Arbeitsjournal. Sonntag, der 8. März 2009. Mit der Marschallin (5).

6.18 Uhr:
[In der Muschel. Schnittke, Ritual.]
Endspurt: Kleben. Um sechs hoch, den Kopf voller >>>> Rosenkavalier– Fragen, die ich gern gleich zu beantworten versuchen würde, aber die Bücherkleberei muß vorgehen. Zumal um 14 Uhr mein Junge wieder zu mir kommt: diesmal, nicht um nur zu lernen und zu üben, sondern wir wollen uns >>>> imFilmmuseum Potsdam http://www.filmmuseum-potsdam.de die Ausstellung zu „Hexe Lili geht zum Film“ ansehen, worin es auch Spiel-Aktionen für Kinder gibt; auch über Nacht wird mein Junge wieder bei mir bleiben und morgen von der Arbeitswohnung aus zur Schule gehen.
Rosenkavalier, >>>> Marschallin. Es ist, nach der Erfahrung von gestern abend, fast schmerzhaft deutlich, daß große Stimmen allein nicht hinreichen, um das Geheimnis dieser Oper, um ihre Tiefe und mit ihr auch die Tiefen der Zuschauer/Zuhörer anzurühren; nicht nur die Regie muß stimmen, sondern es kommt a u c h darauf an, auf welche W e i s e eine Stimme groß ist; es gibt auch eine – objektiv – große Stimme, die leer ist. Wo am Grunde einer Tiefe nichts mehr ist, ist auch keine Tiefe.
Nun beginn ich aber d o c h schon. Und „darf“ nicht. Fairerweise wäre für Berlin auch >>>> Homokis gescheiterter Rosenkavalier mitzudenken. Also ein andermal. Zumal abgesehen von d i esem sind die beiden anderen Inszenierungen, die an der Staatsoper und die an der Deutschen Oper, nunmehr abgesetzt, so daß der mir s o vorschwebende Vergleich, daß es imgrunde auf einen Essay über den Rosenkavalier-„an-sich“ hinausläuft, nicht eilt – auch Berghaus/Gielen, seinerzeit in Frankfurtmain, waren gescheitert; nach wie vor glänzend unangefochten stehen Otto Schenks Münchener Inszenierung von 1979, die auf CD und Video dokumentiert ist, und Götz Friedrichs Berliner von 1993 da, die nicht dokumentiert ist, aber soeben mit >>>> Michaela Kaune den Höhepunkt seiner Characterzeichnung der >>>> Marschallin erreicht hat… — aber jetzt fang ich d o c h schon an und muß doch kleben.

14.17 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Mit Αναδυομένη noch einmal in meinen Mitschnitt von 1996 hineingehört, derselben Inszenierung des Rosenkavaliers, die man nunmehr wohl „der gleichen“ nennen muß, und d a hat es sanglich absolut gestimmt: Ashley Putnam (Marschallin), Iris Vermillion (allervorbildlichster Octavian) und grenzenlos-unfaßbar: Laura Aikin (Sophie). Αναδυομένη: „Wenn die s o singen, dann ist selbst die Inszenierung egal.“ Ja. Weil nämlich d a n n die Personen die Personen sind, egal, was um sie herum sonst noch vera/unstaltet wird.
– Ah, mein Junge kommt. Dann wolln wir mal los.

21.22 Uhr:
[Arbeitswohnung. Bartók, Viertes Streichquartett (Cass.-„Projekt“ Nr. 124).]Schöner Nachmittag im Potsdamer Filmmuseum. Danach Pommes und Bavarianburger (mit Käse und Sauerkraut) im „Kreuzburger“, dann noch zwanzig Minuten mit dem Jungen ans Cello, vor meinem Schreibtisch das Vulkanlager für ihn bereitet und ihm aus dem ersten Kapitel von T.H.Whites Der König auf Camelot vorgelesen. – Während der S-Bahn-Rückfahrt Gert Loschütz’ Die Bedrohung zu lesen begonnen; es nahm mich sofort ein, dieses Buch. Statt zu kleben, läse ich’s gern weiter.
Doch wird jetzt weitergeklebt und Bier getrunken, dazu Pfeife geraucht. Der Bub schlief übers Vorlesen ein. Ich höre die Musik diesmal mit Kopfhörern: Mir ist nach „härterer Kost“ als einer, die ich seinem Unbewußten während des Schlafens zumuten mag.

(Ich möchte gern eine weitere Miszelle für die >>>> Kleine Theorie des Literarischen Bloggens schreiben, und zwar dazu, wie sich (scheinbar) >>>> Objektives mit >>>> Persönlichstem zu vermengen habe*, damit etwas eine tatsächliche Aussagekraft gewinnt – welches eine wäre, die nicht so tut. Aber ich weiß derzeit nicht, wann ich dazu komme.)

[Ja: h a b e; ich will die normative Aussage.]

22.01 Uhr:
[Morton Feldman, Why Patterns? (Cass.-„Projekt“ Nr. 125).]
Es geht in der Oper wie, wenn jemand Bücher schreibt: Nicht „der“ Leser (das Publikum) hat einem egal zu sein, sehr wohl aber das, was er erwartet: Kunst ist kein Wunscherfüllungsgehilfe. Verpflichtet ist der Künstler alleine sich selbst – das heißt: seinem Werk. Was seine persönlichen Interessen anbelangt – Erfolg also, Ruhm und dergleichen -, so fällt das in dasselbe Ausschlußtabu wie die an ihn gestellten Erwartungen. Sollten sich Erfolg, Ruhm, Geld einstellen, so ist das fein – das hat aber in der Produktion nichts zu suchen.

[Neils Haref, „Harfe“.]

23.36 Uhr:
G l ü c k:

Shankar Garbarek Gurtu Hussein:: >>>> Song for everyone.

Seit Jahren nicht mehr gehört, und nun war es „dran“: Cass.-„Projekt“ Nr. 127.

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