9.06 Uhr:
[Arbeitswohnung. Garbarek/Hilliard Ensemble, Officium novum.]
Jetzt habe ich fast dreieinhalb Stunden >>>> an dieser Kritik geschrieben; sie war mir wichtig, i s t mir wichtig. Allerdings liege ich nun ihretwegen >>>> mit meinem DTs zurück, das ich noch gestern nacht skizzierte, nachdem ich mit M. im Anschluß an das Konzert im Beaker’s ein Bier getrunken hatte – draußen auf der Bank, obwohl es saumäßig kalt in Berlin geworden ist. Immerhin scheint – deshalb? – nun wieder die Sonne; wir haben einen sehr klaren, rein himmelsblauen Tag. Punkt 4.30 Uhr stand ich auf, kurz vor fünf saß ich mit dem ersten Latte macchiato zur Morgenzigarette am Schreibtisch. Ich bin tatsächlich vor Mitternacht im Bett gewesen. Telefonierte noch mit der Löwin, besprach mit ihr, weil ich unsicher war, ob ich die letzten beiden Kommentare BettyB.’s löschen solle oder nicht; wir waren dann beide dafür. Allerdings wurde mir langsam klar, wogegen sich diese Frau? eigentlich so verbissen wendet; jedenfalls glaube ich, noch jetzt, es zu wissen. Nahm mir vor, dazu mal wieder ein Segment der >>>> Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens zu schreiben, zumal ich den Text zeitgleich für Buch und Ebook überarbeite und vormittags auf ein Segment gestoßen war, daß dem Anlaß des vermeintlichen Bettyhasses den Boden wegziehen würde… man muß es jetzt nur noch auf den Einzelfall präzisieren. Wofür mir heute aber wohl wenig Zeit bleiben wird. Nachts fand ich in der ifonen Mailbox Nachricht eines Lehrers, es falle heute die letzte Stunde für meinen Jungen aus. Er wird also bereits um halb eins hiersein, zusammen mit seiner Freudin, die wieder mit uns essen möchte. Dafür muß ich aber unbedingt einkaufen: Köfte hat sich der Junge gewünscht, die ich immer scharf und mit Kreuzkümmel würzt, scharf angebraten müssen sie sein, kross; dazu gibt’s grüne Bohnen und Kartoffeln. Und einen Nachtisch für die zwei Turtler, die hier dann ihre Hausaufgaben machen und lernen wollen; für die 17-Uhr-Vorstellung spendier ich ihnen das Kino, das sie gern besuchen wollen, also den Film, welchen auch immer, vergessen.
Unterbrechung jetzt. Hinaus. Danach alles vorbereiten. Dann >>>> Die Fenster von Sainte Chapelle, ff.
In Eile: Ihr Herbst.
11.05 Uhr:
Sabine Schönfeldts >>>> „Carmer 1” hat ein paar Fragen zur Lyrik gestellt, die vielleicht auch Sie beantworten wollen. Deshalb verschenk ich den Link.
14.58 Uhr:
[Jarrett, La Scala (1997).]
Alles läuft etwas anders als geplant. Die Kinder sind direkt nach dem Essen, um etwas zu besorgen, hinausgeschossen, so daß ich problemlos zum Mittagsschlaf kam. Aus dem bin ich soeben hoch. Espresso. Und mir war, weil ich quasi den ganzen Vormittag über den späten Garbarek gehört hatte, nach dem späten Jarrett: um die Ohren zu putzen. An Die Fenster von Sainte Chapelle bin ich zwar tatsächlich gekommen, aber für nur einzwei Seiten; dennoch ist das wichtig gewesen, weil ich an einer entscheidenden Kippstelle angelangt bin, für die >>>> mit den Kommentaren umzugehen ist. Das drehe ich jetzt fein hin, wobei es gut ist, wenn das „Grundproblem” in der online-Fassung, die ja ein Entwurf ist, als Konflikt erhalten bleibt.
Wie mein DTs es will, gehe ich jetzt an die Überarbeitung des anderen Textes, der Litblog-Theorie. Danach muß ich noch mal zur Post; ein Leser hat >>>> mein Hörstück zu Daniela Danz und den >>>> Wolpertinger bestellt; das schicke ich beides heute noch hinaus. Auf dem Rückweg wird kurz mein Schneider besucht.
21.52 Uhr:
Soeben die Lektüre des Romans von Stefanie Zweig abgeschlossen, so daß ich am nächsten Sonnabend, dem Buchmessen-Samstag, ganz beruhigt in das Gespräch gehen kann. Es wird völlig reichen, wenn ich mir zuvor ein paar Notizen mache. Ab morgen dann neue Lektüre: endlich >>>> Ricarda Junges Die komische Frau, danach dann Hettches Vaterbuch.
Trotz des etwas desolaten Tagesablaufs auch alles andere geschafft, was vorgenommen war, wenn auch nicht ganz in der vorgehabten Menge. Dennoch, ich bin es zufrieden.
beantwortung der frage nummer 5 quallt ma, wenngleich das mit dem zwingen, nun ja, ich hab noch immer die tür gefunden.
Die Muecke, die der Teufel laesst Da zaehlte er – wie um sich selbst zu vergewissern – schnell nocheinmal das lateinische Alphabeth auf, doch crackte es knisternd in der Hecke, im Busch.
Er hielt beim W anh, es war der 23. Wilhelm schulterte gelassen seine Waffen, nicht ohne vorher nochmal ueber den qualmenden Coltlauf wie ueber eine leere Flasche kurz & streng zu pfeifen, bevor er ihn flugs in die Scheide steckte. Haruki mit Winnetou liebten Akim wie verrueckt, was H. mit Sorge betrachtete, derweil Kaspar im Nebengelass das Stammeln hinter sich liess, heftige Stossgebete. Der Schlingel siefte. Schon als 12jaehriger Bursch hatte er einen Oberlippenbart, spielte Blue Moon & Tod (Jedermannlieder, Frank Martin) auf Klarinette. Sonntags putzte er Faters Schuhe – bellum irak um – mit Feindesinfektion auf der Holztreppe, gleich neben einer wasserfarbnen Laubsaegearbeit – sein Weihnachtsgeschenk fuer Papa – eines treu von vorn blickenden Dackels mit Haken am Halsband, woran der Chouxspoon hing,
griff crap, das letzte Band, duenstend wie Strumphleder, KnockMcOrange Malt, schwarzer Kaffee, oder ein neuer Wagen aufm Asphalt.
Es war ein Leichtes, die blitzblanken Schuhe nach oben zu tragen, die Tuere
aufzureissen (Hitzefrei!), in freudigem Uebermut den Bienenkorb ungewollt zu streifen, um ueberraschend schnell das Zeichen fuer Erwachsensein am Holzdielenboden zu entdecken, infra thin. “Tausche armenische Talente gegen Ben Hur” klang es vom nahen Markt durchs offene Fenster.com Freund, Elster.
“Kannitverstan” – Hawkins konnte nicht riechen, dass der Beau im MayBach nebenan noch vormittags eine futtische Bonuszahlung still ibanisiert bekam, Richtung HG & kurbelte elektrisch das Fenster hoch, steuerte seinen schweren, schwarzen Schlitten – im Radio lief ein von weissem Rauschen zerfressenes Disagio volatile -, nach einer gelungenen Karl Lagerfeldvernissage – Dirk & Viv sassen wie eingeschweiszt schweigend hinten – am A & O der Alten Oper vorbei, ueber die Schmid T. Arnowstrasze gen Poelzigbau. 23 Uhr in F, fuer Menschen in S. bereits sieben.
Der Junge wusste nicht mehr bei ploetzlich uebergestuelptem Anblick der Sofasesselflecken, dass es seine Neugier war, die ihn antrieb, die unbekannte graue Substanz in den Mund zu nehmen, die ihm der nette, femde Avatar im Ueberflieger auf einem Teeloeffelchen zu seinen Roestis reicht.
In Parenthese: Lieber Herr Herbst, wir sollten niemals unsere liebsten Familienangehoerigen nach aussen preisgeben, das macht uns total verwundbar!
Bar gefeld infra thin Laub gequalmt
ohne Zucker kein rot
Nachtiggallenadlervorspeisen dannten
Forellensaucen überlaut
@a23h zum öffentlichen Privaten. Das Private ist eine der entscheidenden Kategorien des Literarischen Weblogs; ich habe dazu vielfach, auch theoretisch, Stellung genommen, und zwar von allem Anfang meines nun über sieben Jahre alten Projektes an, etwa >>>> dort, ausgreifender und schon abstrakter dann >>>> da. Zudem habe ich das Verhältnis von privat & öffentlich auch medienpolitisch immer wieder diskutiert, zum Beispiel >>>> in diesem Beitrag, der das Erreichte wieder sehr einschränkt. Ingesamt dürften es Hunderte Stellen, bzw. Segmente sein, die um genau diesen Themenkomplex kreisen, und >>>> durchaus sehe ich ihn als, z.B., mit Big Brother vermittelt. Die Dschungel ist a u c h Zeitmitschrift.
Unter dem Strich bleibt bei alledem für mich ein Erstaunen darüber, wie sehr man in der Bildenden Kunst die Darstellung auch des intimsten Privaten längst akzeptiert hat, nicht aber in der Literatur, obwohl sie sehr viel abstrakter ist und sehr viel mehr verfremdet. Ganz offenbar schlägt man Autoren nicht zu den Künstlern, sondern nach wie vor einer moralischen Instanz zu. Das ist aber, jedenfalls in meinem Fall, grundfalsch. Sowie man “Priester” wird, priesterähnlich, geht die Kunst verloren. Ich habe fast das Gefühl, nichts sei so wichtig für die Dichtung, wie daß man unmoralisch sei und das auch zeige.
>>>> Litblog 130
Liblog 128 <<<< (7.46 Uhr: vierter Absatz im Link).]
Vongole bei Munthes Hannibal ass Augen mit Vorliebe, selbst von rohem, aber frischem Merloz. Es ging die Kunde, dass im fernen Corea junger Tintenfisch ebenfalls roh & noch lebendig mitunter abends zu leichten Schaepsen verspeist werde. Wer war wohl der erste, der sich im Hause Munthes diesem Experiment ergab? Tief im Gaumen kitzeln lassen. Er war blutjung & ein rassiger Kerl.
Munch riess öfters & zu viel sein Maul auf, fand Gertrude. Der gute rote positanische Wein war nicht gut fuer IHN.
Sie koennte fast eine Italienerin sein, die hübsche junge Bedienung aus Algerien. Gauguin – Spitzname Munthes’ Sohn – hatte ein Auge auf sie geworfen.
Nach dem Essen ging H. zu frueh & die Runde verlassend zur blauen Grotte runter, Abalone tauchen, was M. nicht gefiel. Er aeusserte dementsprechend sogleich sein Unbehagen, so rasch nach der Einnahme der Mahlzeit, der Druck auf den Magen, das sei nicht gut fuers Hirn, sei vorsichtig! Es waren bereits genuegend schaurige Gerüchte ueber M. im Umlauf, weit ueber des Landes Grenzen hinaus. Er wollte nicht, dass sein angesehenes, aber doch auch vague lädiertes Imago bei den allgemein als prüde geltenden Briten weiteren Schaden anrichte. Im Daily Telegraph des 3. Oktober 1923 schrieb unter dem Pseudonym “Essende Herbal” eine junge, aus Nordafrika transmigrierte, Journalistin ueber Munthes offene Therapieformen – nicht nur in London unter Fachleuten diskutiert – und ueber den englischen Arts R.D.Laing, der in ähnlicher Weise offene Wohngemeinschaften in Kingsley Hall erprobt, die hier nicht ueber Licht, kulinarisch Orales, Sonne & Farben ihren interpersonalen Ansatz suchen, sondern mithilfe von Musik. In dem Artikel werden zwar die diversen Methoden und neuen Ansätze kommentiert, allerdings nicht ohne chauvinistische Parteinahme fuer L. bei gleichzeitiger Hähme ueber M. – auf Capri “sei der Affe los” – leicht unter die Gürtellinie zielend, seitdem bekannt geworden, dass M. sich durch neuerliche Auseinandersetzung mit Noetick einen Vorsprung erhoffe. Da dies im Süden offen & gar manches Mal auch in aller Öffentlichkeit geschehe – allerdings so wie bei L. im kühlen Norden auch -, als allgemeine conditio sine qua non, sei das allgegenwärtige “ueber die Schulter schauen” nicht immer den Patienten förderlich. Als Beispiel nannte sie Munthes Forschung im Bereich Gehirngewicht, wobei ihm ein junger Anvertrauter namens Hannibal assistiere und – süffisant angemerkt – wohl hin & wieder mit zu gierigem Interesse (anspielend auf etwaigen unseriösen Missbrauch in der Folgezeit). Hingegen priess sie die aktuelle UK Variante, wo mangels ausreichendem Sonnenscheins – L. selbst liess sich deswegen öfters in St.Tropez blicken -, mithilfe von Musik integrativ geforscht werde & einer der Anvertrauten Laings deswegen beispielhaft positiv zu erwähnen sei: Er sei zwar ein Opfer seiner Obsessionen, Waffen & Sex, aber der rothaarige Rotten koenne mit gewisser Beihilfe Schwester Nightingayle’s speziell im performativen Umgang mit (natürlich ungeladenen) Pistolen aus dem ersten Weltkrieg ganz griffige Ergebnisse gegen seine Legasthenie (PSI TO LEN) erzielen, die sich selbst bei Print’s Horn im sauerkrautdeutschen Highdelbeerg sehen lassen koennten.
Munthe war innerlich vorsichtig & abwartend geworden, indes ungeladene Gäste weiterhin willkommen waren auf San Michele, sein Knonzept. So & nur so war es möglich, dass ihm gelegentlich Rosinen ins Netz gingen, wie jüngst ein Deutscher namens Wagner, der sich allerdings meistens in Klingons Zaubergarten oberhalb von Amalfi aufhielt, wenn er nicht im Hotel Luna, einem ehemaligen Kloster am nackten Fels krass ueber der Adria auf seiner Terrasse komponierte. Munthe konnte es im pikanten Interplay der Öffentlichkeit nur recht sein, einen, wenn auch immermueden Musiker zu seiner Gesellschaft zählen zu koennen. Schlafkrankheit sei heilbar durch Entzug, wurde eins seiner neuen Programme, nicht ohne einen Seitenblick auf das, was sich in London abspielte. Seine Vorliebe galt allerdings den Visualisten. Nike de St. Phalle war heute in der Tischrunde, sie blieb einige Tage, um “auf der Pampa ihre Knarren” auszuprobieren, wie sie zur Nachspeise jovial schmunzelnd & Zigarillo im Mundwinkel preisgab, was sdante pede einen Riesenschrei zur Folge hatte, die aufgefahrnen frischen Heidelbeeren vom Fusse des Vesuv’ fruchtbarer Ascheboeden Herculaneums rollten, ja spritzten geradezu von der grossen, weissgedeckten Tabla, unter der sich – was nun erst zu bemerken war – ein amerikanischer Gast, Pollock, aggressiv & alkoholisiert im Dschungelschattenboxen übte. Munch wurde schnell unter eine kalte Dusche gestellt, um seinen anhaltenden Schreikrampf zu lindern – er mochte es überhaupt nicht ausstehen, wenn Frauen schiessen – und anschliessend nach Hausen geschickt. Gertrude von Edelstein – sie liebte einfach diese neuzeitlichen Schreibmaschinen von IBM – dachte sich still dabei, in ihren am Morgen begonnenen Brief an Burroughs, damals in Tanger weilend, diesen Vorfall nachzurichtend aufzunehmen – Munch klang einfach wie eine weiche Maschine – und zischte ihren stierblutroten Monte samt Weinstein zum Abschluss auf einen Schluck, bis das Glas, wieder transparent, in der verbliebenen seltsamen Schwüle dieses goldenen Herbstes eines letzten Jahrhunderts stummtaub neben all den anderen mitgebrachten Paraphernalia (mit & one Gift, Grab) der Gäste vergessen wurde.
Vom anderen Ufer der Insel kamen gelegentlich wieder einheimische Zaunkönige mit gar spukenden Mündern; die bildhübsche Algerierin raeumte mit einem Augurenlaecheln essentiell ab. Niemand half ihr dabei, spaeter, in einem Seitenflügel des königlichen Schlosses Stockholm.
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Ich schreibe wie Uwe Tellkamp – (aus Testen Sie Ihren Schreibstil bei der FAZ, http://www.faz.net/f30/aktuell/WriteLike.aspx)