicht in Ihren Einlassungen…ich >>> andernorts überzeugt mich zu zeigen die Ehre habeNun ja, der Link verweist auf einen n a c h Ihrer hier in Rede stehenden Argumentation geschriebenen Text.…die entscheidende Silbe „zeit“ in „unzeitgemäß“ nicht als …. sondern als kosmische Zeit aufzufassen?Davon halte ich überhaupt nichts, was daran liegt, daß ich fest davon überzeugt bin, daß Menschenwerk, jedes, dem Kosmos wurscht ist, weil der Kosmos keine denkende, geschweige fühlende Entität ist, sondern einfach die Summe dessen ist, was ist. Innerhalb dieser Summe sind wir – Erde, Menschen, Kunst – kaum ein Atom; wir haben für uns selber Bedeutung, das ja, aber für den Kosmus sind wir eine „Größe“, die man beruhigt ausklammern kann, weil man sie nicht mal bemerkt.Somit eine Dichtung anhand ihrer Gemäßheit (Ge-messen-heit!) an Kosmos und Mythos zu beurteilen?Kosmos, wie gesagt. Der Mythos wäre etwas anderes, aber es gibt nicht d e n Mythos, sondern d i e Mythen gibt es, und ein (gschweige vergleichendes) Bewußtsein ihrer ist bei den meisten Menschen nicht sehr verbreitet oder doch auf einige wenige, sie speziell interessierende Mythen (die des Christentums, die der Antike, die der Maya, die des Islams, die des Judentumes usw, sowie politische Mythen, die es ja auch gibt) begrenzt.
Ach Herbst, Sie sind ein…
„sondern [ich] glaube nicht daran, daß feste Positionen angemessen, also realitätsnah, sind; erntsprechend nehme ich wechselnde Positionen ein“
Und das von Ihnen, der Sie hier an verschiedenen Stellen heroisch behaupten, für dieses und jenes „bis aufs Blut“ kämpfen zu wollen! So ist denn hier wohl genug gefragt, und ich gebe Ihnen kurz und knapp Auskunft zu wiederum Ihren Fragen:
1. Ihre Unkenntnis des Judentum scheint mir willentlich, da Sie nicht so dumm sind, aus jüdischer Perspektive den Shtetl des neunzehnten Jahrhunderts als Kontrapunkt zum New York des einundzwanzigsten aufzufassen. Überdies implizieren Sie da eine Argumentationsfigur „finsteres Mittelalter hier – moderne Regression dort“, die Ihrer dortigen Argumentation aufs entschiedenste widerspricht.
Ob der Grund für diese stiefväterliche Haltung darin zu finden sein mag, dass Sie unter allen monotheistischen Religionen – wenn überhaupt – den Islam zu favorisieren scheinen?
2. Jeder zitiert gern das ach so enge Korsett der Moderne. Als handle es sich um eine Stahlkammer im Kasterlformat, die meisterdiebartig gesprengt zu haben Verdienst der sog. Postmoderne sei… Gähn! – Ich glaube das alles nicht, glaube aber, dasz diese querelle-position auf fundamentaler Unkenntnis der Moderne und der dialektischen Beziehung zwischen Ihr und der Antimoderne beruht. Der „postmoderne Mensch“ ist immerhin Prägung eines modernen Dichters, obendrein eines, dessen Vielfalt an formaler, sprachlicher, rhythmischer Ausdrucksfähigkeit manchen Post- und Posteriomoderenen im elementischen Regen stehen ließe!
3.
„aus“4. Bedenken Sie, dass die Gatungsfrage nicht nur für Dichtung, sondern auch für Menschen gilt.
5. „Meine“ Kategorie des Zurückfallens sproßt in Wirklichkeit aus Ihrer Kategorie des Unzeitgemäßen (und kommen Sie mir da nicht mit Nietzsche, der hat mit Ihnen und Ihrem Schreiben nun nicht viel zu tun!). Anhand Ihrer Setzung könnte man – so suggerieren Sie – zwei Gedichtbände nebeneinander legen und an der Zeit messen. Dann bildet sich Hierarchie, die eines hinter dem anderen zurückfallen läßt.
6. Zu Ihrer mangelhaften Auffassung von Kosmos und Mythos siehe dort unten. (Übrigens ein typisches Merkmal der Postmoderne, wie auch Ihrer Darstellung der eigenen Person: Aufspaltungen, Differenzierungen, Ver- und Entdoppelungen, das gesamte NouveauRoman-Getue.
All das richtet nur Zäune und Mauern gegen das ursprünglich Eine hin auf. Das gilt insbesondere für all jene sciences (und neuerdings life sciences, stellen Sie sich vor: Als ob es diesen tatsächlich um LEBEN ginge! The Ministry of Truth läßt grüßen!). – Doch entspringt dieser Drang nach Differenzierung der traumatischen Auslösung aus dem elementischen Ursprung. Für Sie bedeutet das: Sie überkompensieren Ihre Sehnsucht nach dem All-Einen, indem Sie Aufspaltungen vehement bejahen.)
Was bleibt? Nun: Sie spalten sich, sind Ihr eigener Eckermann (freilich nicht so ein Chronist von der traurigen Gestalt, sondern Ein Ganzer Kerl!), und this weblog sind Ihre Gespräche mit dem Verehrten.
Und um versöhnlich zu schließen: Ich schenke Ihnen Ihre „Unzeitgemäßheit“; mögen Sie nur begreifen, was Zeit denn sei.
αιών παις εστι παιζων, πεσσεύων παιδος η βασιληίη.
@Knitl. Aj, Sie wissen, was Zeit ist? Ontologisch? Immerhin hatte ich schon bei Ihren Bemerkungen zum Kosmischen den Eindruck, mit einem Gläubigen zu sprechen. Zu denen zähle ich in der Tat nicht. Bei Formulierungen wie „das ursprünglich Eine“ klappen sich mir die Fußnägel hoch. Man kann so etwas schreiben in einem poetischen Zusammenhang, als ein S p i e l (so, wie man in der Vorstellung auch von Gott und Engeln, und zwar berechtigt und sehr schön, sprechen kann), nicht aber mit einem Anspruch auf Wahrheit außerhalb des poetischen Bezuges. Alles andere ist purreligiöse Behauptung, die von dem Behauptenden als Gewißheit empfunden wird. Das läuft dann unter Wahrnehmungspsychologie. Im Prinzip nichts dagegen, solange nicht Normen auf Handlungsanweisungen daraus abgezogen werden.
Was den Islam anbelangt, so läßt sich meine Neigung leicht erklären: Die Kleidung ist schön. Bis in die Burka. Dagegen wirken sämtliche christlichen Geistlichen wie Kastraten. Von den meisten Gläubigen will ich gar nicht sprechen, je protestantischer, desto schlimmer (die mediterranen Katholiken hat ihr Heidentum gerettet). Orthodoxe Juden wiederum inszenieren das Häßliche geradezu. Dies ist jetzt, wohlgemerkt, meine Wahrnehmungspsychologie und nicht mehr, schon gar nicht ein Urteil. Sondern bloß die Begründung einer Vorliebe, mit was ich mich lieber umgebe. Ich favorisiere unter den Monotheismen den Islam also ganz allein aus ästhetischen Gründen. (Ich kenne auch keine schönere Architektur als die sakral-islamische, keine von auch nur ähnlicher Leichtigkeit. Gemessen an der Jama Masjid von Bombay ist der Kölner Dom geradezu eine Bausünde, deren Grobheit kaum zu übertreffen ist. Allerdings gleichen… na ja, glichen die Christen das mit Musik und Malerei wieder aus.)
Mich würde schon interessieren, wo Sie belegen können, ich hätte etwas heroisch behauptet. Mir scheint das vielmehr eine Projektion Ihrerseits zu sein, der für meinen Geschmack insgesamt ein wenig z u sehr von kosmischen Sicherheiten ausgeht, die er gepachtet habe. Dagegen kann ich Ihnen aus meiner eigenen intimen Kenntnis des Kosmos‘ sagen, daß wir, also auch Sie, also auch ich, ihm von Herzen egal sind. Spätestens, wenn einen von uns der Krebs erwischt oder AIDS, werden wir darauf den Handschlag bekommen, oder eine andere tödliche, mit Leidenschaft schmerzhafte Krankheit… oder wir werden Opfer eines Anschlags und es reißt uns ein Bein ab oder die Arme, und unsere Kinder werden dabei gepfählt und müssen sich unter Schmerzen noch stundenlang winden. Spätestens dann, wenn wir das erleben – und Tausende erleben es – wird auch Ihnen klar werden, was vom Kosmos zu halten und zu erwarten ist. Wenn Sie für „Kosmos“ das Wort „Gott“ einsetzen möchten, wär mir das übrigens recht, mit Allah und Jehova nicht minder.
Zu untersuchen ist dieser Ihrer Sätze:Ich glaube das alles nicht, glaube aber, dasz diese querelle-position auf fundamentaler Unkenntnis der Moderne und der dialektischen Beziehung zwischen Ihr und der Antimoderne beruht.Sie sprechen allzu gern von „glauben“ und merken dabei gar nicht, daß die Postmoderne -. also das, was man unter ihr befaßt, bzw. befassen kann – genau das antithetische Moment ist oder gewesen ist, auf das Sie mit Ihrer Formulierung von der dialektischen Beziehung abzielen. Mit keinem Wort habe ich diese Beziehung je bestritten. W a s ich bestreite, allerdings, ist ein Ewiges. Und da hilft mir auch Ihr Heraklit nicht weiter mit seinem hübschen Kinderbild.
P.S.: Weshalb wollen Sie „versöhnlich“ schließen? Wessen Vater sind Sie und mit welchem Sohn haben Sie sich gestritten?
@Knitl zum 16.8. Nachtrag. Also absurder als >>>> Ihre „Widerlegung“ meiner Bilder in Ihrem Kommentar vom 16. 8. ist, geht es gar nicht. Also es geht nicht absurd-positivistischer, so daß man hier sofort die schlaffen Hörnchen merkt, die doch was aufspießen wollten.
Nur drei Kleinigkeiten, alles andere schenke ich mir:
Der Mann und das Mädchen – „Entweder Mädchen und Junge oder Mann und Frau. Ergo: Unsinn!“Das hätte man vielleicht schon Franz Schubert sagen sollen.Zu kurz! zu kurz das Jahr! – „Was soll das bedeuten? Ein Jahr ist doch so lang wie das andere. Dreihundertfünfundsechzig Tage, achttausendsiebenhundertsechzig Stunden.“Ist die Absurdität dieser ‚Widerlegung‘ Ihnen eigentlich nicht selber peinlich?die sie mir wie Früchte reichte – Nanana, Brüste sind nun wirklich keine Früchte! Sowas absurdes!wie Früchte, Herr Knitl. Aber Ihre schmale Argumentation geht so weiter und weiter. Mich erinnert das jetzt sehr an >>>> Herrn Ifone, der auch schon so vom Positivismus verfolgt gewesen und gequält worden ist.
Ach, Alban, traurig. Traurig. Traurig ist, dass Sie Ironie nicht einmal erkennen, wenn Sie sie lesen. Was Sie hier als „meine Widerlegung“ verzeichnen, war an Lupus gerichtet und mit der entsprechenden Intention auf seinen vorhergehenden Kommentar bezogen. Dieser schien mir so absurd, dass nur noch mit Absurderem zu antworten war. Aber ich hasse es bekanntlich, Texte zu erklären.
Lesen Sie doch einfach mal genau, Mann!
PS.: Mich im gleichen Spitale krank zu wähnen wie einen Positivisten, hieße, meine letzte Diskussion mit Ihnen direkt vergessen zu haben. – Wohl bekomms dem Altersheimer!!
Lieber Herbst,
nun noch ein Nachtrag, der sich – abermals verschränkt (wie die Verschränkung ohnehin unsere Bewegung zu sein scheint) – auf Ihrern ersten Kommentar beziehe:
Sprechen Sie nicht gern mit Gläubigen? Nicht, dass ich mich als solcher bezeichnete, aber wie steht es dann mit gläubigen Muslimen? Sprechen Sie mit ihnen oder schauen Sie sie nur ästhetisch wohlgefällig an? –– Doch wohl nicht. Sie sind der Gläubige, indem Sie an die Prävalenz der Schönheit glauben, sich vom Erhabenen der Jama Masjid, vielleicht auch der Mezquita und der Al Aqsa, ergreifen lassen; sind wenige laizistisch als es aussieht: Ja, tragen vielleicht den ästhetischen Katholizismus im Herzen, wenn Ihnen auch all die Metaphysik schnuppe ist.
Handlungsanweisungen? Bitte! Die erteilen Sie, wenn Sie mir attestieren, ich dürfe, was ich Ihnen mitteile, nur im „Spiel“ oder in „Literatur“ tun!! Haben Sie Ohren, zu hören…? Was könnte Sie, die Göttin mag’s wissen, an dem „ursprünglich Einen“ so verärgern, wenn ich Sie doch der bezaubernden Deanera gegenüber äußern sehe:
„[Wasser:] das Element der Auflösung, auch: des Zurückkehrens ins Ungeschiedene, nicht-Konturierte und d a h e r (mit Paglia gesprochen) weiblich, d.h. anti-phallisch.“
???
Interessant vor diesem deutlich kongruenten Hintergrund ist nun, dasz Sie Kosmos mit Gott identifizieren wollen. Dabei werden Sie von mir keine Aussage des Inhalts finden, der Kosmos schere sich (anthropomorph) um irgendjemanden von uns. Aber er ist, und wir sind vom einst Ungeschiedenen geschieden, wollen wieder zurück, können es aber nicht. Solche Tragik meinte ich in machen Ihrer Werke zu spüren (streng wahnrehmungspsychologisch, versteht sich! – Was übrigens die Psychologie alles verdirbt, verquert, nur um dem Menschen seine eingehäuste Differenziertheit bequem zu möblieren: Davon vielleicht an anderer Stelle.), doch Sie wollen mir diesen Eindruck unbedingt madig machen. Warum?
Es gehört zu den hartnäckigen Legenden der jüngeren Literaturgeschichtsschreibung, dass die Postmoderne antithetisch zur Moderne die ästhetisch-formale Erlösung gebracht habe. „Dialektisch“ ist sie, wie Lyotard, Fiedler und Konkneipanten sie propagierten, erst recht nicht gewesen. Dialektisch hingegen war (bis weit ins 20. saeculum hinein: Strauss, Handke, Fuentes, Dávila, Lewis – und auf dem Trittbrett hinten Mosebach) die Beziehung der Moderne seit Jahrhundertbeginn mit ihrem Gegenpart, der katholischen renovatio, einer wertkonservativität, einem Wissen um die Kraft des Alten. Beide lebten wie die 69 ineinander verschränkt und waren so und nur so, was sie waren, mit allen Formen, allen Metaphysiken oder ihren Kritiken und wahrlich gewaltigeren Ausdrucksmitteln hüben und drüben, als sie die nächst kommende Jahrhundertwende vorzuweisen hatte.
(unbeschadet, wohlgemerkt, vom direkt in diesen Zusammenhang gehörenden Begriff des „postmodernen“ menschen, an den sich die Playboy-Leser der Sechziger freilich nicht mehr erinnerten.)
Übrigens: Der Sohn im „versöhnlich“ ist der παις, die Zeit. Nur: wenn die Zeit ein Kind ist, wer sind seine Eltern? Was war zuvor? Interessiert Sie das gar nicht (in Ihrer innerweltlichen Ausrichtung mit Vorlieben und Abspaltungen, ohne an ein Ewiges zu denken – außer vielleicht das monumentum, wie es der Dichter aere perennius aufschichtet)?
Was kommt vor der 1?
Von jetzt auf gleich… ‚Im Schatten junger Mädchenblüte‚ altern Männer halt schneller!
blubber … zur Abwechselung mal etwas anderes: Ein Song, intoniert auf der klassischen Gitarre, mit dem Original im Hintergrund. – Für cellini, oder Sabine (alle anderen hier sind ja eh nur Kulturbanausen!)
P.S.
Ich wette, dass albert nikolaus Schmerz nichts Vergleichbares auf dem Cello zustandebringt (Großkotz!)
Nachgereicht Link: Cover of T.H.
@ walhalladada Pfiffige Interpretation. Gefällt mir. Nicht der Mann ist der Tod, sondern dass junge Mädchen ist der Tod für den alten Mann. Wirklich gut. Da hat ANH jetzt mal zurecht verloren.
Und ich erst 🙂
Das kotzt mich langsam an… Nicht nur, daß in der „Dichterklause“ die Häme regelrecht regelmäßig wütet, hier in Der Dschungel solche Aussagen zu lesen, tut nur weh. Lasst Euch (Ausnahmen herausgenommen) doch einfach mal das Lesen beibringen, nämlich das elementare Lesen, daß prüfende Lesen, daß analytische Lesen und das synoptische Lesen. Wenn Ihr diese Fähigkeiten erlangt habt, stellt Euch die Fragen, die ihr an einen Text habt, erst einmal selbst und versucht sie auch selbst zu beantworten. Wenn dann immer noch Fragen auftauchen, beantwortet ein Dichter sie sicherlich sehr gern, wenn sie denn nicht mit dem subjektiv gefärbten Einfaltspinsel geschrieben formuliert werden.
„Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul“….
@ H5-58
dann sag doch mal etwas konkretes zu diesem Gedicht, anstatt dich nur aufzuplustern und den Moralapostel auszupacken; wäre doch immerhin ein anfang, wo du offensichtlich gerade das lesen gelernt hast.
Verarsche Ist eigentlich keinem klar, dass all diese Kommentare Herbst selber schreibt? Ihr seid sowas von beknackt. Eine grössere Verarsche als dieses Blog gibt es doch gar nicht. Sogar der Lavantes, der sich unter meinem Namen registriert hat, eine Unverschämtheit sondergleichen, ist Herbst. Hier ist alles immer nur und ausschliesslich Herbst. Die paar anderen Stimmen, Lupus vielleicht, ich selber, zählen hier gar nicht. Ob für das Gedicht oder gegen das Gedicht, alles ist von Herbst. Daß Herbsts Gedichte alle, wirklich alle, reine epigonale Scheisse sind, habe ich schon gesagt und sage es wieder. Die einzige, die hier Ahnung von Literatur hat, ist sowieso cellini. Auch das habe ich immer gesagt und sage es wieder. Blumen und riffs für cellini! kotzt auf den Epigonenmüll!
he, he, moment mal, ja! ich bin immer ich und nur mir selber gleich.
sicher alles verkappte surrealisten, kein mensch schreibt heutzutage mehr epigonenhafte gedichte, ausser …
@j.h.e.lavantes (anonym) sie sind anonym hier.
sie sind nicht registriert.
sie können hier abblasen, was immer sie wollen: es erreicht keinen, der ahnung hat: weil anonyme kommentare (vor allem wenn sie sich durch die sprache so selbst entkleiden, wie ihres) mühsam um sinnhaftigkeit ringen und nur durch ihre inneren werte bestehen können.
ihnen gelingts nicht.
schade, Herr Anonymus! Es ist natürlich schwer, Herbsts hohem geistigen Niveau etwas entgegen zu setzen – das zeigt sich hier überdeutlich. Und disqualifiziert die anonymen Kommentare noch drastischer.
Hohes geistiges Nivea? Guckt euch besser Link: DAS an! Und auch Link: DAS, das ist seriöser, aber kein alter knochen wie Herpes verschwiemelte Gruftielyrik.
geile Diskussionskultur, lavantes versüsst mir echt den büromorgen. aber warum willst du dauernd >> perkampus gegen anh ausspielen. gibts da was, was wir nicht wissen? man hat den eindruck, du bist innem inner circle, was dich so wadenbissig macht. darüber ist perkampus bestimmt nicht happy. nur mal so als hinweis, dass du ihm vielleicht mehr schadest als hilfst. so blöd wirst du ja nicht sein, dass du selbst perkampus bist, oder?
Wer ist denn Perjambus?
Holà, Sabine Begrüssenswert, dass ich überhaupt nichts mehr selber schreiben muss, um Kommentare zu veröffentlichen. Das nehmen einem die Anonymlinge ab.
Aber wegen Perkampus, das geht wahrscheinlich >DARAUF zurück. Aber ob der falsche Lavantes in Wirklichkeit ein Typ namens Lebowski ist oder Perkampus selbst, kann man nicht sagen. Eher nicht, weil Perkampus ja von sich selber schreibt, dass er nicht dumm ist. Ich glaube, man darf ihm das glauben. > LEBOWSKI aber ist ein einschlägig bekannter >TROLL, dessen Blog eben deshalb > ENTFERNT worden ist.
Schon dolle wozu ein Gedicht alles herhalten muss, das doch ganz offenichtlich nebenbei entstanden und wirklich vielleicht etwas zu früh ins Netz gegangen ist. Man muss doch nur mal gucken, wie lange ANH sonst immer an seinen Texten feilt. Aber irgendwas scheint es ja zu treffen, sonst wäre der Thread nicht unter den top bei twoday gleich an dritter Stelle!
@ANH Ihr Gedicht betreffend stelle ich persönlich einen Bezug zu >>> Cellinis TB-Eintrag her. Für mich ist es kein „Alt-Herren Gedicht“, sondern eher ein „Jahreszeitengedicht“.
‚es war vor erschaffung der welt, dass gott langeweile hatte‘ ebereschen. füllen. färben. reifen. könnte ein programm sein. benn konturiert die trauer und die resignation, zum füllen, färben, reifen nicht in der lage gewesen zu sein. der mensch scheint anders zu ‚funktionieren‘ als die natur. herr herbst verschreibt sein gedicht der trauer über die vergänglichkeit des verlangens. er benutzt bilder, die sich wenig von denen abheben, die man in solchen fällen erwarten darf. das kann sinn machen, aber es lockt mich nicht mehr. was mich an dem gedicht lockt, ist das umkreisen einer empfindung, die wahrheit in ihrer je eigen erfahrenen phänomenologie beanspruchen darf, aber das gedicht füllt und färbt sie nicht auf ungekannte weise. von der aber würde ich gerne was lesen. sprich, wenn ihre obsessionen sich von der folie der bereitstehenden schablonen abheben würden, käme was ins schweben. das ‚kollateral‘ arbeitet wie eine brechstange, stattdessen, scheint mir, müssten feinjustagen am material des gedichts vorgenommen werden, an Brüsten, Lüsten, Früchten, Grab und Stein. mir ist klar, dass dem gedicht klar ist, es schickt gespenster auf die bühne, aber ‚kollateral‘ spendet ihnen nicht das fleisch zum leib, den sie doch verkörpern wollen, kommt mir so vor.
und, nein, ich muss sie enttäuschen, ich obsessiere, denke ich, nicht weniger als sie. vielleicht nur anders. und vielleicht messe ich dem einen anderen stellenwert in meinem leben zu. sie geben den gargantua, und das manchmal nicht schlecht. ich wäre lieber der valerio, und würde zwei weltberühmte automaten anpreisen. ‚und sehen sie mich nicht so an, das ich mich in ihren augen spiegeln muss‘. ich bin über die obsession hinaus. die trauer darüber ist beträchtlich. aber ich sah ihre mechanik. so vielleicht.
@valerio. Das ist eine s e h r schöne Replik. Das kann ich nachvollziehen, sogar nachfühlen. Und das läßt mich nachdenken.
Danke.
jedenfalls schreiben jetzt mal vernünftige leute sachen über die man nachdenken kann mit hand und fuss und ohne dieses dauernde gegenseitig draufprügeln oder bloss ablassen von gefühlsschwällen. so würde ich mir das immer hier wünschen.
Nein! Das geht überhaupt nicht! Die Kommentiererei bringt hier eine Verwässerung mit sich, der das Gedicht nicht folgen sollte!
@ walhalladada auf was bezieht sich dein nein? auf valerio oder auf diese komische neue variante. ich finde die alte fassung körperlicher irgendwie. jetzt ist das so gesäubert. das riecht nicht mehr. schrecklich wenn ein mann nicht riecht.
Auf Valerio? Wie käme Valerio dazu? Nein, diese neue Variante erscheint mir imVergleich bloßer Abklatsch zu sein! Der Vorwurf des Epigonentums wäre jetzt gerechtfertigt: Herbst macht es mit sich selber…Unterm Strich ist nichts geblieben, und das heißt: zuviele
KommentarKollateralschäden..verstanden und deiner meinung bei dir stand nur vorher nur ein nein. ich hab wohl zu schnell reagiert. witzig, wenn einer sein eigener epigone wird, um keiner zu sein
@walhalladada. Das ist ja nicht endgültig. Ich probiere etwas herum (es gibt seit gestern noch ein paar weitere Fassungen), um die Argumente insgesamt vielleicht einzuarbeiten. Aber vielleicht geht das auch nicht. Entschieden wird schließlich sowieso immer ganz anders und meistens Wochen später. Manchmal landet so ein Gedicht dann auch einfach in der Ablage senkrecht oder wird auf sehr viel später zurückgepackt. Es ist mir momentan noch ganz unklar, ob ich es überhaupt in das im Herbst erscheinende Buch mit reinnehmen werde. Wahrscheinlich eher nicht.
Mein Problem ist, daß ich das erste Impulsive gerne erhielte, aber genau das gegen die Bewegung einer präzisen Formung steht.
songs to be sung das selbstporträt eines kranken bacchus, wie es caravaggio malte, wäre vielleicht ein lohnender bezug. die beeren, die er noch, beinahe zärtlich fordernd, an sich drückt. er ist noch jung, das alles gehört doch ihm, hier und jetzt, so blickt er einen in seiner todesbleiche aus einem makellosen körper durch die jahrhunderte hindurch an. es ist ein erschütternd wahres bild, das vom vergehen allen genusses noch während er sich erfüllt in ungemilderter schärfe erzählt.
vielleicht stört mich auch die suggestion des vergehens der zeit. ‚zu kurz das Jahr‘. hülfe ein gestundete zeit aus dem dilemma? ich glaube kaum.
bei ‚Schlauch‘ kriege ich kein bild rein.
es ist wahr, man sollte gedichte nicht auf diese art verbessern. was ich tun kann, ist nicht mehr, als ein abgleich der symbolischen form mit dem, was es, meiner meinung nach, weiter zu fragen geben könnte.
vielleicht sind es eher die alten meister gewesen, in ihren jungen jahren, die schon einem forever young misstrauten, ohne dabei gleich einem klischee von der würde des alters das wort zu reden.
eher noch : das ‚würde‘ des alters.