7.50 Uhr:
[Casa Schulze, Cucina.]
Zum Dichtertreffen, das wir mit Melonen vorbereitet hatten und Prosciutto dolce und einigem mehr, erschienen zwei Frauen, deren eine von einem tropischen Virus erzählte, den sie hier im Krankenhaus sich eingefangen habe; er sei erwacht mit der Hitze, doch ihretwegen eben nicht, sondern weil die Klimaanlage begonnen habe, dem infektiösen Auftrag nachzugehen. Deshalb müsse sie, die Frau, auch früher wieder scheiden; es gehe ihr nicht gut. Mitgebracht hatte sie eine Freundin aus Deutschland, und was sie vortrug, war Johannis; sie hatte eine eindrucksvoll zerlesene, damen-timer-kleine Bibel dabei, die so auch eingeschlagen war – in ein Leder, von dem ich sofort dachte, sie, die Frau, wisse es nicht, daß es aus Menschenhaut gegerbt – von einem Sadisten, der so Feinstgeist, daß er den Geist erfand: fein wie dieses Leder selbst, weshalb es auch der Wind über den Wassern halten könne. Der Gastgeber parierte: grob, mit Lutherns Deutschbarock; ich meinerseits wollte mit dem im Kapitel angespielten Jesaja kontern, 40, las mich indes in 37 fest, worin die Aufforderung zum Völkermord dem Luther sicher nahgekommen. „Schon Bloch wies darauf hin“, erzählte ich, „daß Hitler seine Eschatologie direkt aus der Bibel bezog.“ Das wollte aber niemand weiterverfolgen, also hüpfte ich endlich ins 40 weiter, das I have had a dream vorwegnimmt.
Außer den beiden Frauen erschien niemand, so daß wir, als sie, gegen zehn, gegangen, allein vor unserer Tafel standen:
Der Übersetzerdichter nahm auf dem Cocktail Platz ohne Nieren, statt dessen steht daneben, für harte Wintertage, Benjamin Franklin, – nahm Platz und Finnegan‘s Wake und las mit einer tiefen, inwärts gerichteten Verve, bassig, fast etwas drohend wie Savonarola, durchschossen aber vom Witz, vor.
And when the next doth ride abroad
May I be there to see!
Ein weißer Blitz: eine Flocke, eine Schneeflocke:
Und reitet sie von neuem aus,
Dann wünscht‘ ich, ich könnt‘s sehn!
Wir hingegen denken‘s uns so:
Und reitet sie von neuem aus,
Wär ich‘s doch, der es säh‘!
Wobei mir das „Blitz“ nach wie vor nicht gefällt, lautmalerisch nicht.
Es war einiger Wein getrunken, als wir für heute aufgaben und uns jeder in sein Gemach zurückzogen… – das heißt: ich noch nicht, denn ich habe Ihnen versprochen, vom Testosteron zu sprechen. Deshalb schaute ich noch mal in Die Dschungel. Also, was sich >>>> darunter abgespielt hatte, während wir Männer unsere Sprachbäder nahmen, war eigentlich kaum mehr zu fassen. Den Anlaß gab >>>> das Pansbild (mittags im Link), weil ich da offen einfach so liege und es zeige; hätte eine Frau das, von sich, so eingestellt, die Herrchenwelt wäre begeistert gewesen oder hätte still genossen, hier hingegen empfand man das männliche Ruhen unter der Sonne schlichtweg als Skandal. Ein paar der Anwürfe habe ich stehengelassen, weil sich gut drauf reagieren ließ, andere, die meisten, habe ich unterdessen gelöscht, von denen nicht wenige, in von Droge und Geistesverwirrung befeuerter Mißgunst, auf deren Grund wohl die Eifersucht köchelt, von unserem >>>> Herrn Lobster stammten. Dem ist das nachzusehen, den haben die Frauen geb e u g t, um ihren Feminismus mal praktisch auszuprobieren; das Ergebnis ist superb. Prima Testreihe, kann ich nur sagen. Nur eignet sich nicht jeder Mann, wie der, so zum Probanden. Doch prinzipiell, das interessiert mich viel mehr, wirkt da ein körperlicher Selbsthaß, eine furchtbare Form von Uneitelkeit, Verkniffenheit, Verdruckstheit und mangelnder Grandezza, daß ich mich wirklich schämte für mein Geschlecht, wär ich halt nicht in Italien, wo mir grad vorgestern nacht Mario Balotelli gezeigt, was ein schöner Männerkörper ist, und zwar in seinem – Triumph:
Und damit wünsch ich Ihnen allen einen wunderschönen Morgen.
9.18 Uhr:
„Muß man das tun, wenn man Schriftsteller ist“, fragte mich gestern meines Jungen Freundin, „jeden Tag so ein Arbeitsjournal schreiben?“ „Nein“, antwortete ich, „aber es hält die Sprache geschmeidig.“
>>>> Litblog 142 (ab 4.50 Uhr im Link)
Litblog 140 <<<<
16.29 Uhr:
Noch einmal Argo amerino, ÜA bis TS 746 unten im Cortile: Dann muß, aber für morgen, eingekauft, nämlich jetzt gleich, und für morgen gepackt werden. Danach folgt ruhig der Abend.
(Für eine von Titania Carthaga geplante Aktion vorhin noch einen Fragekatalog bearbeitet und ihr wieder zugesendet, indessen der Freund ganz ebenso still vor sich hinübersetzt: immer eine dreiviertel Stunde, dann wird eine Seite Dichtung gelesen, dann kommt er heraus und stopft sich eine Zigarette, raucht sie, plaudert etwas und kehrt an die Arbeit zurück. Hier lebt man langsam und, wenn die Kinder nicht toben und schreien, leise vor sich hin. „Seltsam mit dir“, sagte die Löwin am Telefon, „du bist nun so als Workoholic verschrien, aber es macht dir offenbar gar nichts aus, von einer Minuten zur andren geradezu meditativ zu werden.“ Stimmt, ich schwimme hier in Sonne und Licht; stimmt aber auch nicht: denn in mir treibt der dominante Eros Fantasien, die auch ganz ohne mich an ihrer Bewahrheitung wirken. Ich selbst bin dabei, hier und ganz wie der Freund, in meiner Ruhe still.)
Das erste Glas Frizzante. Meine Haut pulst: So verdaut sie den Tag.
18.45 Uhr:
Für >>>> so etwas g i l t einfach: im Zweifel für die Formulierung. (Aber wahrscheinlich bin ich, so konkret auf Frau Abstinentia gesetzt, unterfüttert. Die Dame hält dem >>>> Loyola das… ja, n u r: – – – Haus. Das kann heiter werden auf Giglio: ich hab schon vorhin der Löwin von Mäulern von Fischen gesprochen. Es sei ihre Sache, hat sie gesagt, auf was sie eifersüchtig werde. Sie genieße Eifersucht. Da war, geben Sie’s zu, meine Perversion noch übertroffen. Neoprenanzüge haben aber nicht mal einen Hosenschlitz, gab ich zu bedenken. Sie wollte dennoch nicht hören.)
Mir läuft nur so. Der Schweiß. Wie Wasser. Fast ohne Salz.
Da das nix wirklich Neues ist, schreib ich’s als Kommentar – und um mich dran zu erinnern, daß ich vorhabe, etwas über eine Erziehung zu schreiben, die es nicht ist. Wie Kinder ganz allein gelassen werden, wiewohl die Mutter da ist. Sie beschäftigt sich einfach nicht mit ihnen, die jetzt so dringend Anschluß suchen, daß meine beiden hier schon ganz genervt sind. Das Mädel von dort ist neun, ihr kleiner Bruder drei. Mir unverständlich, und ich erleb’s als wirklich ein bißchen tragisch.
Nach der Mittagsruhe, die mich im Wortsinn schmoren lassen möchte, muß ich mal den Aufbruch vorbereiten.